„Keine lebensverlängernden Maßnahmen” reicht nicht!

Autor: PräsLG Eva Moll-Vogel, Braunschweig
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2016
1. Allgemein gehaltene Formulierungen in Patientenverfügungen wie z.B. „keine lebenserhaltende Maßnahmen” reichen als bindende Behandlungsentscheidung eines Betroffenen nicht aus.2. Im Zusammenhang mit der Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen kommt die Bestellung eines Kontrollbetreuers nur dann in Betracht, wenn sich der Bevollmächtige offenkundig über den Willen des Betroffenen hinwegsetzen würde.

BGH, Beschl. v. 6.7.2016 - XII ZB 61/16

Vorinstanz: LG Mosbach, Entsch. v. 26.1.2016 - 3 T 7/15

BGB §§ 1901a, 1901b, 1904

Das Problem

Es geht um den Streit unter drei Töchtern – den Beteiligten zu 1 bis 3 – über den Abbruch der künstlichen Ernährung bei ihrer Mutter – der Betroffenen -. Im Nachgang eines Ende 2011 erlittenen Hirnschlags kann die Betroffene nur noch über eine Magensonde ernährt werden. Sie lebt seitdem im Heim. Zumindest seit Frühjahr 2013 ist eine verbale Kommunikation mit der Betroffenen nicht mehr möglich. Noch wenige Tage vor dem Hirnschlag hat die Betroffene eine bereits 2003 verfasste Patientenverfügung noch einmal bestätigt und die Beteiligte zu 2 als Bevollmächtige in Gesundheitsfragen eingesetzt. Die Patientenverfügung enthält sinngemäß den Hinweis, dass lebensverlängernde Maßnahmen in aussichtsloser Situation unterbleiben sollen. Während die Beteiligte zu 2 gemeinsam mit der behandelnden Hausärztin den Abbruch der künstlichen Ernährung als nicht durch die Patientenverfügung gedeckt sieht, sind die beiden anderen Töchter, die Beteiligten zu 1 und 3 gegenteiliger Auffassung. Sie wollen die künstliche Ernährung ihrer Mutter beendet wissen. Ihren Antrag auf Einrichtung einer entsprechenden Kontrollbetreuung hat das AG zurückgewiesen. Das darauf hin angerufene LG hat der Beschwerde der Beteiligten zu 1 stattgegeben, die Kontrollbetreuung eingerichtet und die Beteiligte zu 1 als Betreuerin ihrer Mutter mit dem zusätzlichen Aufgabenkreis des etwaigen Widerrufs der erteilten Vollmacht bestellt. Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit ihrer weiteren Beschwerde.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hebt die Entscheidung des LG auf und verweist zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurück. Die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung mit Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf seien vorliegend nicht gegeben. Insbesondere habe die Bevollmächtigte sich nicht offenkundig über den – in der Patientenverfügung niedergelegten – Willen der Betroffenen hinweggesetzt. Die vorliegende Patientenverfügung entfalte keine unmittelbare Bindungswirkung. Die nur allgemein gehaltenen Anweisungen, z.B. ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten sei, bzw. keine lebensverlängernden Maßnahmen zu wünschen, seien nicht so konkret, dass sich die Fortsetzung der künstlichen Ernährung als offenkundiges Hinwegsetzen über den Willen der Betroffenen darstellen würde. Die Zurückverweisung an das LG gebe die Möglichkeit zum einen die von den Beteiligten zu 1 und 3 behaupteten weiteren mündlichen Äußerungen der Betroffenen zu einem etwaigen Behandlungsabbruch zu klären und zum anderen die rechtsfehlerhaft bisher unterbliebene Anhörung der Betroffenen nachzuholen.


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