LG Berlin, Urt. 17.10.2023 - 67 S 83/23
Studentische Wohngemeinschaft: Zulässigkeit eines Mieterwechsels
Autor: RA Dr. Rainer Burbulla, Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2024
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2024
1. Die Frage, ob sich aus dem Mietvertrag zwischen den Parteien und den Nachträgen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Anspruch auf Zustimmung in künftige Mieterwechsel oder gar eine antizipierte Einwilligung hierzu ergibt, ist mittels Auslegung der auf den Abschluss des Mietvertrags und der Nachträge gerichteten Erklärungen der Parteien zu beantworten.2. Eine ergänzende Vertragsauslegung für eine Zustimmung des Vermieters zu einem zukünftigen Mieterwechsel scheidet aus, wenn bei Vertragsschluss die Mieter zwar mitteilten, sie wollten für ihr Studium oder den Zivildienst nach Berlin ziehen, um ein typisch studentisches WG-Leben zu führen, der Vermieter jedoch sein Einverständnis mit einem künftigen Wechsel in der Mieterstruktur nicht erklärt hat.
BGB §§ 133, 157, 241 Abs. 2, 242, 535 Abs. 1
Eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien dahingehend, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel zustehen soll, sei ebenfalls nicht gegeben. Die Mieter hätten bei Vertragsschluss zwar angegeben, dass sie ein „typisch-studentisches WG-Leben“ anstrebten, die Mieter haben aber nicht vorgetragen, dass die Vermieterin – in welcher Art und Weise auch immer – zu erkennen gegeben hätte, nicht nur mit der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung durch die ursprünglichen Mieter als Wohngemeinschaft einverstanden zu sein, sondern auch mit zukünftigen Wechseln in der Mieterstruktur.
Die Frage, ob sich aus dem Mietvertrag zwischen den Parteien und den Nachträgen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Anspruch auf Zustimmung in künftige Mieterwechsel oder gar eine antizipierte Einwilligung hierzu ergebe, sei mittels Auslegung der auf den Abschluss des Mietvertrages und der Nachträge gerichteten Erklärungen der Parteien zu beantworten. Geboten sei insbesondere eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der auf den Vertragsabschluss bzw. auf die Nachtragsvereinbarungen gerichteten Willenserklärungen der Vertragsparteien, bei der neben allen Umständen des Einzelfalls auch die Gebote von Treu und Glauben zu berücksichtigen seien (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Ein Recht auf den Wechsel der Mieter sehe das Gesetz auch bei einer Mietermehrheit im Grundsatz nicht vor. Ferner sei bei der Auslegung der zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärungen zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich den Mietern obliege, für eine Vertragsgestaltung, die ihnen einen gesetzlich nicht vorgesehenen Mieterwechsel ermögliche, Sorge zu tragen, da eine solche Vereinbarung regelmäßig vorwiegend in ihrem Interesse liege (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Allein der Umstand, dass ein Mietvertrag von mehreren Personen abgeschlossen wurde, die in der Wohnung zusammenleben wollen, genüge für sich genommen nicht, um ohne konkrete Anhaltspunkte von einem entsprechenden Willen der Vertragsparteien von einer Vereinbarung eines Anspruchs der Mieter auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder gar von einer antizipierten Einwilligung hierzu auszugehen (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Allein das Zusammenwohnen mehrerer Personen und die Bezeichnung der Wohngemeinschaft besagen deshalb nichts darüber, ob nach dem Willen der Mieter die Mitbewohner jederzeit austauschbar sein sollen und hiermit auch zu rechnen sei. Eine Wohngemeinschaft sei auch nicht „naturgemäß“ durch häufige Ab- und Zugänge ihrer Mitglieder geprägt. Erst recht müsse ein Vermieter, der einen Mietvertrag mit mehreren Mietern abschließt, nicht ohne weiteres damit rechnen, dass das Zusammenleben der Mieter nicht auf eine gewisse Konstanz und Dauer sowie auf einen häufigen Wechsel der Bewohner angelegt ist. Auch der Hinweis der Mieter, dass die Vermieterin bereits dreimal einem Austausch von Mietern in Form von Nachträgen zugestimmt hat, führe nicht dazu, dass den Mietern ein Anspruch gegen die Vermieterin auf Mieterwechsel zusteht. Denn den früheren Mieterwechseln lasse sich gerade nicht entnehmen, dass die Vermieterin auch für die Zukunft einem derartigen Wechsel immer zustimmen müsse.
BGB §§ 133, 157, 241 Abs. 2, 242, 535 Abs. 1
Das Problem
Zwischen der Vermieterin und mehreren Mietern ist im Jahre 2010 ein Mietvertrag über eine Wohnung in Berlin zustande gekommen. Die Mieter wollten für ihr Studium oder den Zivildienst ein „typisch studentisches WG-Leben“ führen. In der Folge kam es zum Abschluss von drei Nachträgen zu dem Mietvertrag wegen Änderungen der Vertragspartner auf Mieterseite. Mit ihrer Klage verlangen die Mieter die Zustimmung der Vermieterin zum Ausscheiden eines Mieters aus dem Mietvertrag und der Aufnahme eines neuen Mieters in den Mietvertrag.Die Entscheidung des Gerichts
Nach Auffassung der Kammer steht den Mietern kein Anspruch auf Zustimmung der Vermieterin zu einem Mieterwechsel zu. Ein solcher Anspruch sei weder zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden, noch ergebe er sich im Wege ergänzender Vertragsauslegung aus dem Mietvertrag oder aus § 242 BGB.Eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien dahingehend, dass den Mietern ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel zustehen soll, sei ebenfalls nicht gegeben. Die Mieter hätten bei Vertragsschluss zwar angegeben, dass sie ein „typisch-studentisches WG-Leben“ anstrebten, die Mieter haben aber nicht vorgetragen, dass die Vermieterin – in welcher Art und Weise auch immer – zu erkennen gegeben hätte, nicht nur mit der Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung durch die ursprünglichen Mieter als Wohngemeinschaft einverstanden zu sein, sondern auch mit zukünftigen Wechseln in der Mieterstruktur.
Die Frage, ob sich aus dem Mietvertrag zwischen den Parteien und den Nachträgen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Anspruch auf Zustimmung in künftige Mieterwechsel oder gar eine antizipierte Einwilligung hierzu ergebe, sei mittels Auslegung der auf den Abschluss des Mietvertrages und der Nachträge gerichteten Erklärungen der Parteien zu beantworten. Geboten sei insbesondere eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung der auf den Vertragsabschluss bzw. auf die Nachtragsvereinbarungen gerichteten Willenserklärungen der Vertragsparteien, bei der neben allen Umständen des Einzelfalls auch die Gebote von Treu und Glauben zu berücksichtigen seien (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Ein Recht auf den Wechsel der Mieter sehe das Gesetz auch bei einer Mietermehrheit im Grundsatz nicht vor. Ferner sei bei der Auslegung der zum Vertragsabschluss führenden Willenserklärungen zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich den Mietern obliege, für eine Vertragsgestaltung, die ihnen einen gesetzlich nicht vorgesehenen Mieterwechsel ermögliche, Sorge zu tragen, da eine solche Vereinbarung regelmäßig vorwiegend in ihrem Interesse liege (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Allein der Umstand, dass ein Mietvertrag von mehreren Personen abgeschlossen wurde, die in der Wohnung zusammenleben wollen, genüge für sich genommen nicht, um ohne konkrete Anhaltspunkte von einem entsprechenden Willen der Vertragsparteien von einer Vereinbarung eines Anspruchs der Mieter auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel oder gar von einer antizipierten Einwilligung hierzu auszugehen (Hinweis auf BGH v. 27.4.2022 – VIII ZR 304/21, MDR 2022, 945 = MietRB 2022, 194 [Münch]). Allein das Zusammenwohnen mehrerer Personen und die Bezeichnung der Wohngemeinschaft besagen deshalb nichts darüber, ob nach dem Willen der Mieter die Mitbewohner jederzeit austauschbar sein sollen und hiermit auch zu rechnen sei. Eine Wohngemeinschaft sei auch nicht „naturgemäß“ durch häufige Ab- und Zugänge ihrer Mitglieder geprägt. Erst recht müsse ein Vermieter, der einen Mietvertrag mit mehreren Mietern abschließt, nicht ohne weiteres damit rechnen, dass das Zusammenleben der Mieter nicht auf eine gewisse Konstanz und Dauer sowie auf einen häufigen Wechsel der Bewohner angelegt ist. Auch der Hinweis der Mieter, dass die Vermieterin bereits dreimal einem Austausch von Mietern in Form von Nachträgen zugestimmt hat, führe nicht dazu, dass den Mietern ein Anspruch gegen die Vermieterin auf Mieterwechsel zusteht. Denn den früheren Mieterwechseln lasse sich gerade nicht entnehmen, dass die Vermieterin auch für die Zukunft einem derartigen Wechsel immer zustimmen müsse.