Autor: Priv.-Doz. RA Dr. Peter Finger, FAFamR, zertifiz. Mediator, Frankfurt/M.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2024
1. Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der im Inland belegenen Ehewohnung untersteht auch bei einer beiderseitigen ausländischen Staatsangehörigkeit der geschiedenen Ehegatten dem deutschen Sachrecht.2. In Fällen, in denen keiner der beiden Ehegatten geltend macht, die Ehewohnung sei ihm allein zu überlassen, damit er sie mit dem gemeinsamen Kind nutzen kann, hat die Zuweisung der Ehewohnung auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung nach Billigkeitsgründen zu erfolgen, bei der die Ehewohnung demjenigen Ehegatten zuzuweisen ist, der nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte in stärkerem Maße auf sie angewiesen ist.3. Bei dieser Abwägung können u.a. die jeweiligen aktuellen Wohnverhältnisse der geschiedenen Ehegatten, ihre jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse, die Möglichkeit, sich mit den eigenen, vorhandenen Mitteln auf einem in den Metropolregionen stark angespannten Wohnungsmarkt neuen Wohnraum zu verschaffen, die Vermutung der Aufgabe des Nutzungsrechts gem. § 1361b Abs. 4 BGB, die Tatsache, dass ein Ehegatte im Schichtdienst arbeitet, über kein eigenes Fahrzeug verfügt und die Ehewohnung (noch) in fußläufiger Entfernung zu dessen Arbeitsplatz liegt sowie der Umstand berücksichtigt werden, dass ein Ehegatte auf die Ehewohnung als Ort angewiesen ist, um dort den Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu pflegen. Der Tatsache, dass ein Ehegatte der alleinige Mieter der Ehewohnung ist, kommt dagegen in der Regel kein entscheidendes Gewicht zu.
EGBGB Art. 3, Art. 229 § 47 Abs. 2, Abs. 3; EuGüVO Art. 69 Abs. 3; BGB § 1568a Das Problem
F., russ. Staatsangehörige, und M., Ukrainer, sind inzwischen durch Beschl. des zuständigen dt. FamG v. 28.3.2023 geschieden. Auf ihren Antrag ist der Ehefrau die Ehewohnung zur (alleinigen) Nutzung nach dt. Rechtsvorschriften zugewiesen worden, §§ 1568a ff. BGB. Im gerichtlichen Verfahren hat der Vermieter keine Stellungnahme abgegeben. M. legt gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, denn er hält sie für falsch. Bei ihm lebe die gemeinsame Tochter. Zudem arbeite er in der Nähe als Sicherheitsmann in einem großen Einkaufzentrum. Schließlich sei er bisher alleiniger Mieter gewesen. Die Entscheidung des Gerichts
Beim KG bleibt M erfolglos. Grundlage für das KG werden §§ 1568a ff. BGB. Für die Zuweisung der Ehewohnung, die in Deutschland belegen sei, sei auch bei ausl. Staatsangehörigkeit der Beteiligten dt. Recht anwendbar, letztlich also Art. 17a EGBGB (a.F.), wobei Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB maßgeblich wäre. Denn die (sachlich-rechtlichen) Vorschriften der EuGüVO seien nur für Ehen Grundlage, die nach dem 29.1.2019 geschlossen worden seien, dazu Art. 69 Abs. 3 EuGüVO. Art. 17a EGBGB n.F. sei aber „erweiternd“ auszulegen, wobei auf Art. 30 EuGüVO Bezug genommen wird. Auch die lex fori – dt. Gerichte sind zuständig, denn die verfahrensrechtlichen Bestimmungen (auch) der EuGüVO seien schon jetzt maßgeblich – nehme ebenso wie das im Scheidungsverfahren, Art. 8 lit. a VO Nr. 1259/2010, herangezogene Recht über den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Beteiligten auf dt. Vorschriften Bezug (wobei der Hinweis auf Thorn in Grüneberg, 82. Aufl., Art. 17 EGBGB Rz. 2 a.E. [gemeint ist vielleicht Art. 17a EGBGB] allerdings ebenso wenig trägt wie auf Ganz in Gerhardt/v. Heintschel-Heinegg/Klein, Hdb. FamR, 12. Aufl., 15. Kap. Rz. 305). Grundlage müsste (in der Sache) Art. 17a EGBGB a.F. werden, vgl. dazu Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB, ebenso wie für Art. 14 und Art. 15 EGBGB a.F. (dazu Andrae, AnwKomm, Art. 14 EGBGB Rz. 2). Mit der üblichen Abwägung, die alle für den einen oder anderen Ehegatten sprechenden Gesichtspunkte erfasst und gewichtet, kommt das KG ebenso wie das AG zu dem Ergebnis, F. sei „eher“ auf die Wohnung angewiesen, die ihr daher zu ihrer Nutzung zuzuweisen sei, weil M. sich in einer günstigeren wirtschaftlichen Ausgangssituation befinde und auch § 1361b Abs. 4 BGB gegen ihn spreche.