Minderung: Einbehaltung der überwiegenden Miete

Autor: RiAG Dr. Olaf Riecke, Hamburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2013
Wenn der Mieter bei duldungspflichtigen Maßnahmen nicht schlechthin deren Unterlassen verlangen kann, so rechtfertigen die Beeinträchtigungen durch eine Baumaßnahme es nicht, die Miete überwiegend (geschweige denn ganz) einzubehalten. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten.

KG, Beschl. v. 18.10.2012 - 8 U 38/12

Vorinstanz: LG Berlin - 25 O 479/11

BGB §§ 320, 536, 543 Abs. 2 Nr. 3a, 554 Abs. 1 a.F.

Das Problem:

Der Kläger/Vermieter begehrt vom Beklagten/Mieter Räumung gemieteter Gewerberäume und Zahlung restlicher Miete. Der Beklagte meint, ihm stehe ein Zurückbehaltungsrecht wegen Baulärmbeeinträchtigungen durch Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten entgegen. Zumindest habe er schuldlos über seine Zahlungspflicht für die Monate April und Mai 2011 geirrt. Eine Minderung sei nicht wegen Kenntnis vom Mangel ausgeschlossen, denn die Baumaßnahmen seien vor Abschluss des neuen Mietvertrages im November 2009 scheinbar abgeschlossen gewesen.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das Mietverhältnis ist durch die fristlose Kündigung beendet. Der Beklagte befand sich seinerzeit wegen der ausstehenden Mieten für April und Mai 2011 in Zahlungsverzug i.S.v. § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB. Dabei kann die vom LG angenommene Mietminderung um 20 % zu seinen Gunsten unterstellt werden und dahin gestellt bleiben, ob dem Beklagten bei Abschluss des Mietvertrages die zu erwartenden Beeinträchtigungen durch Bauarbeiten bekannt waren. Der Beklagte war nicht berechtigt, über diese Minderung hinaus Miete zurückzubehalten. Ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 BGB kommt nur zur Durchsetzung eines Erfüllungsanspruchs auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes in Betracht (BGH v. 7.5.1982 – V ZR 90/81, BGHZ 84, 42 = MDR 1982, 836; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rz. VIII 277). Es ist aber nicht ersichtlich, dass im April und Mai 2011 maßgebliche Beeinträchtigungen der Mieträume erfolgten, deren Unterlassung der Beklagte beanspruchen konnte. Bei den vom Beklagten insoweit vorgetragenen Baumaßnahmen (Verputzen der Fassade, Arbeiten in den Treppenhäusern, Betonierung im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss) handelte es sich offenbar im Wesentlichen um Instandsetzungsmaßnahmen, die vom Beklagten gem. § 554 Abs. 1 BGB zu dulden waren.

Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen. Der Schuldner muss die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten (BGH v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, MietRB 2007, 59 u. 60 u. 61 = MDR 2007, 454 = NJW 2007, 428). Hiernach hätte dem Beklagten klar werden müssen, dass er vom Kläger nicht schlechthin Unterlassen der Baumaßnahmen verlangen konnte und dass die Beeinträchtigungen es daher nicht rechtfertigen konnten, die Miete überwiegend (geschweige denn ganz) einzubehalten.


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