Isolierter Kindergeldausgleich beim Wechselmodell
Autor: RiOLG Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Brandenburg/Havel
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2016
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2016
Praktizieren die Eltern ein Wechselmodell mit gleichwertigen Betreuungsanteilen, so kann der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil unmittelbar die Auskehrung eines Viertels des an den anderen Elternteil gezahlten Kindergeldes – nämlich die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Kindergeldanteils – verlangen. Dieser Anspruch kann unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus eigenem Recht selbständig geltend gemacht werden, wenn und solange es zwischen den unterhaltspflichtigen Eltern an einem unterhaltsrechtlichen Gesamtausgleich fehlt.
BGH, Beschl. v. 20.4.2016 - XII ZB 45/15
Vorinstanz: OLG Schleswig, Beschl. v. 21.3.2015 - 12 UF 69/14
BGB §§ 1606 Abs. 3, 1612b Abs. 1; EStG § 64
Nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB sei die Hälfte des auf das jeweilige Kind entfallenden Kindergeldes zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden. Für diesen Unterhaltsbedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) des im Rahmen eines Wechselmodells betreuten Kindes hätten beide Elternteile anteilig nach ihren persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) aufzukommen. Dementsprechend werde der besser verdienende Elternteil beim Wechselmodell stärker entlastet als der schlechter verdienende. Soweit der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil dagegen die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils beanspruche, sei es grundsätzlich seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen, was hier nicht erfolgt sei. Eine solche Darlegung mache i.d.R. auch einen isolierten Kindergeldausgleich entbehrlich, da damit ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern unter An- und Verrechnung des an einen Elternteil gezahlten Kindergelds möglich werde. Ein Anspruch auf hälftige Auskehrung des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils komme beim Wechselmodell auch bei einer vollständigen Leistungsunfähigkeit beider Elternteile in Betracht.
Anders verhalte es sich dagegen bei dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Kindergeldanteil. Unabhängig von ihrer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit stehe die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Kindergeldanteils mit Blick auf die paritätischen elterlichen Betreuungsleistungen beiden Elternteilen zu gleichen Anteilen zu. Dementsprechend könne auch ein leistungsunfähiger Elternteil von dem anderen die hälftige Auskehrung des zur Unterstützung der Betreuungsleistungen vorgesehenen hälftigen Kindergeldes – mithin ein Viertel des staatlichen Kindergeldes – verlangen. Vor diesem Hintergrund sei der Beschluss des AG unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung teilweise abzuändern.
BGH, Beschl. v. 20.4.2016 - XII ZB 45/15
Vorinstanz: OLG Schleswig, Beschl. v. 21.3.2015 - 12 UF 69/14
BGB §§ 1606 Abs. 3, 1612b Abs. 1; EStG § 64
Das Problem
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind drei Kinder (geboren in den Jahren 2000, 2003 und 2005) hervorgegangen. Die Eltern praktizieren ein Wechselmodell in der Weise, dass sich die Kinder im wöchentlichen Wechsel im Haushalt beider Elternteile aufhalten. Keiner von ihnen leistet an den anderen Elternteil Unterhaltszahlungen für die Kinder. Die Ag. ist im öffentlichen Dienst beschäftigt und bezieht das staatliche Kindergeld für die drei Kinder. Der Ast. nimmt sie unmittelbar auf Auszahlung des hälftigen Kindergeldes ab April 2013 in Anspruch. Das AG hat antragsgemäß entschieden. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Ag. hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Ag. mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung der Zahlungsanträge erstrebt.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH gibt dem Rechtsmittel teilweise statt. Er verpflichtet die Ag. zur Auskehrung eines Viertels des auf das jeweilige Kind entfallenden Kindergeldes. Zwar werde bei der Praktizierung eines Wechselmodells das von einem Elternteil bezogene staatliche Kindergeld meistens im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Gesamtabrechnung zwischen den Eltern angerechnet oder verrechnet werden können. Solange es aber an einem solchen – den Eltern nicht aufzuzwingenden – Gesamtausgleich fehle, könne der Anspruch auf Kindergeldausgleich als eigenes Recht des jeweiligen Elternteils auch selbständig geltend gemacht werden. Es handele sich dabei (mangels Gesamtgläubigerschaft der Eltern gegenüber der Familienkasse nach § 428 BGB) um einen Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, obwohl hier nicht geleisteter Unterhalt, sondern eine vorweggenommene Steuervergünstigung bzw. eine staatliche Sozialleistung ausgeglichen werde.Nach § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB sei die Hälfte des auf das jeweilige Kind entfallenden Kindergeldes zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden. Für diesen Unterhaltsbedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) des im Rahmen eines Wechselmodells betreuten Kindes hätten beide Elternteile anteilig nach ihren persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) aufzukommen. Dementsprechend werde der besser verdienende Elternteil beim Wechselmodell stärker entlastet als der schlechter verdienende. Soweit der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil dagegen die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils beanspruche, sei es grundsätzlich seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen, was hier nicht erfolgt sei. Eine solche Darlegung mache i.d.R. auch einen isolierten Kindergeldausgleich entbehrlich, da damit ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern unter An- und Verrechnung des an einen Elternteil gezahlten Kindergelds möglich werde. Ein Anspruch auf hälftige Auskehrung des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils komme beim Wechselmodell auch bei einer vollständigen Leistungsunfähigkeit beider Elternteile in Betracht.
Anders verhalte es sich dagegen bei dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Kindergeldanteil. Unabhängig von ihrer unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit stehe die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Kindergeldanteils mit Blick auf die paritätischen elterlichen Betreuungsleistungen beiden Elternteilen zu gleichen Anteilen zu. Dementsprechend könne auch ein leistungsunfähiger Elternteil von dem anderen die hälftige Auskehrung des zur Unterstützung der Betreuungsleistungen vorgesehenen hälftigen Kindergeldes – mithin ein Viertel des staatlichen Kindergeldes – verlangen. Vor diesem Hintergrund sei der Beschluss des AG unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung teilweise abzuändern.