LG Paderborn, Urt. 6.3.2024 - 1 S 72/22
Altbauwohnung: Mängelgewährleistung bei bauzeittypischer Feuchtigkeit
Autor: Dr. Keno Zimmer, StWB Wohnen GmbH, Saarbrücken
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2024
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2024
Ob eine Altbauwohnung einen Mangel aufweist, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich vorgesehene „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand“ durch den vereinbarten Nutzungszweck, hier die Nutzung als Wohnung, bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Eine Altbauwohnung, deren Wände durchfeuchtet sind, weist keinen Standard auf, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Anderes gilt für durchfeuchtete Kellerwände.
BGB § 275 Abs. 2, § 535 Abs. 1, § 536 Abs. 1
1. Der Klägerin stehe gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der im Mauerwerk der Erdgeschosswohnung festgestellten Feuchtigkeit zu. Denn die in den Wänden der Erdgeschosswohnung bestehende Feuchtigkeit, die vorliegend u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt hat, stelle einen Mangel der Mietwohnung dar.
Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB gesetzlich vorgesehene „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand“ durch den vereinbarten Nutzungszweck, hier die Nutzung als Wohnung, bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH, Urt. v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150).
Vorliegend ergebe sich ein solcher Mangel der Wohnung nicht bereits aus einer Abweichung von einer von der Mietvertragsparteien geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung über den Zustand der Wohnungswände („trocken“). Denn die Klägerin sei für eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung beweisfällig geblieben. Auch hätten zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung Mitte der 1920er Jahre keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen, die hier missachtet worden seien. Die Mangelhaftigkeit der (renovierten) Altbauwohnung ergebe sich aber aus der bauartbedingten Durchfeuchtung der Wohnungswände (fehlende Horizontal- und Vertikalabdichtung, bodengleiche Schwelle ohne Gefälle etc.). Die streitgegenständlichen Wohnräume wiesen insofern keinen Wohnstandard auf, der bei vergleichbaren Altbauwohnungen üblich sei. Massive Durchfeuchtungen der Wohnraumwände müssten schon wegen der erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf Wohnkomfort und Gesundheit sowie auf den optischen Eindruck der Wohnräume beseitigt werden. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung seien trockene Wände erforderlich. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände einer Wohnung müssten deshalb nicht hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17 Rz. 13, MietRB 2018, 236 [Elzer] = MietRB 2018, 237 [Elzer] = MDR 2018, 921).
2. Der Klägerin stehe hingegen kein Anspruch auf Beseitigung der in den Kellerwänden des Mietobjekts bestehenden Feuchtigkeit zu. Denn im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kellerraum liege hierin kein Mangel, der einen Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB begründe. Kellerfeuchte im Altbau stelle keinen Mangel dar, wenn sich der Keller in einem Zustand befindet, der – wie hier – zur Zeit der Errichtung des Gebäudes typisch ist (vgl. LG Dresden, Urt. v. 17.6.2014 – 4 S 4/14). Der Mieter einer Altbauwohnung könne nicht ohne weiteres erwarten, dass der zur Wohnung gehörende Keller trocken und auch zur Lagerung feuchtigkeitsempfindlicher Gegenstände geeignet ist (vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00).
Im Übrigen scheitern die klägerischen Ansprüche wegen der Kellermauerwerksfeuchtigkeit daran, dass der Vermieter unstreitig bei Besichtigung der Wohnung inkl. Keller mitgeteilt habe, dass der Keller feucht und dieser Zustand im von der Klägerin unterschriebenen Übergabeprotokoll festgehalten worden sei. Es liege daher eine Parteivereinbarung hinsichtlich der im Übergabeprotokoll genannten Eigenschaft des Kellerabteils vor, die einen dahingehenden Mangel des Mietgegenstandes bereits ausschließe (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 8.7.2020 – VIII ZR 163/18 Rz. 24, m.w.N., MietRB 2020, 257 [Harsch] = MDR 2020, 1051).
BGB § 275 Abs. 2, § 535 Abs. 1, § 536 Abs. 1
Das Problem
Die Klägerin ist Mieterin einer Erdgeschosswohnung nebst Kellerabteil. Die Wohnung liegt in einem Mehrfamilienhaus, das ca. 1926 errichtet worden ist. Boden und Wände des Kellerabteils sind bauzeit- und bauarttypisch feucht. Auch die Außenwände der Erdgeschosswohnung sind im unteren Bereich sehr feucht, der Wandputz zerbröselt bei leichter Berührung, Salzausblühungen sind sichtbar. Schimmelpilz hat sich nicht gebildet. Ursache für die Feuchtigkeit im Erdgeschoss ist zum einen ein kapillarer Feuchtetransport im Mauerwerk. Aus dem Kellergeschoss dringt Feuchtigkeit in das Erdgeschossmauerwerk, da bauzeitbedingt keine Horizontalabdichtung vorhanden ist. Zum anderen dringt über den erdberührten Sockelbereich Feuchtigkeit ein, da auch hier keine ausreichende Abdichtung vorhanden ist. Der Vermieter sieht keinen Handlungsbedarf. Der Mietgegenstand sei mangelfrei, da die Bauweise des Hauses dem Standard entspreche, der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes gegolten habe. Die Mieterin klagt auf Mängelbeseitigung und Feststellung eines Minderungsrechts. Das AG hat die Klage abgewiesen. Der mitgemietete Kellerraum sei mangelfrei. Die Mauerwerksfeuchtigkeit sei bauzeit- und bauarttypisch. Die Wohnung selbst sei ebenfalls mangelfrei. Zwar seien auch deren Wände sehr feucht. Ursache hierfür sei aber im Wesentlichen die aus dem Kellergeschoss in das Erdgeschossmauerwerk eindringende Feuchtigkeit, was jedoch ebenfalls bauzeittypisch sei, denn Altbauten der vorliegenden Art verfügten weder über eine Horizontalabdichtung noch eine ausreichende Vertikalabdichtung.Die Entscheidung des Gerichts
Das LG hat der Berufung im Wesentlichen stattgegeben und verurteilte den Vermieter, die feuchten Wände der Wohnung so in Stand zu setzen, dass keine Feuchtigkeit mehr eindringt. Ferner wurde festgestellt, dass die Warmmiete wegen der feuchten Wände der Wohnräume um 20 % gemindert ist. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Kellerfeuchte, wurde die Berufung abgewiesen.1. Der Klägerin stehe gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der im Mauerwerk der Erdgeschosswohnung festgestellten Feuchtigkeit zu. Denn die in den Wänden der Erdgeschosswohnung bestehende Feuchtigkeit, die vorliegend u.a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselndem Putz geführt hat, stelle einen Mangel der Mietwohnung dar.
Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB gesetzlich vorgesehene „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand“ durch den vereinbarten Nutzungszweck, hier die Nutzung als Wohnung, bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH, Urt. v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17, MDR 2019, 150).
Vorliegend ergebe sich ein solcher Mangel der Wohnung nicht bereits aus einer Abweichung von einer von der Mietvertragsparteien geschlossenen Beschaffenheitsvereinbarung über den Zustand der Wohnungswände („trocken“). Denn die Klägerin sei für eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung beweisfällig geblieben. Auch hätten zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung Mitte der 1920er Jahre keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen, die hier missachtet worden seien. Die Mangelhaftigkeit der (renovierten) Altbauwohnung ergebe sich aber aus der bauartbedingten Durchfeuchtung der Wohnungswände (fehlende Horizontal- und Vertikalabdichtung, bodengleiche Schwelle ohne Gefälle etc.). Die streitgegenständlichen Wohnräume wiesen insofern keinen Wohnstandard auf, der bei vergleichbaren Altbauwohnungen üblich sei. Massive Durchfeuchtungen der Wohnraumwände müssten schon wegen der erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf Wohnkomfort und Gesundheit sowie auf den optischen Eindruck der Wohnräume beseitigt werden. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Wohnung seien trockene Wände erforderlich. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände einer Wohnung müssten deshalb nicht hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2018 – V ZR 203/17 Rz. 13, MietRB 2018, 236 [Elzer] = MietRB 2018, 237 [Elzer] = MDR 2018, 921).
2. Der Klägerin stehe hingegen kein Anspruch auf Beseitigung der in den Kellerwänden des Mietobjekts bestehenden Feuchtigkeit zu. Denn im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kellerraum liege hierin kein Mangel, der einen Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB begründe. Kellerfeuchte im Altbau stelle keinen Mangel dar, wenn sich der Keller in einem Zustand befindet, der – wie hier – zur Zeit der Errichtung des Gebäudes typisch ist (vgl. LG Dresden, Urt. v. 17.6.2014 – 4 S 4/14). Der Mieter einer Altbauwohnung könne nicht ohne weiteres erwarten, dass der zur Wohnung gehörende Keller trocken und auch zur Lagerung feuchtigkeitsempfindlicher Gegenstände geeignet ist (vgl. LG Osnabrück, Urt. v. 11.4.2001 – 6 S 1247/00).
Im Übrigen scheitern die klägerischen Ansprüche wegen der Kellermauerwerksfeuchtigkeit daran, dass der Vermieter unstreitig bei Besichtigung der Wohnung inkl. Keller mitgeteilt habe, dass der Keller feucht und dieser Zustand im von der Klägerin unterschriebenen Übergabeprotokoll festgehalten worden sei. Es liege daher eine Parteivereinbarung hinsichtlich der im Übergabeprotokoll genannten Eigenschaft des Kellerabteils vor, die einen dahingehenden Mangel des Mietgegenstandes bereits ausschließe (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 8.7.2020 – VIII ZR 163/18 Rz. 24, m.w.N., MietRB 2020, 257 [Harsch] = MDR 2020, 1051).