LAG Düsseldorf, Urt. 12.3.2021 - 6 Sa 824/20
Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit „null“
Autor: RAin FAinArbR Dr. Cornelia Marquardt, maat Rechtsanwälte, München
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2021
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 06/2021
Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer aufgrund konjunktureller Kurzarbeit „null“ keine Arbeitspflicht haben, ist der jährliche Urlaubsanspruch anteilig zu kürzen.
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; BUrlG § 1, § 3, § 11 Abs. 1 Satz 3; SGB III § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Zwar setze der Urlaubsanspruch nach § 1, § 3 Abs. 1 BUrlG dem Grunde nach allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus und stehe nicht unter der Bedingung einer Arbeitsleistung. Eine Sonderregelung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sehe das Gesetz nicht vor. Hiervon zu trennen sei aber die Frage, in welcher Höhe ein Urlaubsanspruch tatsächlich entstehe. Nach § 3 Abs. 1 BUrlG richte sich die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs nach der Zahl der Tage mit Arbeitspflicht. Betrage die Arbeitspflicht in Abweichung von der gesetzlich angenommenen Norm weniger als sechs Tage pro Kalenderwoche, vermindere sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Dies gelte auch, wenn für einzelne Zeiträume eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Kurzarbeit „null“ vereinbart worden sei.
Das Unionsrecht stehe dieser Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe der Zweck des in Art. 7 RL 2003/88/EG vorgesehenen Jahresurlaubs darin, dem Arbeitnehmer Erholung von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu ermöglichen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub beruhe dabei grds. auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet habe. Ein Arbeitnehmer könne daher Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gem. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur für die Zeiträume erwerben, in denen er Arbeitsleistungen erbracht habe (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17 Rz. 27 – Hein, ArbRB online = ArbRB 2019, 3 [Marquardt]).
Kurzarbeiter hätten zwar formell betrachtet einen Vollzeitarbeitsvertrag, seien aber als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen, weil ihre Situation mit der von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei (EuGH, Urt. v. 8.11.2012 – C-229/11 und C-230/11 – Heimann und Totschin, ArbRB 2012, 359 [Grimm]).
Demzufolge sei bereits entschieden worden, dass bei vollständiger Herabsetzung der Arbeitszeit durch Kurzarbeit „null“ im gesamten Kalenderjahr auf Grundlage eines Sozialplans und unter Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld gem. § 111 SGB III kein Anspruch auf Urlaub entstehe (LAG Hamm, Urt. v. 30.8.2017 – 5 Sa 626/17). Für konjunkturbedingte Kurzarbeit „null“ gelte – in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Literaturmeinung – jedenfalls dann nichts anderes, wenn sie ganze Kalendermonate umfasse. Aktuell vertrete wohl nur der Deutsche Gewerkschaftsbund eine abweichende Position.
Die weiteren Argumente der Klägerin überzeugen das LAG nicht. Zum einen sei es unerheblich, wenn Kurzarbeit wegen bestimmter Auflagen der Agentur für Arbeit oder einer möglichen vorzeitigen Beendigung keine planbare Freizeit beinhalte. Die Kurzarbeit diene nicht der Erfüllung eines Urlaubsanspruchs, sondern verhindere mangels Arbeitspflicht bereits das Entstehen eines Urlaubsanspruchs für die entsprechende Zeit. Zum anderen sei Kurzarbeit auch nicht mit Annahmeverzug vergleichbar, da im Annahmeverzug Arbeitspflicht bestehe. Entgegen der Annahme der Klägerin liege die Kurzarbeit zudem nicht im alleinigen Interesse ihrer Arbeitgeberin. Zweck des Kurzarbeitergeldes gem. § 95 SGB III und damit der Kurzarbeit sei es vielmehr, Arbeitsplätze zu erhalten und Arbeitslosigkeit zu vermeiden, so dass diese in erster Linie den Beschäftigten diene.
RL 2003/88/EG Art. 7 Abs. 1; BUrlG § 1, § 3, § 11 Abs. 1 Satz 3; SGB III § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2
Das Problem
Die Parteien streiten, ob die beklagte Arbeitgeberin den Urlaub der Klägerin für 2020 wegen Kurzarbeit kürzen durfte.Die Entscheidung des Gerichts
Wie die Vorinstanz weist das LAG die Klage ab. Der Klägerin sei der ihr zustehende Urlaub bereits vollständig gewährt worden.Zwar setze der Urlaubsanspruch nach § 1, § 3 Abs. 1 BUrlG dem Grunde nach allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus und stehe nicht unter der Bedingung einer Arbeitsleistung. Eine Sonderregelung für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses sehe das Gesetz nicht vor. Hiervon zu trennen sei aber die Frage, in welcher Höhe ein Urlaubsanspruch tatsächlich entstehe. Nach § 3 Abs. 1 BUrlG richte sich die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs nach der Zahl der Tage mit Arbeitspflicht. Betrage die Arbeitspflicht in Abweichung von der gesetzlich angenommenen Norm weniger als sechs Tage pro Kalenderwoche, vermindere sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Dies gelte auch, wenn für einzelne Zeiträume eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Kurzarbeit „null“ vereinbart worden sei.
Das Unionsrecht stehe dieser Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe der Zweck des in Art. 7 RL 2003/88/EG vorgesehenen Jahresurlaubs darin, dem Arbeitnehmer Erholung von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu ermöglichen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub beruhe dabei grds. auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet habe. Ein Arbeitnehmer könne daher Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gem. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur für die Zeiträume erwerben, in denen er Arbeitsleistungen erbracht habe (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17 Rz. 27 – Hein, ArbRB online = ArbRB 2019, 3 [Marquardt]).
Kurzarbeiter hätten zwar formell betrachtet einen Vollzeitarbeitsvertrag, seien aber als „vorübergehend teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer“ anzusehen, weil ihre Situation mit der von Teilzeitbeschäftigten vergleichbar sei (EuGH, Urt. v. 8.11.2012 – C-229/11 und C-230/11 – Heimann und Totschin, ArbRB 2012, 359 [Grimm]).
Demzufolge sei bereits entschieden worden, dass bei vollständiger Herabsetzung der Arbeitszeit durch Kurzarbeit „null“ im gesamten Kalenderjahr auf Grundlage eines Sozialplans und unter Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld gem. § 111 SGB III kein Anspruch auf Urlaub entstehe (LAG Hamm, Urt. v. 30.8.2017 – 5 Sa 626/17). Für konjunkturbedingte Kurzarbeit „null“ gelte – in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Literaturmeinung – jedenfalls dann nichts anderes, wenn sie ganze Kalendermonate umfasse. Aktuell vertrete wohl nur der Deutsche Gewerkschaftsbund eine abweichende Position.
Die weiteren Argumente der Klägerin überzeugen das LAG nicht. Zum einen sei es unerheblich, wenn Kurzarbeit wegen bestimmter Auflagen der Agentur für Arbeit oder einer möglichen vorzeitigen Beendigung keine planbare Freizeit beinhalte. Die Kurzarbeit diene nicht der Erfüllung eines Urlaubsanspruchs, sondern verhindere mangels Arbeitspflicht bereits das Entstehen eines Urlaubsanspruchs für die entsprechende Zeit. Zum anderen sei Kurzarbeit auch nicht mit Annahmeverzug vergleichbar, da im Annahmeverzug Arbeitspflicht bestehe. Entgegen der Annahme der Klägerin liege die Kurzarbeit zudem nicht im alleinigen Interesse ihrer Arbeitgeberin. Zweck des Kurzarbeitergeldes gem. § 95 SGB III und damit der Kurzarbeit sei es vielmehr, Arbeitsplätze zu erhalten und Arbeitslosigkeit zu vermeiden, so dass diese in erster Linie den Beschäftigten diene.