Kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Programmierer
Autor: RA, FAArbR Bahram Aghamiri, WZR Wülfing, Zeuner, Rechel, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2012
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2012
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne Zusage einer Entschädigungszahlung ist unzulässig. Dies gilt auch für einen freiberuflich tätigen Programmierer, wenn dieser einem Arbeitnehmer ähnlich wirtschaftlich abhängig und damit schützenswert ist.
OLG Dresden, Urt. v. 13.9.2011 - 5 U 236/11 (rkr.)
BGB § 280; HGB §§ 74, 92a; ArbGG § 5 Abs. 3; TVG § 12a Abs. 1
Ein Programmierer hatte einen Rahmenvertrag mit einem Unternehmen geschlossen. Der Vertrag enthielt die Versicherung des Auftragnehmers, selbständiger und gewerblicher Unternehmer bzw. freiberuflich tätig zu sein, und eine Einigung darüber, dass er nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert werden, sondern vielmehr seine Tätigkeit hinsichtlich Umfangs, Zeit, Organisation und Ablaufs frei bestimmen und keiner Weisungsgebundenheit unterliegen sollte. Vereinbart wurde zudem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von 18 Monaten, gerechnet ab Beendigung des letzten erteilten Einzelauftrags, und die Verpflichtung des Auftragnehmers, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Eine Karenzentschädigung wurde nicht zugesagt. Nach Ablauf eines einmal verlängerten befristeten Projekteinzelvertrags, aufgrund dessen der Programmierer als Subunternehmer des Unternehmens beim KG beschäftigt war, übernahm er für eine andere Firma Programmierungsarbeiten für die Berliner Justiz und nutzte dabei den selben Arbeitsplatz im KG. Das Unternehmen beglich die Honorarrechnung des Freiberuflers nicht, sondern machte einen Verstoß gegen die Wettbewerbsklausel geltend und rechnete mit dem Vertragsstrafenanspruch gegen die Forderung des Freiberuflers auf.
Gesetzliche Grundlage: Gem. § 74 Abs. 2 HGB sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot immer dann nichtig, wenn eine Karenzentschädigung nicht vorgesehen sei. Die Regelungen der § 74 ff. HGB gälten unmittelbar zwar nur für Arbeitnehmer, allerdings habe die Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Vorschriften dann auf einen Freiberufler anwendbar seien, wenn dieser einem Arbeitnehmer vergleichbar wirtschaftlich abhängig und damit schützenswert sei (BGH, Urt. v. 10.4.2003 – III ZR 196/02, CR 2005, 254).
Wirtschaftliche Abhängigkeit: Maßgebend sei somit, ob der Programmierer wirtschaftlich abhängig gewesen sei. Dieses beurteile sich nach den objektiven Umständen des Einzelfalls. Kriterien seien vor allem Umfang und Dauer der Tätigkeit und die tatsächliche Eingliederung des Freiberuflers in die Betriebsorganisation. Solange er in die Betriebsorganisation eingegliedert sei und wegen des Projektumfangs annehmen könne, müsse er einem Arbeitnehmer keine anderen Aufträge gleichgestellt werden. Dies könne auch schon bei einer siebenmonatigen Beschäftigung gelten, sofern diese durch Rahmenvertrag in eine längerfristige Vertragsbeziehung eingebettet werden sollte. Auch der Umstand, dass der Freiberufler Ort und Zeit der Tätigkeit frei habe bestimmen können und stundenweise bezahlt worden sei, ändere nichts an der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Weitere Indizien für die tatsächliche Eingliederung des Freiberuflers in die Betriebsorganisation seien Vorgaben zu Dienst- und Pausenzeiten sowie die Tatsache, dass der seine Leistungen in einem Team aus Programmierern erbracht habe, die an demselben Projekt gearbeitet hätten. Ein relativ hoher Verdienst stehe der Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses ebenfalls nicht entgegen, wenn er nur aus einer Quelle stamme.
Keine Analogie zum ArbGG: Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 ArbGG zur Arbeitnehmereigenschaft des Handelsvertreters könne weder direkt noch analog herangezogen werden könne. Die Vorschrift gelte seinem Wortlaut nach für Handelsvertreter, nicht wie § 74 HGB für Handlungsgehilfen. Schon aus diesem Grund sei eine Heranziehung nicht naheliegend. Eine analoge Anwendbarkeit scheitere an einer vergleichbaren Interessenlage, da die Zielrichtung des § 5 Abs. 3 ArbGG eine andere als die des § 74 HGB sei. Allein aufgrund der Tatsache, dass ein Handelsvertreter oder ein Selbständiger nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG erfülle, könne nicht geschlussfolgert werden, dass er nicht von seinem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sei.
Analogie zum TVG: Zutreffender für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit erscheine jedoch die analoge Anwendung des § 12a Abs. 1 TVG, dessen Voraussetzungen vorliegend zu bejahen sind.
OLG Dresden, Urt. v. 13.9.2011 - 5 U 236/11 (rkr.)
BGB § 280; HGB §§ 74, 92a; ArbGG § 5 Abs. 3; TVG § 12a Abs. 1
Das Problem:
Streitgegenständlich ist die Frage, ob entsprechend der Vorschrift des § 74 HGB auch gegenüber einem Freiberufler ein vertraglich vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur Verbindung mit der Zusage einer Karenzentschädigung wirksam ist.Ein Programmierer hatte einen Rahmenvertrag mit einem Unternehmen geschlossen. Der Vertrag enthielt die Versicherung des Auftragnehmers, selbständiger und gewerblicher Unternehmer bzw. freiberuflich tätig zu sein, und eine Einigung darüber, dass er nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert werden, sondern vielmehr seine Tätigkeit hinsichtlich Umfangs, Zeit, Organisation und Ablaufs frei bestimmen und keiner Weisungsgebundenheit unterliegen sollte. Vereinbart wurde zudem ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von 18 Monaten, gerechnet ab Beendigung des letzten erteilten Einzelauftrags, und die Verpflichtung des Auftragnehmers, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Eine Karenzentschädigung wurde nicht zugesagt. Nach Ablauf eines einmal verlängerten befristeten Projekteinzelvertrags, aufgrund dessen der Programmierer als Subunternehmer des Unternehmens beim KG beschäftigt war, übernahm er für eine andere Firma Programmierungsarbeiten für die Berliner Justiz und nutzte dabei den selben Arbeitsplatz im KG. Das Unternehmen beglich die Honorarrechnung des Freiberuflers nicht, sondern machte einen Verstoß gegen die Wettbewerbsklausel geltend und rechnete mit dem Vertragsstrafenanspruch gegen die Forderung des Freiberuflers auf.
Die Entscheidung des Gerichts:
Dem Freiberufler stehe der Vergütungsanspruch für seine Programmiertätigkeiten zu.Gesetzliche Grundlage: Gem. § 74 Abs. 2 HGB sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot immer dann nichtig, wenn eine Karenzentschädigung nicht vorgesehen sei. Die Regelungen der § 74 ff. HGB gälten unmittelbar zwar nur für Arbeitnehmer, allerdings habe die Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Vorschriften dann auf einen Freiberufler anwendbar seien, wenn dieser einem Arbeitnehmer vergleichbar wirtschaftlich abhängig und damit schützenswert sei (BGH, Urt. v. 10.4.2003 – III ZR 196/02, CR 2005, 254).
Wirtschaftliche Abhängigkeit: Maßgebend sei somit, ob der Programmierer wirtschaftlich abhängig gewesen sei. Dieses beurteile sich nach den objektiven Umständen des Einzelfalls. Kriterien seien vor allem Umfang und Dauer der Tätigkeit und die tatsächliche Eingliederung des Freiberuflers in die Betriebsorganisation. Solange er in die Betriebsorganisation eingegliedert sei und wegen des Projektumfangs annehmen könne, müsse er einem Arbeitnehmer keine anderen Aufträge gleichgestellt werden. Dies könne auch schon bei einer siebenmonatigen Beschäftigung gelten, sofern diese durch Rahmenvertrag in eine längerfristige Vertragsbeziehung eingebettet werden sollte. Auch der Umstand, dass der Freiberufler Ort und Zeit der Tätigkeit frei habe bestimmen können und stundenweise bezahlt worden sei, ändere nichts an der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Weitere Indizien für die tatsächliche Eingliederung des Freiberuflers in die Betriebsorganisation seien Vorgaben zu Dienst- und Pausenzeiten sowie die Tatsache, dass der seine Leistungen in einem Team aus Programmierern erbracht habe, die an demselben Projekt gearbeitet hätten. Ein relativ hoher Verdienst stehe der Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses ebenfalls nicht entgegen, wenn er nur aus einer Quelle stamme.
Keine Analogie zum ArbGG: Die Bestimmung des § 5 Abs. 3 ArbGG zur Arbeitnehmereigenschaft des Handelsvertreters könne weder direkt noch analog herangezogen werden könne. Die Vorschrift gelte seinem Wortlaut nach für Handelsvertreter, nicht wie § 74 HGB für Handlungsgehilfen. Schon aus diesem Grund sei eine Heranziehung nicht naheliegend. Eine analoge Anwendbarkeit scheitere an einer vergleichbaren Interessenlage, da die Zielrichtung des § 5 Abs. 3 ArbGG eine andere als die des § 74 HGB sei. Allein aufgrund der Tatsache, dass ein Handelsvertreter oder ein Selbständiger nicht die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 ArbGG erfülle, könne nicht geschlussfolgert werden, dass er nicht von seinem Auftraggeber wirtschaftlich abhängig sei.
Analogie zum TVG: Zutreffender für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit erscheine jedoch die analoge Anwendung des § 12a Abs. 1 TVG, dessen Voraussetzungen vorliegend zu bejahen sind.