Kollektivbeleidigung – „FCK CPS”
Autor: Rechtsanwalt Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, LLS Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2015
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2015
Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Es ist nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet. Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Zuordnung.
BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015 - 1 BvR 1036/14
Vorinstanz: OLG Celle, Beschl. v. 11.3.2014 - 31 Ss 14/14
Vorinstanz: AG Bückeburg, Urt. v. 7.11.2013 - 60 Ds 404 Js 4872/13 (39/13)
GG Art. 5 Abs. 1, 2; StGB § 185
Grundrechtseingriff: Das Tragen des Ansteckers falle in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit. Meinungen würden den Schutz des Grundrechts genießen, ohne dass es darauf ankomme, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werde. „FCK CPS” sei nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringe eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck.
Schranken: Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung von § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 2 GG seien hier nicht gewahrt.
Kollektivbeleidigung: Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, könne unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Dabei sei aber zu beachten, dass je größer das Kollektiv sei, auf das sich die herabsetzende Äußerung beziehe, desto schwächer könne die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, da es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder gehe, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder. Auf der imaginären Skala, an deren einem Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson stehe, stehe am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen. Es sei verfassungs-rechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bilde. Vielmehr bedürfe es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich sei.
BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015 - 1 BvR 1036/14
Vorinstanz: OLG Celle, Beschl. v. 11.3.2014 - 31 Ss 14/14
Vorinstanz: AG Bückeburg, Urt. v. 7.11.2013 - 60 Ds 404 Js 4872/13 (39/13)
GG Art. 5 Abs. 1, 2; StGB § 185
Das Problem
Eine Jugendliche wird von einer Polizeistreife in ihrem Wohnort angetroffen, als sie einen Anstecker trug, der mit der Buchstabenkombination „FCK CPS” beschriftet war. Auf Aufforderung ist sie nicht bereit, ihn abzunehmen. Bereits Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, bei dem die Jugendliche ein T-Shirt mit der genannten Buchstabenfolge getragen hatte und anlässlich dessen die kontrollierenden Polizeibeamten geäußert hatten, das Tragen dieses Schriftzugs stelle eine Beleidigung dar, die in Zukunft nicht mehr toleriert werde. Aufgrund des neuerlichen Vorfalls wird die Jugendliche wegen Beleidigung unter Einbeziehung einer weiteren tatmehrheitlichen Verurteilung verurteilt. Das AG begründet dies damit, dass „FCK CPS” als Abkürzung für „Fuck Cops” stehe, was mittlerweile einem großen Personenkreis bekannt sei. Die Äußerung stelle eine Kundgabe der Missachtung dar, da sie den sozialen Wert der betroffenen Personen im Amt betreffe und schmälern solle. Bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände und insbesondere der früheren Kontrolle läge eine hinreichende Individualisierung der Äußerung auf die Beamten des örtlichen Polizeikommissariats vor, die eine überschaubare und hinreichend abgrenzbare Gruppe bilden würden. Die hiergegen gerichtete Revision verwirft das OLG als unbegründet.Die Entscheidung des Gerichts
Das BVerfG stellt fest, dass die Jugendliche durch die Verurteilung in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt sei, hebt die Entscheidung auf und verweist die Sache an das AG zurück.Grundrechtseingriff: Das Tragen des Ansteckers falle in den Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit. Meinungen würden den Schutz des Grundrechts genießen, ohne dass es darauf ankomme, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werde. „FCK CPS” sei nicht von vornherein offensichtlich inhaltlos, sondern bringe eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck.
Schranken: Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung von § 185 StGB als Schranke der freien Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 2 GG seien hier nicht gewahrt.
Kollektivbeleidigung: Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, könne unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Dabei sei aber zu beachten, dass je größer das Kollektiv sei, auf das sich die herabsetzende Äußerung beziehe, desto schwächer könne die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, da es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder gehe, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder. Auf der imaginären Skala, an deren einem Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson stehe, stehe am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen. Es sei verfassungs-rechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bilde. Vielmehr bedürfe es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich sei.