LG Hamburg, Urt. 10.3.2017 - 324 O 687/16
Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Veröffentlichung eines Zitats aus einer E?Mail-Korrespondenz
Autor: Rechtsanwalt Lennart-Christian Levenson,Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht,IRLE MOSER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2018
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2018
Die Veröffentlichung eines Zitats aus einer E?Mail-Korrespondenz zwischen Autor und Betroffenem verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, wenn keine Veröffentlichungsabsicht erkennbar gewesen ist.
LG Hamburg, Urt. v. 10.3.2017 - 324 O 687/16
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1; Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
Der Betroffene begehrt klageweise die Unterlassung der Veröffentlichung des Zitats.
Das streitgegenständliche Zitat stelle eine nicht gerechtfertigte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Die Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG hinsichtlich des Rechts am eigenen Wort bei Tonaufnahmen seien bei der Wiedergabe eines Zitats aus einer Email-Korrespondenz entsprechend anwendbar (Vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77 – Eppler). Der Betroffene müsse selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehöre auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer Äußerung hervortreten will.
Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen bestehe kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den in der privaten Email getätigten wörtlichen Äußerungen des Betroffenen. Der Betroffene habe die Email nur an den Autor versendet, ohne dass der Inhalt für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Zu Recht habe er die Erwartung gehabt, seine Äußerungen würden den Rahmen des mit dem Autor geführten Dialogs nicht verlassen. Dem Emailverkehr zwischen beiden sei auch nicht zu entnehmen gewesen, dass der Autor Inhalte der Email-Korrespondenz journalistisch verwerten wollte. Insbesondere habe der Autor an keiner Stelle angedeutet, die Äußerungen im Rahmen eines Beitrags einem breiten Publikum präsentieren zu wollen. Es würde auch nicht darauf ankommen, ob der Betroffene wusste, dass der Autor, der einst Student des Betroffenen gewesen ist, nunmehr auch als Journalist arbeitet. Maßgeblich sei, ob eine Veröffentlichungsabsicht erkennbar ist.
Im Rahmen der Abwägung sei zugunsten des Verlags zu berücksichtigen, dass es sich zum einen um ein wahres Zitat handelt, zum anderen um ein Thema von hohem gesellschaftlichen Interesse. Der Betroffene habe sich zudem selbst in der Flüchtlingsdebatte öffentlich geäußert. Seinen öffentlichen Äußerungen und Interviews sei jedoch nicht zu entnehmen, dass er der Bundeskanzlerin oder der „Politik” im Allgemeinen vorwerfen würde, sie würden die geltenden Gesetze nicht kennen. Jedenfalls habe er sich in der konkret angegriffenen Form nicht geäußert. Daher bestünde ein Missverhältnis zwischen dem ohne Einwilligung veröffentlichten Zitat und den öffentlichen Bekundungen des Betroffenen. Insoweit komme zum Tragen, dass es dem Betroffenen vorbehalten ist, zu entscheiden, ob und wie er sich der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will. Letztendlich überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht des Verlags auf Meinungs- und Pressefreiheit. Die Achtung des ungestörten Gedankenaustauschs sei eine Grundbedingung für die Freiheit der Meinungsäußerung, die empfindlich gestört würde, wenn der Äußernde in einem Email-Austausch jederzeit damit rechnen müsste, öffentlich zitiert zu werden, obwohl diesbezüglich kein Anhaltspunkt in der Kommunikation besteht.
LG Hamburg, Urt. v. 10.3.2017 - 324 O 687/16
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1; Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
Das Problem
Der Verlag berichtete unter der Überschrift „Gewaltforscher J. B. Der Stalin-Experte als Politikberater” über einen deutschen Historiker, der Professor für Geschichte Osteuropas, Verfasser zahlreicher Bücher und anderer Schriften, sowie Träger des Preises der Leipziger Buchmesse ist. Dabei veröffentlichte der Verlag ein in wörtlicher Rede gehaltenes Zitat des betroffenen Historikers, welches aus einer geführten Email-Korrespondenz zwischen dem Betroffenen und dem Autor des streitgegenständlichen Beitrags stammt. Der Autor, ein ehemaliger Student des Betroffenen, kontaktierte diesen weder als Journalist noch gab er im Laufe der Email-Korrespondenz zu erkennen, dass er journalistische Absichten hegt oder eine Veröffentlichung plant. Ausgangspunkt des Beitrags ist die via Email geführte Diskussion mit dem Betroffenen über die Flüchtlingskrise. Im Zuge dessen wird letzterer wörtlich wie folgt zitiert: „‚Diese Gesetze scheine ich besser zu kennen als unsere Kanzlerin.‘”Der Betroffene begehrt klageweise die Unterlassung der Veröffentlichung des Zitats.
Die Entscheidung des Gerichts
Das LG verurteilt den Verlag zur Unterlassung der Veröffentlichung bzw. Verbreitung des Zitats.Das streitgegenständliche Zitat stelle eine nicht gerechtfertigte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Die Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG hinsichtlich des Rechts am eigenen Wort bei Tonaufnahmen seien bei der Wiedergabe eines Zitats aus einer Email-Korrespondenz entsprechend anwendbar (Vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77 – Eppler). Der Betroffene müsse selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will, ob und inwieweit von Dritten über seine Persönlichkeit verfügt werden kann; dazu gehöre auch die Entscheidung, ob und wie er mit einer Äußerung hervortreten will.
Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen bestehe kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an den in der privaten Email getätigten wörtlichen Äußerungen des Betroffenen. Der Betroffene habe die Email nur an den Autor versendet, ohne dass der Inhalt für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sei. Zu Recht habe er die Erwartung gehabt, seine Äußerungen würden den Rahmen des mit dem Autor geführten Dialogs nicht verlassen. Dem Emailverkehr zwischen beiden sei auch nicht zu entnehmen gewesen, dass der Autor Inhalte der Email-Korrespondenz journalistisch verwerten wollte. Insbesondere habe der Autor an keiner Stelle angedeutet, die Äußerungen im Rahmen eines Beitrags einem breiten Publikum präsentieren zu wollen. Es würde auch nicht darauf ankommen, ob der Betroffene wusste, dass der Autor, der einst Student des Betroffenen gewesen ist, nunmehr auch als Journalist arbeitet. Maßgeblich sei, ob eine Veröffentlichungsabsicht erkennbar ist.
Im Rahmen der Abwägung sei zugunsten des Verlags zu berücksichtigen, dass es sich zum einen um ein wahres Zitat handelt, zum anderen um ein Thema von hohem gesellschaftlichen Interesse. Der Betroffene habe sich zudem selbst in der Flüchtlingsdebatte öffentlich geäußert. Seinen öffentlichen Äußerungen und Interviews sei jedoch nicht zu entnehmen, dass er der Bundeskanzlerin oder der „Politik” im Allgemeinen vorwerfen würde, sie würden die geltenden Gesetze nicht kennen. Jedenfalls habe er sich in der konkret angegriffenen Form nicht geäußert. Daher bestünde ein Missverhältnis zwischen dem ohne Einwilligung veröffentlichten Zitat und den öffentlichen Bekundungen des Betroffenen. Insoweit komme zum Tragen, dass es dem Betroffenen vorbehalten ist, zu entscheiden, ob und wie er sich der Öffentlichkeit gegenüber darstellen will. Letztendlich überwiege das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht des Verlags auf Meinungs- und Pressefreiheit. Die Achtung des ungestörten Gedankenaustauschs sei eine Grundbedingung für die Freiheit der Meinungsäußerung, die empfindlich gestört würde, wenn der Äußernde in einem Email-Austausch jederzeit damit rechnen müsste, öffentlich zitiert zu werden, obwohl diesbezüglich kein Anhaltspunkt in der Kommunikation besteht.