Mischmietverhältnisse: Im Zweifel ist Wohnraummietrecht anzuwenden!
Autor: RiBayObLG a.D. Dr. Michael J. Schmid, München
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2014
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 10/2014
Ein einheitliches Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume ist zwingend entweder als Wohnraummietverhältnis oder als Mietverhältnis über andere Räume zu bewerten. Maßgeblich ist, welche Nutzungsart nach den getroffenen Vereinbarungen überwiegt. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Kann eine überwiegend gewerbliche Nutzung nicht festgestellt werden, gilt Wohnraummietrecht.
BGH, Urt. v. 9.7.2014 - VIII ZR 376/13
Vorinstanz: KG - 8 U 3/13
BGB §§ 535, 549 Abs. 1, 578 Abs. 2
Lässt sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen (also auch bei einer Gleichwertigkeit beider Nutzungen), ist von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen. Denn ansonsten würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen, insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des AG, unterlaufen.
BGH, Urt. v. 9.7.2014 - VIII ZR 376/13
Vorinstanz: KG - 8 U 3/13
BGB §§ 535, 549 Abs. 1, 578 Abs. 2
Das Problem:
Die Beklagten sind Mieter eines Hauses der Kläger. Sie nutzen es zu Wohnzwecken und zum Betrieb einer Hypnosepraxis. Der Mietvertrag wurde unter Verwendung eines auf ein Wohnraummietverhältnis zugeschnittenen Formulars mit der Überschrift „Vertrag für die Vermietung eines Hauses” geschlossen. Der Vertrag enthält die handschriftliche Vereinbarung, dass den Beklagten die Einrichtung einer Hypnosepraxis in den Räumen im Erdgeschoss gestattet ist. Die Kläger haben das Mietverhältnis gekündigt und Räumungsklage zum LG erhoben. Dieses hat die Klage wegen Unzuständigkeit abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das KG der Klage stattgegeben.Die Entscheidung des Gerichts:
Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Verweisung des Rechtsstreits an das AG. Für die Frage der Zuständigkeit nach § 23a GVG gelten die gleichen Abgrenzungsgrundsätze wie im materiellen Recht bei § 549 BGB einerseits und § 578 Abs. 2 BGB andererseits. Welcher Vertragszweck bei Mischmietverhältnissen im Vordergrund steht, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln. Entscheidend ist der wahre, das Rechtsverhältnis prägende Vertragszweck, also die gemeinsamen und übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragsparteien darüber, wie das Mietobjekt genutzt werden soll und welche Art der Nutzung im Vordergrund steht. Herangezogen werden können: der Zuschnitt des Vertragsformulars auf Wohnraum- oder Geschäftsraummiete; die Bezeichnung des Mietverhältnisses in der Überschrift des Vertrages; Inhalt und Aufbau der vertraglichen Regelungen; Verhältnis der Flächen; bauliche Gegebenheiten; Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsabschluss.Lässt sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen (also auch bei einer Gleichwertigkeit beider Nutzungen), ist von der Geltung der Vorschriften der Wohnraummiete auszugehen. Denn ansonsten würden die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen, insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des AG, unterlaufen.