LG Bonn, Urt. 29.6.2023 - 6 S 97/22
Kündigung: Formwirksamkeit im elektronischen Rechtsverkehr
Autor: VRinLG Astrid Siegmund, Berlin
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 11/2023
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 11/2023
Eine per beA übermittelte, qualifiziert elektronisch signierte Schriftsatzkündigung kann die materiell-rechtlich erforderliche Schriftform nicht einhalten.
BGB § 126 Abs. 3, § 126a Abs. 1, § 568 Abs. 1, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2
Erstinstanzlich hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2022 nicht verhandelt; das AG hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. In der Einspruchsschrift sprach die Klägerin eine weitere Kündigung aus. Das AG hat die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils zur Räumung wegen unstreitig bestehender Mietrückstände i.H.v. 7.155,40 € verurteilt.
Das AG ist von der Formwirksamkeit der Kündigung in der Einspruchsschrift ausgegangen; das LG sieht einen Schriftformverstoß. Es hat die Revision zugelassen.
Das LG sieht, dass die schriftliche Form durch ein elektronisches Dokument ersetzt werden kann, § 126 Abs. 3 BGB. Das Dokument bedürfe dann der qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers, § 126a Abs. 1 BGB. Nach Auffassung des LG würden anwaltliche Schriftsätze, die gem. § 130d Satz 1 ZPO regelmäßig elektronisch einzureichen sind, bei qualifiziert elektronischer Signatur aber (nur) gegenüber dem Gericht das Schriftformerfordernis wahren. Die Weiterleitung des Kündigungsschriftsatzes durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reiche selbst dann nicht, wenn das Gericht den Schriftsatz über das beA zustelle. Dem erforderlichen formgerechten Zugang der Kündigungserklärung beim Erklärungsempfänger stehe entgegen, dass die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe.
BGB § 126 Abs. 3, § 126a Abs. 1, § 568 Abs. 1, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2
Das Problem
Die klagende Vermieterin verlangt von der Beklagten die Räumung der Mietwohnung aufgrund einer im Prozess ausgesprochenen Schriftsatzkündigung, die per beA eingereicht und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten durch das Gericht per beA übermittelt wurde.Erstinstanzlich hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2022 nicht verhandelt; das AG hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. In der Einspruchsschrift sprach die Klägerin eine weitere Kündigung aus. Das AG hat die Beklagte unter Aufhebung des Versäumnisurteils zur Räumung wegen unstreitig bestehender Mietrückstände i.H.v. 7.155,40 € verurteilt.
Das AG ist von der Formwirksamkeit der Kündigung in der Einspruchsschrift ausgegangen; das LG sieht einen Schriftformverstoß. Es hat die Revision zugelassen.
Die Entscheidung des Gerichts
Anders als das AG geht das LG davon aus, dass die Schriftform gem. §§ 568, 126, 126a BGB mit der Schriftsatzkündigung im Prozess nicht gewahrt ist, weil die Kündigungserklärung der Beklagten nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form zugegangen sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe die hier (allein) durchgreifende, in der Einspruchsschrift enthaltene Kündigung qualifiziert signiert, über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht und damit gegenüber dem Gericht erklärt. Mit der elektronischen Übermittlung des Schriftsatzes durch das Gericht an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei die notwendige Legitimationswirkung der Absendersignatur gerade nicht gegenüber der Beklagten eingetreten.Das LG sieht, dass die schriftliche Form durch ein elektronisches Dokument ersetzt werden kann, § 126 Abs. 3 BGB. Das Dokument bedürfe dann der qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers, § 126a Abs. 1 BGB. Nach Auffassung des LG würden anwaltliche Schriftsätze, die gem. § 130d Satz 1 ZPO regelmäßig elektronisch einzureichen sind, bei qualifiziert elektronischer Signatur aber (nur) gegenüber dem Gericht das Schriftformerfordernis wahren. Die Weiterleitung des Kündigungsschriftsatzes durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reiche selbst dann nicht, wenn das Gericht den Schriftsatz über das beA zustelle. Dem erforderlichen formgerechten Zugang der Kündigungserklärung beim Erklärungsempfänger stehe entgegen, dass die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks bestehe.