LG Hamburg, Beschl. 21.1.2021 - 324 O 462/20

Die Natur des Rechtsverhältnisses bestimmt die Rechtswegzuweisung

Autor: Dr. Sarah Gronemeyer, LL.M., HÖCKER Rechtsanwälte, Köln, www.hoecker.eu
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2021
Ansprüche gegenüber einer Behörde auf Richtigstellung bzw. Widerruf und Unterlassung sind vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Gleichgültig ist, ob sich die Erklärung ihrem Inhalt nach auf einen privatrechtlichen Sachverhalt bezieht. Verwaltungshelfer sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die nicht selbstständig, sondern für eine Behörde nach außen, im Auftrag, im Namen und nach Weisung der Behörde tätig werden.

VwGO § 40 Abs. 1, § 52; GVG § 13

Das Problem

Zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits ist streitig, ob für den Rechtstreit die ordentlichen Gerichte oder die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine Bundesbehörde, die auf ihrer Website eine amtliche Erklärung über die Kläger abgegeben hat. Die Beklagte zu 2), eine privatrechtliche Agentur, hat die Veröffentlichungen nach Weisung der Bundesbehörde auf deren Webseite technisch und inhaltlich umsetzt. Die Redaktion unterliegt im Rahmen von Veto- und Initiativrechten der Kontrolle der Bundesbehörde. Zudem ist auf der Website ausdrücklich aufgeführt, dass es sich um einen Service der Bundesbehörde handelt und sie Herausgeberin der Website ist. Die Kläger nahmen sowohl die Bundesbehörde als auch die Agentur auf Unterlassung, Löschung und Widerruf dieser Äußerungen auf der Webseite der Bundesbehörde in Anspruch. Doch welcher Rechtsweg ist richtig?Das LG Hamburg hat den Rechtsstreit an das VG Berlin verwiesen, da dieses nach § 52 VwGO örtlich zuständig sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Das LG Hamburg hat für die Klage gegen den Beklagten zu 1) und gegen die Beklagte zu 2) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei sowohl hinsichtlich der Bundesbehörde als auch hinsichtlich der Agentur unzulässig: Es handele sich vielmehr insgesamt um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die gem. § 13 GVG i.V.m. § 40 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig seien.

Die Beurteilung, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich sei, richte sich, wenn – wie im vorliegenden Fall- eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehle, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet werde. Maßgeblich für die Abgrenzung sei die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstelle. Auf den Umstand, dass sich der Kläger auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft, komme es nicht an.

Demzufolge stelle der Streitfall hinsichtlich der Bundesbehörde eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dar. Grund hierfür sei, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Informationen einer Bundesbehörde handele, die sie im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgaben verbreitet habe. Amtliche Erklärungen einer Behörde bzw. eines Amtsträgers würden dem öffentlichen Recht unterfallen, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfolgen würden. Aus diesem Grund seien Ansprüche auf Richtigstellung bzw. Widerruf oder künftige Unterlassung vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Es könne dahinstehen, ob sich die Erklärung ihrem Inhalt nach auf einen privatrechtlichen Sachverhalt beziehe. Maßgeblich sei allein, in welcher Funktion die angegriffene Erklärung abgegeben worden sei und in welcher Funktion darum auch der erstrebte Widerruf erfolgen müsse.

Auch hinsichtlich der Agentur handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO. Zwar handele es sich bei der Agentur um ein privates Unternehmen. Sie sei im Rahmen ihrer Agentur- und Redaktionstätigkeit jedoch als unselbstständige Verwaltungshelferin tätig geworden, so dass ihr Verhalten der Bundesbehörde zuzurechnen sei. Verwaltungshelfer seien natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, die nicht selbstständig, sondern für eine Behörde nach außen, im Auftrag, im Namen und nach Weisung der Behörde tätig würden und die Behörde im Rahmen einer untergeordneten Tätigkeit, vorbereitend oder rein ausführend bei der Wahrnehmung der weiterhin der Behörde zugewiesenen Aufgaben unterstützen würden. Sie würden ohne eigene verwaltungsrechtliche Kompetenz handeln und keine eigene Hoheitsmacht ausüben. Daher seien ihre Handlungen der Verwaltung zuzurechnen.

Da das Handeln der Agentur der Bundesbehörde zugerechnet werden müsse, sei auch das Handeln der Agentur als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Öffentlich-rechtlich könnten die Handlungen des Verwaltungshelfers nur sein, wenn auch die Handlungen der Verwaltung bei unmittelbarer Leistungserbringung öffentlich-rechtlich einzustufen gewesen seien. Bei Realakten sei daher entscheidend, dass die Handlung des Verwaltungshelfers in einen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang eingebunden seien. Eine solche Einbindung in einen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang sei zu bejahen, da sämtliche Vorbereitungs- und Durchführungshandlungen der Agentur dazu dienen würden, das staatliche Informationshandeln der Bundesbehörde umzusetzen. Der öffentlich-rechtliche Charakter des Handelns der Bundesbehörde sei von den Umsetzungshandlungen der Agentur nicht zu trennen.


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