Markenanmeldung = Markenverletzung? Erstbegehungsgefahr entfällt nicht bereits durch Nichteinlegung eines Rechtsmittels
Autor: RAin Bettina Trojan, www.koelner-anwaltskanzlei.de
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2014
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2014
Die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr entfällt nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) keine Beschwerde eingelegt wird.
BGH, Urt. v. 22.1.2014 - I ZR 71/12 „REAL-Chips”
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 16.3.2012 - 6 U 113/11
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 27.4.2011 - 84 O 247/10
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Durch die Nutzung der Wortmarke „REAL” und „REAL Chips” bestehe eine Erstbegehungsgefahr. Denn infolge der Anmeldung eines Zeichens als Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen sei regelmäßig zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens in naher Zukunft bevorstehe. Es sei denn, es sprächen konkrete Umstände gegen eine entsprechende Nutzungsabsicht. Auf die Motivation des Chipsherstellers für die Markenanmeldung komme es nicht an. Unerheblich sei es demnach, ob der Hersteller allein eine Bestätigung für die fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Zeichen erhalten wolle. Dies sage nichts darüber aus, ob er nach der zurückgewiesenen Markenanmeldung, die Zeichen benutzen wolle.
Kein Fortfall der Erstbegehungsgefahr wegen Nichteinlegung von Rechtsmitteln: Die Erstbegehungsgefahr, die von den Markenanmeldungen ausgehe, sei auch nicht fortgefallen. Denn für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr bestehe, anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr, keine Vermutung. Bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln fehle es an einem für den Fortfall der Erstbegehungsgefahr ausreichenden entgegenstehenden Verhalten. Denn nur ein „actus contrarius”, also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten, sei ausreichend um die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen.
BGH, Urt. v. 22.1.2014 - I ZR 71/12 „REAL-Chips”
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 16.3.2012 - 6 U 113/11
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 27.4.2011 - 84 O 247/10
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Das Problem:
Die real-SB-Warenhaus GmbH, Tochter der Metro AG, ist Inhaberin mehrerer deutscher Marken mit dem Bestandteil „real-”. Sie stützt sich hier auf die u.a. für die Warenklassen 29 und 30 eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke mit den Wortbestandteilen „real-QUALITY” („real” in roter Schrift, weitere Wortbestandteile blau). Ein in Großbritannien agierendes Unternehmen bietet Kartoffelchips unter der Bezeichnung „REAL” an. Diese wurden 2010 auf der internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln präsentiert. Zunächst erwirkte die Metro-Tochter eine einstweilige Verfügung, durch welche dem Chipshersteller die Präsentation auf der ISM verboten wurde. Der Chipshersteller meldete im April 2010 die deutschen Wortmarken „REAL” und „REAL Chips” für verschiedenen Waren an. Das DPMA wies im Oktober 2010 die Anmeldungen zurück, da die Zeichen nicht unterscheidungskräftig seien. „REAL” sei lediglich beschreibend zu verstehen. Die DPMA-Entscheidungen seien bestandskräftig geworden, nachdem der Chipshersteller kein Rechtsmittel eingelegt habe. Der Hersteller wird von dem LG Köln dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die Bezeichnung „REAL” und/oder „REAL Chips” für ihre Waren zu verwenden und/oder verwenden zu lassen. Die von dem Hersteller hiergegen gerichteten Rechtsmittel blieben erfolglos.Die Entscheidung des Gerichts:
Der BGH wies die Revision des Chipsherstellers als unbegründet zurück.Durch die Nutzung der Wortmarke „REAL” und „REAL Chips” bestehe eine Erstbegehungsgefahr. Denn infolge der Anmeldung eines Zeichens als Marke für die eingetragenen Waren und Dienstleistungen sei regelmäßig zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens in naher Zukunft bevorstehe. Es sei denn, es sprächen konkrete Umstände gegen eine entsprechende Nutzungsabsicht. Auf die Motivation des Chipsherstellers für die Markenanmeldung komme es nicht an. Unerheblich sei es demnach, ob der Hersteller allein eine Bestätigung für die fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Zeichen erhalten wolle. Dies sage nichts darüber aus, ob er nach der zurückgewiesenen Markenanmeldung, die Zeichen benutzen wolle.
Kein Fortfall der Erstbegehungsgefahr wegen Nichteinlegung von Rechtsmitteln: Die Erstbegehungsgefahr, die von den Markenanmeldungen ausgehe, sei auch nicht fortgefallen. Denn für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr bestehe, anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr, keine Vermutung. Bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln fehle es an einem für den Fortfall der Erstbegehungsgefahr ausreichenden entgegenstehenden Verhalten. Denn nur ein „actus contrarius”, also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten, sei ausreichend um die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen.