Keine eingeschränkte Pressehaftung bei Zeitschrift ohne nennenswerten redaktionellen Inhalt – „TIP der Woche”
Autor: Rechtsanwalt Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, LLS Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2015
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2015
Auch Zeitschriften, die neben Werbung zumindest auch unterhaltende Beiträge wie Horoskope, Rätsel oder Prominentenporträts enthalten, sind in den Schutzbereich der Pressefreiheit einbezogen. Der Schutzumfang der Pressefreiheit ist umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolgt. Ein Presseunternehmen kann sich daher nicht auf die Grundsätze der eingeschränkten Pressehaftung wettbewerbswidriger Werbeanzeigen Dritter berufen, wenn die fragliche Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug hat, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthält.
BGH, Urt. v. 5.2.2015 - I ZR 136/13
Vorinstanz: OLG Stuttgart, Urt. v. 11.7.2013 - 2 U 186/12
Vorinstanz: LG Heilbronn, Urt. v. 31.10.2012 - 8 O 20/12 Hä
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; UWG §§ 5, 8 Abs. 1
Irreführung: Das Gericht bejaht eine geschäftliche Handlung und stellt zunächst fest, dass sich die konkreten Anzeigen aus Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers bei einer situationsadäquaten flüchtigen als irreführend gem. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG darstellen, da sich keine klare Zuordnung des TEST-Logos zu den jeweils konkret getesteten und beurteilten Produkten ergeben würde.
Verantwortlichkeit: Der Herausgeber könne sich nicht auf die Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten berufen, wonach mit Blick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht bestehe, die sich auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße beschränke. Die Pressefreiheit umfasse nicht nur klassische Presseerzeugnisse, sondern auch Werbeblätter, Kundenzeitschriften oder Anzeigenblätter mit einem nur geringen Anteil redaktioneller Beiträge. Der Schutzumfang der Pressefreiheit sei aber umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung diene und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolge.
Keine eingeschränkte Haftung: Daher könne sich ein Presseunternehmen grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die eingeschränkte Haftung für gesetzwidrige Werbeanzeigen Dritter berufen, wenn die fragliche Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug habe, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthalte. Sie werde von Werbeanzeigen beherrscht und nur zu dem Zweck herausgegeben, den Leser zum Einkauf bei Kaufland zu bewegen. Insoweit greife auch nicht das Argument des Zeitdrucks, unter dem Presseunternehmen typischerweise stehen bzw. der insoweit bestehenden Unzumutbarkeit einer umgehenden Überprüfung sämtlicher Anzeigen auf Gesetzesverstöße, da es sich hier nicht um ein der aktuellen Berichterstattung verpflichtetes Presseerzeugnis handele.
BGH, Urt. v. 5.2.2015 - I ZR 136/13
Vorinstanz: OLG Stuttgart, Urt. v. 11.7.2013 - 2 U 186/12
Vorinstanz: LG Heilbronn, Urt. v. 31.10.2012 - 8 O 20/12 Hä
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; UWG §§ 5, 8 Abs. 1
Das Problem
Eine Gesellschaft der Unternehmensgruppe Kaufland gibt die Zeitschrift „TIP der Woche” heraus. Diese enthält hauptsächlich Werbeanzeigen für Produkte, die in Kaufland-Märkten erhältlich sind. Daneben erscheinen darin vereinzelt auch Anzeigen anderer Einzelhändler und unterhaltende Beiträge wie Horoskope, Rätsel oder Prominentenporträts. In zwei Ausgaben erschienen Werbeanzeigen, einmal für 4 verschiedene Geschirrspülmaschinentabs und ein anderes Mal für drei Nudelprodukte. Diese Anzeigen zeigten jeweils eine Abbildung des Logos der Stiftung Warentest, welches räumlich so angebracht war, dass es nicht nur einem konkreten Produkt zugeordnet werden konnte. Die Stiftung Warentest hatte jedoch nicht alle abgebildeten Produkte, sondern jeweils nur eines getestet und bewertet. Diese Aufmachung wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände als irreführend beanstandet und er fordert Unterlassung. Das LG verurteilt den Herausgeber der Zeitschrift entsprechend. Die dagegen gerichtete Berufung bleibt ohne Erfolg. Mit der durch das OLG zugelassenen Revision verfolgt der Herausgeber seinen Klageabweisungsantrag weiter.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH bestätigt das Urteil des Berufungsgerichts auf und weist die Revision zurück.Irreführung: Das Gericht bejaht eine geschäftliche Handlung und stellt zunächst fest, dass sich die konkreten Anzeigen aus Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers bei einer situationsadäquaten flüchtigen als irreführend gem. § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG darstellen, da sich keine klare Zuordnung des TEST-Logos zu den jeweils konkret getesteten und beurteilten Produkten ergeben würde.
Verantwortlichkeit: Der Herausgeber könne sich nicht auf die Grundsätze der eingeschränkten Haftung der Presse für wettbewerbswidrige Anzeigen ihrer Inserenten berufen, wonach mit Blick auf die Gewährleistung der Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht bestehe, die sich auf grobe und unschwer erkennbare Rechtsverstöße beschränke. Die Pressefreiheit umfasse nicht nur klassische Presseerzeugnisse, sondern auch Werbeblätter, Kundenzeitschriften oder Anzeigenblätter mit einem nur geringen Anteil redaktioneller Beiträge. Der Schutzumfang der Pressefreiheit sei aber umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung diene und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolge.
Keine eingeschränkte Haftung: Daher könne sich ein Presseunternehmen grundsätzlich nicht mit Erfolg auf die eingeschränkte Haftung für gesetzwidrige Werbeanzeigen Dritter berufen, wenn die fragliche Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug habe, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthalte. Sie werde von Werbeanzeigen beherrscht und nur zu dem Zweck herausgegeben, den Leser zum Einkauf bei Kaufland zu bewegen. Insoweit greife auch nicht das Argument des Zeitdrucks, unter dem Presseunternehmen typischerweise stehen bzw. der insoweit bestehenden Unzumutbarkeit einer umgehenden Überprüfung sämtlicher Anzeigen auf Gesetzesverstöße, da es sich hier nicht um ein der aktuellen Berichterstattung verpflichtetes Presseerzeugnis handele.