Kein Fernmeldegeheimnis für abgespeicherte E-Mails des Arbeitnehmers

Autor: RA, FAArbR Bahram Aghamiri, WZR Wülfing Zeuner Rechel, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2011
Ein Arbeitgeber wird nicht allein dadurch zum Dienstanbieter i.S.d. TKG, dass er seinen Beschäftigten gestattet, einen dienstlichen E-Mail-Account auch privat zu nutzen. Belassen die Beschäftigten bei Nutzung des Arbeitsplatzrechners die eingehenden E-Mails im Posteingang bzw. die versendeten im Postausgang, so unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers auf diese Daten nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.

LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.2.2011 - 4 Sa 2132/10 (rkr.)

Vorinstanz: ArbG Berlin, Urt. v. 17.8.2010 - 36 Ca 235/10

GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 10 Abs. 1; TKG § 88 Abs. 2, 3; BGB §§ 823 Abs. 2, 1004

Das Problem:

In einem Unternehmen existiert eine als Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene „Internet- und E-Mail-Richtlinie”, die u.a. regelt, dass E-Mails in geringem Umfang auch für die private interne und externe Kommunikation genutzt werden dürfen; der Zugriff Dritter auf diese privaten E-Mails ist grundsätzlich untersagt. Außerdem gilt eine Richtlinie, nach der im Fall der Abwesenheit des Mitarbeiters (Krankheit, Urlaub) organisatorisch sicherzustellen ist, dass der Betrieb Zugriff auf den E-Mail-Account hat, damit die dienstlichen Mails weiter bearbeitet werden können.

Als eine Mitarbeiterin arbeitsunfähig erkrankte, hatte ihr Stellvertreter keinen Zugriff auf ihr E-Mail-Postfach. Nach mehreren vergeblichen Versuchen der Kontaktaufnahme öffnete die IT-Abteilung nach Beteiligung des Betriebsrats und des Datenschutzbeauftragten das elektronische Postfach der Mitarbeiterin. Dienstliche E-Mails wurden geöffnet und ausgedruckt, um die Bearbeitung zu ermöglichen; eine Öffnung privater Nachrichten erfolgte nach dem Vortrag des Arbeitgebers nicht.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der Zugriff auf den dienstlichen E-Mail-Account sei zulässig.

Kein Diensteanbieter: Auch der Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts gestatte, sei kein Dienstanbieter i.S.d. § 88 TKG. Nach § 3 Nr. 6 TKG sei Dienstanbieter jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsleistungen erbringe oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirke. Das Unternehmen erbringe vorliegend weder geschäftsmäßig Telekommunikationsleistungen noch wirke sie an diesen mit.

Kein Fernmeldegeheimnis: Im Übrigen schütze § 88 TKG das Fernmeldegeheimnis i.S.v. Art. 10 GG. Das Fernmeldegeheimnis schütze die unkörperliche Übermittlung von Informationen an individuelle Empfänger mit Hilfe des Telekommunikationsverkehrs. Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Daten seien aber nicht durch Art. 10 GG geschützt, so dass der Zugriff des Arbeitgebers auf E-Mails von Mitarbeitern, die diese nach Eingang in ihrem Postfach beließen oder auf anderen Verzeichnissen abspeicherten, nicht den Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses unterlägen. Zudem habe die Arbeitnehmerin die Möglichkeit gehabt, Einfluss zu nehmen, da das Unternehmen versucht habe, sie wegen der fehlenden Zugriffsmöglichkeit zu erreichen.

Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung: Auch in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG sei nicht eingegriffen worden, da der Arbeitgeber lediglich auf dienstliche E-Mails zugegriffen habe. Selbst wenn man einen Eingriff in den Schutzbereich bejahe, weil der Zugriff auf private E-Mails zumindest potentiell möglich gewesen sei, sei dieser Eingriff jedenfalls gerechtfertigt, da das durch Art. 14 GG geschützte Interesse an der Aufrechterhaltung des ungestörten Arbeitsablaufs gegenüber dem Interesse der Arbeitnehmerin überwiege. Zudem sei die Notwendigkeit des Zugriffs allein durch deren Verhalten entstanden, weil sie es unterlassen hatte, dafür zu sorgen, dass durch eine Stellvertreterregelung die dienstlichen E-Mails während ihrer Abwesenheit bearbeitet werden könnten.


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