Der Mieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch Lärm bei nachträglich erhöhten Geräuschimmissionen, die vom Nachbargrundstück ausgehen. Der Vermieter trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er selbst die Immissionen ohne eigene Abwehr- und Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich und ortsüblich hinzunehmen hat (Bestätigung von LG München I v. 14.1.2016 – 31 S 20691/14, MietRB 2016, 63 = NJW-RR 2016, 334; v. 27.10.2016 – 31 S 58/16, ZMR 2017, 165).
LG München I, Urt. v. 15.11.2018 - 31 S 2182/18
Vorinstanz: AG München - 472 C 18927/16
BGB § 536 Abs. 1, § 906 Abs. 1 Das Problem
Die Beklagte minderte nach Abrissarbeiten auf einer benachbarten Baustelle die Miete um bis zu 30 %. Die Vermieterin hält die Beeinträchtigungen für unerheblich und fordert die Restzahlung. Das AG hat bei Unterteilung des Baulärms für den Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 in Bauphase I (Abriss und Grundarbeiten) und für den Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2016 in Bauphase II (Hochbauarbeiten) eine Minderungsquote von 30 % pro Monat für die Bauphase I und von 25 % für die Bauphase II für angemessen erachtet. Dagegen wendet sich die Vermieterin mit der Berufung. Die Entscheidung des Gerichts
Ohne Erfolg! Temporär auftretende Belastungen durch Abriss- und Bebauung eines Nachbargrundstücks, die zu einer Verbesserung der Umweltbedingungen bzw. des Wohnumfeldes führen, müssen nicht hingenommen werden. Baustellenlärm ist regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen, soweit er die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist nur ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Vertragsschluss eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, dass der im Rahmen dieser Vereinbarung näher zu definierende übliche Lärm geduldet werden muss. Üblicher Baulärm ist ansonsten aber nicht grundsätzlich zu dulden. Die Beweislast für die Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit liegt bei der Klägerin als Vermieterin, soweit diese sich darauf in Abwesenheit einer die Baumaßnahme erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung beruft. Das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit für den Vermieter – als Grund für den Ausschluss der Minderung – ist ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt. Es handelt sich um eine Art „gespaltenen bzw. zusammengesetzten Mangel”, der eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Der Mangel erhält zum einen die eigentliche tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm, wofür der Mieter die Beweislast trägt und zum anderen muss hinzukommen der rechtliche Umstand, dass der Vermieter die Immissionen selbst ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies ist eine Ausnahme, bei der dann kein Mangel vorliegt, für die also die Darlegungs- und Beweislast der Vermieter trägt, da dies nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung zu tun hat, sondern es sich um einen den Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand handelt. Dem Vermieter kommt damit dieselbe Darlegungs- und Beweislast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. Zwar ist er nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Schließlich besteht eine „größere Nähe” bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine „ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt” (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB).