Livestreaming von TV-Sendungen

Autor: Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, RA und FA für Urheber- und Medienrecht, Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2013
Der Begriff der „öffentliche Wiedergabe” i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG erfasst die Weiterverbreitung der in eine terrestrische Fernsehsendung integrierten Werke, die von einer anderen Einrichtung als dem ursprünglichen Sendeunternehmen mittels eines Internetstreamings vorgenommen wird, das den Abonnenten dieser Einrichtung zugänglich gemacht wird. Dies gilt auch dann, wenn sich die Abonnenten im Sendegebiet dieser terrestrischen Fernsehsendung befinden und diese rechtmäßig mittels eines Empfangsgeräts empfangen können. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Weiterverbreitung durch Werbung finanziert wird und mithin Erwerbszwecken dient oder durch eine Einrichtung erfolgt, die mit dem ursprünglichen Sendeunternehmen in unmittelbarem Wettbewerb steht.

EuGH, Urt. v. 7.3.2013 - Rs. C-607/11 „TVCatchup”

Vorinstanz: High Court of Justice (England & Wales), Vorabentscheidungsersuchen

RL2001/29/EG Art. 3 Abs. 1

Das Problem:

Ein britischer Internetdienstanbieter ermöglicht es seinen Nutzern, frei zugängliche Streams von terrestrisch oder via Satellit. gesendeten Fernsehsendungen „in Echtzeit” auf ihrem PC oder ihren mobilen Endgeräten zu empfangen. Der Dienst ist werbefinanziert und vergewissert sich, dass die Nutzer nur Zugang zu solchen Inhalten erhalten, die sie bereits aufgrund ihrer Fernsehempfangslizenz rechtmäßig sehen dürfen. Die Bedingungen, mit denen sich die Nutzer einverstanden erklären müssen, umfassen den Besitz einer gültigen Fernsehempfangslizenz und die Beschränkung der Dienste auf das Vereinigte Königreich. Der Dienst verfügt zudem über Einrichtungen, die es ihm erlauben, den Ort zu überprüfen, an dem sich der Nutzer befindet, und verhindert den Zugang, wenn die den Nutzern auferlegten Bedingungen nicht erfüllt sind. Mehrere kommerzielle Fernsehsender sehen durch den Dienst ihre Urheberrechte an den durch sie ausgestrahlten Sendungen und Filmen als verletzt an, da er in ihr Recht der öffentlichen Wiedergabe eingreife. Im Hinblick darauf legt der High Court of Justice die Angelegenheit dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der EuGH betont zunächst, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe weit zu verstehen sei.

Das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG bestehe darin, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u.a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten.

„Wiedergabe”: Sie umfasse jegliche drahtgebundene oder drahtlose Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werkes einschließlich der Rundfunkübertragung an die Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dabei müsse jede Sendung oder Weiterverbreitung eines Werks, die nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, grundsätzlich vom Urheber des betreffenden Werks einzeln erlaubt werden. Da die Zugänglichmachung von Werken durch eine Weiterverbreitung von terrestrischen Fernsehsendungen über das Internet nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolge, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheide, sei dies als „Wiedergabe” i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29 anzusehen und nicht als bloßes technisches Mittel zur Gewährleistung oder Verbesserung der terrestrischen Fernsehübertragung.

„Öffentlich”: Auch sei das hier in Frage stehende Streaming als öffentlich anzusehen. Der Begriff der Öffentlichkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG umfasse eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und impliziere zudem eine ziemlich große Zahl von Personen. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da sich die in Rede stehende Weiterverbreitung über das Internet an sämtliche im Vereinigten Königreich ansässigen Personen richte, die über einen Internetanschluss verfügen und erklären, dort zum Empfang berechtigt zu sein.

Keine weiteren Voraussetzungen: Zwar sei es nicht unerheblich, ob eine „Wiedergabe” i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der RL2001/29/EG Erwerbszwecken diene, jedoch sei eine solcher Erwerbszweck keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe. Ebenso wenig ergäbe sich nach Auffassung des Gerichts oder der RL 2001/29/EG auch das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Anbietern um eine „öffentliche Wiedergabe” annehmen zu können.


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