Kündigungsfrist für Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband
Autor: RA FAArbR Dr. Detlef Grimm, Loschelder Rechtsanwälte, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2015
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2015
Eine Kündigungsfrist in der Satzung eines in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierten Arbeitgeberverbands, die sechs Monate überschreitet, ist auch unter Berücksichtigung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten berechtigten Belange des Verbands regelmäßig nicht mit der in Art. 9 Abs. 3 G gewährleisteten individuellen Koalitionsfreiheit seiner Mitglieder vereinbar.Überschreitet die Kündigungsfrist die zulässige Dauer, bleibt die Regelung in dem mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbaren Umfang aufrechterhalten. (Amtl. LS)
BGH, Urt. v. 29.7.2014 - II ZR 243/13
Vorinstanz: OLG Oldenburg - 13 U 128/12
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 38, 39 Abs. 2
Mit einem am 27.1.2011 beim Kläger eingegangenen Schreiben erklärte die Beklagte, sie habe den Mitgliedsbeitrag 2010 irrtümlich gezahlt und stets deutlich gemacht, keinem Arbeitgeberverband anzugehören. Der Kläger klagte den vollen Mitgliedsbeitrag für 2011 ein.
Für den Austritt aus einem Arbeitgeberverband gelte nichts anderes als für den Austritt aus einer Gewerkschaft. Hierfür habe der BGH eine Kündigungsfrist von drei Monaten als zulässig angesehen (BGH, Urt. v. 4.7.1977 – II ZR 30/76, WM 1977, 1166 [1168]), eine mehr als sechs Monate betragende Kündigungsfrist aber nicht mehr (zur Gewerkschaft offenlassend: BGH, Urt. v. 22.9.1980 – II ZR 34/80, MDR 1981, 291 = ZIP 1980, 999 [1000]). Eine Kündigungsfrist von bis zu sechs Monaten berühre auch nicht die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie (a.A. ErfK/Linsenmaier, 15. Aufl. 2015, Art. 9 GG Rz. 38). Das folge auch aus §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG.
Eine unzulässige Regelung der Kündigungsfrist entfalle jedoch nicht vollständig, was zur sofortigen Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten geführt hätte. Vielmehr werde sie in dem nach Art. 9 Abs. 3 GG zulässigen Maß aufrechterhalten, mithin mit einer Frist von sechs Monaten (h.M., vgl. HWK/Henssler, 6. Aufl. 2014, § 3 TVG Rz. 11).
BGH, Urt. v. 29.7.2014 - II ZR 243/13
Vorinstanz: OLG Oldenburg - 13 U 128/12
GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 38, 39 Abs. 2
Das Problem
Die Beklagte hatte im Wege eines Asset-Deals im Frühjahr 2010 drei Betriebe übernommen. Nachdem sie sich über Aspekte der Fortführung der Mitgliedschaft beim Kläger, einem als e.V. organisierten Arbeitgeberverband, erkundigt hatte, nahm sie in der Folgezeit in 78 Arbeitsgerichtsverfahren die Dienste des Klägers in Anspruch. Nach der Satzung des Klägers kann der Austritt aus dem Verband „bis zum 31.12. eines Jahres zum 31.12 des nächsten Jahres” erfolgen.Mit einem am 27.1.2011 beim Kläger eingegangenen Schreiben erklärte die Beklagte, sie habe den Mitgliedsbeitrag 2010 irrtümlich gezahlt und stets deutlich gemacht, keinem Arbeitgeberverband anzugehören. Der Kläger klagte den vollen Mitgliedsbeitrag für 2011 ein.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz. Danach war die Kündigung mit einer sechsmonatigen Frist zum 27.7.2011 wirksam geworden. Die Satzungsregelung, die eine Kündigungsfrist von nahezu 24 Monaten zum Gegenstand habe, sei mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Der sonst im Vereinsrecht geltende Fristenrahmen des § 39 Abs. 2 Halbs. 2 BGB von bis zu zwei Jahren sei im Bereich der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit begrenzt.Für den Austritt aus einem Arbeitgeberverband gelte nichts anderes als für den Austritt aus einer Gewerkschaft. Hierfür habe der BGH eine Kündigungsfrist von drei Monaten als zulässig angesehen (BGH, Urt. v. 4.7.1977 – II ZR 30/76, WM 1977, 1166 [1168]), eine mehr als sechs Monate betragende Kündigungsfrist aber nicht mehr (zur Gewerkschaft offenlassend: BGH, Urt. v. 22.9.1980 – II ZR 34/80, MDR 1981, 291 = ZIP 1980, 999 [1000]). Eine Kündigungsfrist von bis zu sechs Monaten berühre auch nicht die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie (a.A. ErfK/Linsenmaier, 15. Aufl. 2015, Art. 9 GG Rz. 38). Das folge auch aus §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG.
Eine unzulässige Regelung der Kündigungsfrist entfalle jedoch nicht vollständig, was zur sofortigen Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten geführt hätte. Vielmehr werde sie in dem nach Art. 9 Abs. 3 GG zulässigen Maß aufrechterhalten, mithin mit einer Frist von sechs Monaten (h.M., vgl. HWK/Henssler, 6. Aufl. 2014, § 3 TVG Rz. 11).