OLG Celle, Beschl. 20.10.2022 - 10 UF 43/22
Zwischenfeststellungsantrag betreffend Wirksamkeit eines Ehevertrags
Autor: RA Dr. Lambert Krause, FAFamR, Waldshut-Tiengen/Wurmlingen (Tuttlingen)
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2024
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 02/2024
Einem Zwischenfeststellungsantrag bezüglich der Wirksamkeit eines Ehevertrags steht nicht die Möglichkeit der späteren Änderung der Lebens- und Einkommensverhältnisse entgegen.Für den Verfahrenswert des Zwischenfeststellungsantrags sind 10 % des möglichen Zahlungsanspruchs in Ansatz zu bringen.
BGB § 125, § 138 BGB; FamGKG § 40
Eine Woche vor der Hochzeit haben die Beteiligten in der Schweiz einen Ehevertrag beurkunden lassen. Dadurch wurde die modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart. Die Teilhabe güterrechtlicher Art an gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen des Ehemannes durch die Ehefrau wurde ausgeschlossen. Ein etwaiger Zugewinnausgleich wurde mit mindestens 400.000 € und maximal 2,5 Mio. € vereinbart. Auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs schlossen die Beteiligten aus. Zum Nachscheidungsunterhalt wurde eine Regelung getroffen, wonach die Frau 100.000 € pauschal erhält, wenn bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Kinder vorhanden sind mit weniger als drei Lebensjahren, und ebenfalls 100.000 €, wenn sie älter als drei Jahre sind, dann aber in Anrechnung auf einen Zugewinnausgleich über 400.000 €, d.h. mit der Folge, dass ab einem Zugewinnausgleich von mehr als 500.000 € faktisch kein Unterhalt (bzw. ein um diesen Betrag reduzierter Unterhalt) zu zahlen ist. Für den Fall einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit der Frau sollte sie den gesetzlichen Unterhalt erhalten, maximal 350.000 €.
Die Frau macht im Scheidungsverbund einen Auskunftsanspruch betreffend den Nachscheidungsunterhalt und den Zugewinnausgleich geltend. Der Mann stellt Widerantrag auf Feststellung, dass der Ehevertrag wirksam ist und die Auskunftsanträge deshalb nicht bestehen.
Die erste Frage ist die nach der Zulässigkeit des Antrags. Der Senat bejaht sie. Abgestellt wird darauf, dass die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrags vorgreiflich sei, um zu wissen, ob ein Auskunftsanspruch besteht, sowohl hinsichtlich des Unterhalts als auch hinsichtlich des Zugewinnausgleichs. Betreffend den Versorgungsausgleich, zu dem die Beteiligten auch eine Regelung im Ehevertrag getroffen hatten, musste sich der Senat nicht um die Frage der Vorgreiflichkeit kümmern, weil die Auskünfte der Versorgungsträger im Lauf des Verfahrens und vor der gerichtlichen Entscheidung eingegangen waren, also vorlagen.
Hinsichtlich der Begründetheit des Widerantrags stellt das Gericht fest, dass der Vertrag formwirksam zustande gekommen ist, auch wenn er nicht von einem deutschen, sondern einem Schweizer Notar beurkundet wurde. Denn für die Formwirksamkeit komme es auf das Ortsrecht an, und nach den Normen zur Beurkundung vor Ort seien die Formvorschriften beachtet worden.
Der Vertrag hält auch der gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle nach Maßgabe des § 138 BGB stand:
Zwar sei der Versorgungsausgleich komplett ausgeschlossen worden. Das sei aber akzeptabel, weil die Frau bei Vertragsschluss Einkünfte von 100.000 € und erhebliche Vermögenswerte gehabt habe, bei ihr deshalb keine Versorgungsprobleme zu erkennen seien. Auch ergebe der Vertrag, dass von den Beteiligten nicht beabsichtigt gewesen sei, die klassische Rollenverteilung vorzunehmen für den Fall, dass sie Kinder bekommen. Beide Beteiligten hätten sich die Erwerbstätigkeit vorbehalten.
Auch die Vereinbarung zum Unterhalt wurde für wirksam erklärt. Ein ausdrücklicher Kinderwunsch bei Eheschließung habe sich nicht feststellen lassen. Unklar sei gewesen, wer gegebenenfalls seine Erwerbstätigkeit aufgeben werde, wenn Kinder kommen. Und schließlich habe sie zwar teilweise, er aber ganz auf Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Scheidung verzichtet.
Auch die Vereinbarung zum Güterrecht sei wirksam. In diesem Bereich hätten Ehegatten ohnehin die weitesten Dispositionsbefugnisse.
Auch die Gesamtschau führe nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags, auch nicht unter dem Aspekt, dass nicht klar sei, wie sich die Dinge gegebenenfalls später weiterentwickeln; denn dann bestehe je nach Entwicklung die Möglichkeit einer späteren Abänderung der heute geltenden Regelung.
Bei der Bestimmung des Verfahrenswerts für den Zwischenfeststellungsantrag hebt der Senat hervor, dass dieser sich hier nach dem Interesse der Frau richte, da sie in erster Instanz unterlag, also im Beschwerdeverfahren beantragte, diese Entscheidung aufzuheben, wonach die Wirksamkeit des Ehevertrags festgestellt wurde. Also ist ihr Interesse das auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt und Zugewinnausgleich durch den Mann. Dafür sei ein Bruchteil des Zahlungsanspruchs in Ansatz zu bringen. Diesen setzte der Senat mit 10 % an. Der potentielle Unterhaltsanspruch wurde mit 12 x 7.900 € = 94.800 € angenommen, wobei aus der Entscheidung nicht zu erkennen ist, wie es zu den 7.900 € kommt. Im Wege reiner Schätzung hat der Senat 1 Mio. € für den güterrechtlichen Anspruch hinzugerechnet. Aus zusammen 10 % von 94.800 €, gerundet 9.500 €, und weiteren 10 % aus 1 Mio. €, also 100.000 €, ergab sich der Wert des Zwischenfeststellungsantrags von 109.500 €.
BGB § 125, § 138 BGB; FamGKG § 40
Das Problem
Die Beteiligten heirateten im Juni 2011 und trennten sich im Juni 2019. Im Juni 2022 wurde das Scheidungsverfahren eingeleitet. 2013 kam ein Sohn zur Welt, 2017 Zwillinge. Seit Herbst 2021 leben die Kinder überwiegend beim Vater.Eine Woche vor der Hochzeit haben die Beteiligten in der Schweiz einen Ehevertrag beurkunden lassen. Dadurch wurde die modifizierte Zugewinngemeinschaft vereinbart. Die Teilhabe güterrechtlicher Art an gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen des Ehemannes durch die Ehefrau wurde ausgeschlossen. Ein etwaiger Zugewinnausgleich wurde mit mindestens 400.000 € und maximal 2,5 Mio. € vereinbart. Auch die Durchführung des Versorgungsausgleichs schlossen die Beteiligten aus. Zum Nachscheidungsunterhalt wurde eine Regelung getroffen, wonach die Frau 100.000 € pauschal erhält, wenn bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags Kinder vorhanden sind mit weniger als drei Lebensjahren, und ebenfalls 100.000 €, wenn sie älter als drei Jahre sind, dann aber in Anrechnung auf einen Zugewinnausgleich über 400.000 €, d.h. mit der Folge, dass ab einem Zugewinnausgleich von mehr als 500.000 € faktisch kein Unterhalt (bzw. ein um diesen Betrag reduzierter Unterhalt) zu zahlen ist. Für den Fall einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit der Frau sollte sie den gesetzlichen Unterhalt erhalten, maximal 350.000 €.
Die Frau macht im Scheidungsverbund einen Auskunftsanspruch betreffend den Nachscheidungsunterhalt und den Zugewinnausgleich geltend. Der Mann stellt Widerantrag auf Feststellung, dass der Ehevertrag wirksam ist und die Auskunftsanträge deshalb nicht bestehen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG gibt – wie zuvor das AG – dem Widerantrag statt.Die erste Frage ist die nach der Zulässigkeit des Antrags. Der Senat bejaht sie. Abgestellt wird darauf, dass die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrags vorgreiflich sei, um zu wissen, ob ein Auskunftsanspruch besteht, sowohl hinsichtlich des Unterhalts als auch hinsichtlich des Zugewinnausgleichs. Betreffend den Versorgungsausgleich, zu dem die Beteiligten auch eine Regelung im Ehevertrag getroffen hatten, musste sich der Senat nicht um die Frage der Vorgreiflichkeit kümmern, weil die Auskünfte der Versorgungsträger im Lauf des Verfahrens und vor der gerichtlichen Entscheidung eingegangen waren, also vorlagen.
Hinsichtlich der Begründetheit des Widerantrags stellt das Gericht fest, dass der Vertrag formwirksam zustande gekommen ist, auch wenn er nicht von einem deutschen, sondern einem Schweizer Notar beurkundet wurde. Denn für die Formwirksamkeit komme es auf das Ortsrecht an, und nach den Normen zur Beurkundung vor Ort seien die Formvorschriften beachtet worden.
Der Vertrag hält auch der gerichtlichen Wirksamkeitskontrolle nach Maßgabe des § 138 BGB stand:
Zwar sei der Versorgungsausgleich komplett ausgeschlossen worden. Das sei aber akzeptabel, weil die Frau bei Vertragsschluss Einkünfte von 100.000 € und erhebliche Vermögenswerte gehabt habe, bei ihr deshalb keine Versorgungsprobleme zu erkennen seien. Auch ergebe der Vertrag, dass von den Beteiligten nicht beabsichtigt gewesen sei, die klassische Rollenverteilung vorzunehmen für den Fall, dass sie Kinder bekommen. Beide Beteiligten hätten sich die Erwerbstätigkeit vorbehalten.
Auch die Vereinbarung zum Unterhalt wurde für wirksam erklärt. Ein ausdrücklicher Kinderwunsch bei Eheschließung habe sich nicht feststellen lassen. Unklar sei gewesen, wer gegebenenfalls seine Erwerbstätigkeit aufgeben werde, wenn Kinder kommen. Und schließlich habe sie zwar teilweise, er aber ganz auf Unterhaltsansprüche für die Zeit nach Scheidung verzichtet.
Auch die Vereinbarung zum Güterrecht sei wirksam. In diesem Bereich hätten Ehegatten ohnehin die weitesten Dispositionsbefugnisse.
Auch die Gesamtschau führe nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags, auch nicht unter dem Aspekt, dass nicht klar sei, wie sich die Dinge gegebenenfalls später weiterentwickeln; denn dann bestehe je nach Entwicklung die Möglichkeit einer späteren Abänderung der heute geltenden Regelung.
Bei der Bestimmung des Verfahrenswerts für den Zwischenfeststellungsantrag hebt der Senat hervor, dass dieser sich hier nach dem Interesse der Frau richte, da sie in erster Instanz unterlag, also im Beschwerdeverfahren beantragte, diese Entscheidung aufzuheben, wonach die Wirksamkeit des Ehevertrags festgestellt wurde. Also ist ihr Interesse das auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt und Zugewinnausgleich durch den Mann. Dafür sei ein Bruchteil des Zahlungsanspruchs in Ansatz zu bringen. Diesen setzte der Senat mit 10 % an. Der potentielle Unterhaltsanspruch wurde mit 12 x 7.900 € = 94.800 € angenommen, wobei aus der Entscheidung nicht zu erkennen ist, wie es zu den 7.900 € kommt. Im Wege reiner Schätzung hat der Senat 1 Mio. € für den güterrechtlichen Anspruch hinzugerechnet. Aus zusammen 10 % von 94.800 €, gerundet 9.500 €, und weiteren 10 % aus 1 Mio. €, also 100.000 €, ergab sich der Wert des Zwischenfeststellungsantrags von 109.500 €.