Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Glaubensgründen
Autor: RAin FAinArbR Dr. Cornelia Marquardt, Norton Rose LLP München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2011
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2011
Verweigert der Arbeitnehmer die Ausführung einer ihm zugewiesenen Tätigkeit wegen eines Glaubenskonflikts, kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein, wenn eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben ist, die mit der religiösen Überzeugung des Arbeitnehmers in Einklang gebracht werden kann.
BAG, Urt. v. 24.2.2011 - 2 AZR 636/09
Vorinstanz: LAG Schleswig-Holstein - 5 Sa 270/08
GG Art. 4 Abs. 1, 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1 u. 2; GewO § 106; BGB §§ 241 Abs. 2, 242, 275 Abs. 3, 315 Abs. 3, 612a; BetrVG §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1, 102
Die Weisung entspreche dann billigem Ermessen, wenn sie die kollidierenden Grundrechte des Arbeitnehmers aus Art. 4 Abs. 1 GG und des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 GG in einen angemessenen Ausgleich bringe. Habe der Arbeitnehmer die für ihn verbindliche Gewissensentscheidung dargelegt, sei der Arbeitgeber auf Grundlage von § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, den Ausgleich der Grundrechtspositionen dadurch herzustellen, dass er dem Arbeitnehmer eine vertragsgemäße Beschäftigung zuweise, wenn seine betriebliche Organisation dies ermögliche. Erst wenn eine solche Möglichkeit ausscheide, könne der Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung aussprechen.
Da nicht abschließend geklärt war, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestanden hätte, verwies das BAG die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das LAG zurück.
BAG, Urt. v. 24.2.2011 - 2 AZR 636/09
Vorinstanz: LAG Schleswig-Holstein - 5 Sa 270/08
GG Art. 4 Abs. 1, 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1 u. 2; GewO § 106; BGB §§ 241 Abs. 2, 242, 275 Abs. 3, 315 Abs. 3, 612a; BetrVG §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1, 102
Das Problem:
Der Kläger war langjährig bei der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen, beschäftigt. Anfangs arbeitete er in der Waschstraße. Nach deren Stilllegung wurde er zunächst als Ladenhilfe in der Getränkeabteilung und später bei den Frischwaren eingesetzt. Nach wiederholter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wies ihm die Beklagte wiederum die Tätigkeit in der Getränkeabteilung zu, die u.a. das Ein- und Ausräumen alkoholischer Getränke beinhaltete. Der Kläger weigerte sich unter Berufung auf seinen muslimischen Glauben, der Anweisung nachzukommen. In der Folge kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG entschied, dass eine verhaltensbedingte Kündigung ausscheidet, wenn sich ein Arbeitnehmer aufgrund seiner religiösen Überzeugung gehindert sieht, seiner durch eine Weisung konkretisierten arbeitsvertraglichen Verpflichtung nachzukommen. Entspreche die Weisung des Arbeitgebers billigem Ermessen (§ 106 GewO), komme jedoch eine personenbedingte Kündigung in Betracht.Die Weisung entspreche dann billigem Ermessen, wenn sie die kollidierenden Grundrechte des Arbeitnehmers aus Art. 4 Abs. 1 GG und des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1 GG in einen angemessenen Ausgleich bringe. Habe der Arbeitnehmer die für ihn verbindliche Gewissensentscheidung dargelegt, sei der Arbeitgeber auf Grundlage von § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, den Ausgleich der Grundrechtspositionen dadurch herzustellen, dass er dem Arbeitnehmer eine vertragsgemäße Beschäftigung zuweise, wenn seine betriebliche Organisation dies ermögliche. Erst wenn eine solche Möglichkeit ausscheide, könne der Arbeitgeber eine personenbedingte Kündigung aussprechen.
Da nicht abschließend geklärt war, ob eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestanden hätte, verwies das BAG die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das LAG zurück.