Keine Pflicht des Arbeitnehmers zur Mandatierung des Steuerberaters des Arbeitgebers

Autor: RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 02/2013
Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, der zufolge der Arbeitnehmer seine Steuererklärung durch eine vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erstellen lassen muss, benachteiligt den Arbeitnehmer als Allgemeine Geschäftsbedingung unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. (Amtl. LS)

BAG, Urt. v. 23.8.2012 - 8 AZR 804/11

Vorinstanz: LAG Hessen - 17 Sa 355/11

BDSG § 32 Abs. 1 Satz 1; BGB §§ 305 ff.; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 u. 6 Abs. 1

Das Problem:

Der Kläger war von der Beklagten langfristig in die USA entsandt worden. Die Parteien hatten eine Nettolohnabrede getroffen. Um die Berechnung der in den USA zu versteuernden Auslandsvergütung zu ermöglichen, sollte der Kläger sich damit einverstanden erklären, dass eine von der Beklagten beauftragte Steuerberatungsgesellschaft seine Steuererklärung erstellt und er die dazu notwendigen Informationen übermittelt. Der Kläger akzeptierte dies erst, nachdem die Beklagte den weiteren Auslandsaufenthalt davon abhängig machte. Er behielt sich die gerichtliche Überprüfung vor, weil nach seiner Auffassung die Zusammenarbeit mit einer bestimmten Steuerberatungsgesellschaft kraft Weisungsrechts nicht habe angeordnet werden dürfen.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das BAG bestätigt die Auffassung der Vorinstanzen, wonach die Vereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt.

Zunächst stellt es fest, dass die verwendete Klausel nicht § 106 GewO nachgebildet ist. Es handele sich nicht um eine Weisung bezüglich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung (§ 106 Satz 1 GewO) und auch nicht um eine Regelung der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 106 Satz 2 GewO), sondern um eine Regelung im Bereich der privaten Lebensführung. In diesen Bereich dürfe nach dem Wortlaut des § 106 GewO nicht durch Weisung eingegriffen werden.

Da die Klausel von Rechtsvorschriften abweiche, sei sie der Inhaltskontrolle zugänglich (§ 307 Abs. 3 BGB). Auch wenn im Ausgangspunkt ein Interesse der Beklagten an der Ordnungsgemäßheit der Steuererklärung bestehe, benachteilige die Klausel den Kläger unangemessen entgegen Treu und Glauben, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Durch sie werde in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Für die Pflicht zur Preisgabe besonders sensibler Daten gebe es weder eine gesetzliche Grundlage noch stelle die Klausel sich als verhältnismäßig im allgemeinen Sinn dar. Bei Eheleuten griffen solche Vereinbarungen zudem entweder in das Recht des Ehegatten auf informationelle Selbstbestimmung oder in das gemeinsame Recht beider Eheleute auf gemeinsame steuerliche Veranlagung und damit in Art. 6 Abs. 1 GG ein. Diese Nachteile könnten weder durch die Nettolohnabrede noch durch die Übernahme der Kosten der Steuerberatung durch den Arbeitgeber hinreichend kompensiert werden.


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