Autor: RiOLG a.D. RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, Berlin
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2019
Haben Eltern eine Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen, in der sich ein Elternteil u.a. zur Zahlung von Unterhalt für das bei dem anderen Elternteil lebende Kind verpflichtet, so liegt darin ein echter Vertrag zugunsten des Kindes, wenn dem Kind ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wird. Davon kann ausgegangen werden, wenn sich der Unterhaltspflichtige wegen seiner Kindesunterhaltsverpflichtung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen gegenüber dem Kind unterwirft. Das Kind kann dann selbst eine Abänderung der Unterhaltsregelung verlangen. Auch für die Abänderung vollstreckbarer Urkunden setzt § 239 Abs. 1 Satz 2 FamFG schon im Rahmen der Zulässigkeit des Antrags voraus, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Änderung der dem Titel zugrunde liegenden Verhältnisse sowie eine „Ergebnisrelevanz” dieser veränderten Umstände ergibt. Fehlt es hieran, ist der Abänderungsantrag als unzulässig abzuweisen.
KG, Beschl. v. 26.6.2019 - 13 UF 89/17
Vorinstanz: AG Schöneberg, Beschl. v. 29.3.2017 - 86 F 106/16
FamFG § 239 Abs. 1 S. 2; BGB § 328 Das Problem
Die im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung 11 Jahre alte Antragstellerin (Ast) entstammt der seit dem 10.4.2013 rechtskräftig geschiedenen Ehe des Antragsgegners (Ag) mit ihrer Mutter, in deren Haushalt die Ast überwiegend lebt. Die Eltern schlossen am 20.3.2013 eine notariell beurkundete Vereinbarung über Scheidungsfolgen, die auch Unterhaltsregelungen umfasste. U.a. verpflichtete sich der Ag auf der Grundlage eines damaligen Jahresbruttoeinkommens von 132.000 €, an seine Tochter zu Händen der Mutter Kindesunterhalt i.H.v. 160 % des Mindestunterhalt abzgl. des hälftigen Kindergeldes zzgl. Mehrbedarfskosten zu zahlen. Bei Einreichung des vorliegenden Abänderungsantrags Ende 2016 beliefen sich die monatlichen Unterhaltszahlungen des Ag an die Ast auf insgesamt rund 941 € (davon: 530 € als Regelunterhalt, 250 € für Mehrbedarfe, 134 € für Krankenversicherung, 27 € für Musik und Reiten). Für die Zeit ab 9/2016 hat die Ast in Abänderung der notariellen Urkunde vom 20.3.2013 höheren rückständigen und laufenden Kindesunterhalt geltend gemacht. Diesen hat sie auf der Grundlage eines konkret berechneten Bedarfs mit monatlich rund 2.043 € beziffert. Zur Begründung ihres Abänderungsbegehrens hat sich die Ast auf ein höheres Erwerbseinkommen des Ag – nicht zuletzt durch seinen Steuerklassenwechsel infolge von Wiederheirat und der Geburt eines zweiten Kindes – berufen sowie seinen neuen Wohnvorteil und neue Mieteinkünfte. Die von ihr bereits 9/2016 geforderte Auskunftserteilung habe der Ag verweigert; er habe erklärt, sich hinsichtlich des Kindesunterhalts für die Ast nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit zu berufen. Das AG hat den Abänderungsantrag der Ast als unzulässig und ihren Zahlungsantrag als unbegründet abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Ast ihr erstinstanzliches Begehren in der Sache weiter, zuletzt – nach teilweiser Antragsrücknahme – nur noch i.H.v. monatlich rund 1.513 €. Hilfsweise und für den Fall, dass das Gericht von seiner Anordnungsbefugnis zur Auskunftserteilung und Belegvorlage gem. § 235 FamFG keinen Gebrauch macht, beantragt sie Auskunftserteilung über das Einkommen und Vermögen des Ag sowie Vorlage entsprechender Belege. Die Entscheidung des Gerichts
Das KG hat den auf Abänderung der vollstreckbaren Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) gegen den Ag gerichteten Antrag, obwohl an der Errichtung des abzuändernden Titels – außer ihm – die Mutter der Ast beteiligt war, anders als das AG als zulässig beurteilt. Es ist im Rahmen einer Vertragsauslegung davon ausgegangen, dass die Absprachen, die die Eltern in ihrer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 20.3.2013 über den Kindesunterhalt getroffen haben, nicht nur Regelungen der Eltern untereinander, sondern einen echten Vertrag zugunsten ihrer Tochter darstellen und ihr ein eigenes Forderungsrecht (§ 328 Abs. 1 BGB) eingeräumt worden sei. Die Absprachen über den Kindesunterhalt seien ausschließlich im Interesse der gemeinsamen Tochter erfolgt; der Ag habe sich zudem unmittelbar ihr gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterworfen. Außerdem sei der Tochter jederzeit eine eigene vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen. Damit sei die Ast, vertreten durch ihre Mutter (§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB), berechtigt, selbst eine Änderung der notariellen Urkunde zu verlangen. Auch die weiteren besonderen Verfahrensvoraussetzungen für die Zulässigkeit des Abänderungsantrags seien zu bejahen. Hierfür sei erforderlich, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Änderung der dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse – z.B. im Hinblick auf den Grund, die Höhe oder die Dauer der Unterhaltsleistung – ergebe. Neben den Grundlagen der Vereinbarung und den maßgeblichen Umständen, aus denen die wesentliche Änderung folge, sei ihre konkrete Auswirkung und ihre „Ergebnisrelevanz” aufzuzeigen. Dies beinhalte jedoch keine vollständige Unterhaltsberechnung mit dem „neuen Zahlenwerk”; denn das würde zu einer unzulässigen Verlagerung der Begründetheitsprüfung in die Zulässigkeitsstufe führen. Wegen der danach angebrachten Großzügigkeit lasse sich aus den von der Ast vorgetragenen Gesichtspunkten auf eine wesentliche Änderung schließen. Ob die behaupteten wesentlichen Veränderungen tatsächlich eingetreten seien, müsse im Rahmen der Begründetheit geprüft werden.