LG Osnabrück, Urt. 29.1.2020 - 1 S 117/19
Anforderungen an eine Verwertungskündigung
Autor: RA FAMuWR Dr. Alexander Schneehain, sjs Schneehain John Suchfort Rechtsanwälte PartmbB, Göttingen, www.sjs-rechtsanwaelte.de
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2020
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2020
Wird die Kündigung eines Mietverhältnisses darauf gestützt, dass der Vermieter durch die Fortsetzung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert ist (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB), kann im Rahmen der Interessenabwägung der Instandhaltungszustand des Mietobjekts berücksichtigt werden. Der Vermieter kann sich für Versäumnisse bei der Sanierung nicht darauf berufen, dass dies nicht mit dem Ziel einer später auszusprechenden Verwertungskündigung geschehen sei.
BGB §§ 535, 545, 573
Es müsse zudem konkret nachgewiesen werden, welche wirtschaftlichen Nachteile im Falle des Fortbestands des Mietverhältnisses bestünden. Die offenkundige Tatsache, dass eine mietfreie Wohnung einen höheren Verkaufspreis erziele, reiche hierfür nicht aus. Auch dass nur ein Kaufinteressent existiere, der darauf bestehe, das Objekt unvermietet zu erwerben, genüge hierfür nicht, da die Gemeinde nur am schwarzen Brett inseriert und keine Internetportale oder einen Makler bemüht habe. Das Berufungsgericht widerspricht zudem den Ausführungen des Sachverständigen, der ausgeführt hatte, die Immobilie sei mit einem Mieter, der lediglich 40 € zahle, nicht zu veräußern. Schließlich sei Wohnraum stark nachgefragt und es bestünde die Möglichkeit, dass ein Investor die Immobilie im vermieteten Zustand erwerbe, um den Mieter zum Auszug zu bewegen.
BGB §§ 535, 545, 573
Das Problem
Der Sohn trat in das seit 1953 bestehende Mietverhältnis seiner Eltern über eine Dachgeschosswohnung in einem ansonsten leerstehenden Vierfamilienhaus ein, in der er seit dem Tod der Mutter 2013 allein lebt. Die Mieter haben im Laufe der Mietzeit auch die zweite Dachgeschosswohnung in Besitz genommen. Der monatliche Mietzins betrug anfangs 13,50 DM und zuletzt 40 €. Das Wohnhaus befindet sich in einem schlechten Zustand, nicht zuletzt, da die beiden Erdgeschosswohnungen seit 17 Jahren leer stehen. Die Vermieterin hat – bis auf die Erneuerung des Schornsteinkopfes – das Gebäude seit Jahrzehnten nicht saniert und begründete dies damit, dass die Mieter keine Mängel angezeigt haben und der niedrige Mietzins keine Investitionen zulasse. Im Jahr 2014 entschied sich die Vermieterin – eine kleine Gemeinde – das Grundstück zu veräußern und bot es zunächst dem Mieter an, der sich jedoch nicht zum Kauf entschließen konnte. Anschließend wurde das Grundstück öffentlich am schwarzen Brett der Gemeinde zu einem Kaufpreis i.H.v. 60.000 € angeboten. Der einzige Interessent machte den Auszug des Mieters zur Bedingung, woraufhin die Vermieterin eine Verwertungskündigung aussprach und die Räumungsklage u.a. darauf stützte, dass die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen in keinem Verhältnis zum Wert des Objekts stünden.Die Entscheidung des Gerichts
Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts aufgehoben, das den Mieter noch zur Räumung der Wohnung verurteilt hatte. Es begründet die Entscheidung damit, dass der Vermieter die Mietsache gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten muss, was zur Verpflichtung von Instandhaltungsmaßnahmen führe. Diese seien unabhängig von der Frage der Mangelbeseitigung und Anzeige durchzuführen. Es sei irrelevant, ob der Vermieter nicht renoviert habe, um gezielt eine Verwertungskündigung aussprechen zu können oder ihm der teure Sanierungsstau erst aufgefallen sei, nachdem er Jahrzehnte nicht saniert habe.Es müsse zudem konkret nachgewiesen werden, welche wirtschaftlichen Nachteile im Falle des Fortbestands des Mietverhältnisses bestünden. Die offenkundige Tatsache, dass eine mietfreie Wohnung einen höheren Verkaufspreis erziele, reiche hierfür nicht aus. Auch dass nur ein Kaufinteressent existiere, der darauf bestehe, das Objekt unvermietet zu erwerben, genüge hierfür nicht, da die Gemeinde nur am schwarzen Brett inseriert und keine Internetportale oder einen Makler bemüht habe. Das Berufungsgericht widerspricht zudem den Ausführungen des Sachverständigen, der ausgeführt hatte, die Immobilie sei mit einem Mieter, der lediglich 40 € zahle, nicht zu veräußern. Schließlich sei Wohnraum stark nachgefragt und es bestünde die Möglichkeit, dass ein Investor die Immobilie im vermieteten Zustand erwerbe, um den Mieter zum Auszug zu bewegen.