LG Berlin, Urt. 3.4.2020 - 65 S 205/19

Räumungsfrist: Fristverlängerung wegen COVID 19-Pandemie

Autor: RA Robert Harsch, Lörrach
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2020
Die COVID 19-Pandemie mit ihrer aktuellen Gefahrenlage für Gesundheit und Leben von Menschen ist eine massive Veränderung der Umstände, die dazu führen kann, dass eine im Räumungsurteil bewilligte Räumungsfrist auf Antrag des Mieters angemessen verlängert werden muss.

ZPO § 721 Abs. 3

Das Problem

Der 61-jährige, an Asthma leidende Mieter wurde vom AG zur Räumung verurteilt. Der Mietvertrag wurde vom Vermieter nach 25 Jahren gekündigt. Der Kündigung lag ein Streit über Minderungen aufgrund von Mängeln der Mietsache und ein behaupteter Annahmeverzug des Mieters zur Mängelbeseitigung zugrunde. Gleichzeitig erhielt der Mieter eine Räumungsfrist bis 31.3.2020. Während des laufenden Berufungsverfahrens beantragte der Mieter die Verlängerung der Räumungsfrist im Hinblick auf die Auswirkungen der COVID 19-Pandemie.

Entscheidung des Gerichts

§ 721 Abs. 3 ZPO gibt dem zur Räumung verurteilten Schuldner die Möglichkeit, einen Antrag auf Verlängerung einer gewährten Räumungsfrist zu stellen. Erforderlich ist eine Abwägung der gegenteiligen Interessen der Parteien. Voraussetzung der Verlängerung sind zudem veränderte Umstände bzw. neue Tatsachen, die zwischenzeitig eingetreten sein müssen. In einer der ersten Entscheidungen befasste sich ein Gericht mit den Auswirkungen der COVID 19-Pandemie. Dem Verlängerungswunsch wurde entsprochen. Dem Beklagten sei es unter den gegebenen Umständen nicht möglich, innerhalb der gewährten Räumungsfrist auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt zumutbaren Ersatzwohnraum zu finden. Veränderte Umstände lagen in massiver Form vor: Die beispiellosen Einschränkungen sozialer, selbst familiärer Kontakte, die erheblichen grundrechtlichen Einschränkungen, die Ungewissheiten zu Ausgangsbeschränkungen, die einzigartige lebensbedrohliche Gefahrenlage waren für niemanden vorhersehbar. Ein Umzug des gesundheitlich vorbelasteten Beklagten jedenfalls im Zusammenhang mit der bislang bewilligten Räumungsfrist war ausgeschlossen, zumindest erschwert. Berechtigte Interessen des Vermieters waren nicht erkennbar. Unter anderem waren für den Vermieter die Möglichkeiten einer anderweitigen kurzfristigen Weitervermietung unter den derzeitigen gefahrbehafteten Umständen eingeschränkt. Auch der vermieterseits geplante Fensteraustausch durch Dritte war nicht nur witterungsbedingt zwischen April und Juni wenig dringlich, sondern durch die SARS-CoV-2-EindämmungsVO in Berlin ohnehin eingeschränkt.


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