Keine Richtigstellung ursprünglich zulässiger Verdachtsberichterstattung nach Ausräumung des Verdachts

Autor: RA Dr. Yvonne Kleinke, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, BEZZENBERGER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2015
Wenn eine Verdachtsberichterstattung ursprünglich zulässig war, später jedoch der Verdacht ausgeräumt wurde, besteht kein Anspruch des Betroffenen auf Abdruck einer Richtigstellung, sondern nur auf Veröffentlichung eines Nachtrags, dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde.

BGH, Urt. v. 18.11.2014 - VI ZR 76/14

Vorinstanz: OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2014 - 7 U 44/12
Vorinstanz: LG Hamburg, Urt. v. 20.4.2012 - 324 O 628/10

BGB § 1004

Das Problem

Der ehemalige Chefjustitiar einer Bank hatte die Richtigstellung einer ihn betreffenden Berichterstattung in dem vom Verlag verlegten Nachrichtenmagazin gefordert. Der Beitrag berichtete über ein gegen einen früheren Sicherheitsberater der Bank eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, das Büro eines ehemaligen Vorstandsmitglieds verwanzt, dessen Privatwohnung durchsucht und beim Frisieren von Dokumenten mitgeholfen zu haben. In diesem Zusammenhang gab der Artikel Aussagen des früheren Sicherheitsberaters wieder, wonach u.a. der namentlich benannte Chefjustitiar an der Beauftragung dieser Maßnahmen mitgewirkt haben soll. Nach der Veröffentlichung des Beitrags war eine notarielle Erklärung des früheren Sicherheitsberaters bekannt geworden, in der dieser von seinen angeblichen früheren Aussagen abrückte und auch ein gegen den Chefjustitiar eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde eingestellt.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts, mit dem der Verlag zur Veröffentlichung der begehrten Richtigstellung verurteilt worden war, auf und verwies die Sache an das OLG zurück.

Berichtigungsanspruch bei zulässiger Verdachtsberichterstattung grundsätzlich denkbar: Der angegriffene Beitrag enthalte eine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßige und den Chefjustitiar nicht vorverurteilende Verdachtsberichtserstattung. Mögliche Verfehlungen von Führungskräften der Bank stellten einen Vorgang von gravierendem Gewicht dar, an dessen Mitteilung ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden habe. Auch ein hinreichender Mindestbestand an Beweistatsachen habe angesichts der Aussagen des früheren Sicherheitsberaters bestanden. Zudem hätten die Autoren des Beitrags den Chefjustitiar und eine weitere angeblich beteiligte Person angehört. Das Gericht stellte daher fest, dass zwar auch im Falle einer im Veröffentlichungszeitpunkt rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung ein Berichtigungsanspruch des Betroffenen grundsätzlich in Betracht kommen könne, wenn der Tatverdacht später ausgeräumt werde, die Rufbeeinträchtigung hingegen andauere.

Aber Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Medienfreiheit notwendig: Im entschiedenen Fall – so der BGH – ergebe die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit jedoch, dass ein Presseorgan nicht verpflichtet werden könne, sich nach einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung selbst ins Unrecht zu setzen.

Nur Anspruch auf Nachtrag: Bei einer späteren Ausräumung des Verdachts und der Fortwirkung der Beeinträchtigung könne vom Verlag daher nicht die Richtigstellung der ursprünglichen Berichterstattung gefordert werden, sondern nur die nachträgliche Mitteilung (Nachtrag), dass nach Klärung des Sachverhalts der berichtete Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde.


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