OLG Celle, Beschl. 8.6.2021 - 10 UF 222/20

Hemmung der Verjährung bei wechselseitigen Zugewinnausgleichsansprüchen

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2021
1. Die wechselseitigen Ansprüche der Ehegatten auf Zugewinnausgleich sind sowohl nach allgemeinen Regeln als auch nach dem Verständnis der konkreten Ansprüche aus dem Güterrecht rechtlich jeweils selbständig zu beurteilen und können insbesondere auch hinsichtlich ihrer Verjährung ein grundsätzlich selbständiges Schicksal haben. Insoweit kommt eine Hemmung der Verjährung des Leistungsanspruchs des einen Ehegatten aufgrund der früheren gerichtlichen Geltendmachung des gegenläufigen Leistungsanspruchs des anderen Ehegatten nicht in Betracht.2. Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB sind anzunehmen, wenn der Gläubiger klarstellt, dass er einen Anspruch geltend machen und worauf er ihn stützen will, und sich zum anderen hieran ein ernsthafter Meinungsaustausch anschließt. Dies ist nicht der Fall, wenn ein derartiger Anspruch vom Schuldner rundweg und abschließend abgelehnt wird, ohne dass sich insofern für den Gläubiger Anhaltspunkte dafür ergeben konnten, dass eine in einem früheren Austausch abschließend geklärte und nunmehr lediglich noch einmal wiederholte Position zur Frage eines Zugewinnausgleichsanspruchs weiter verhandelbar sein könnte.

BGB § 203, § 204

Das Problem

Die Eheleute sind seit September 2016 rechtskräftig geschieden. Parallel zu dem seinerzeitigen Scheidungsverfahren haben die Beteiligten außergerichtlich wechselseitig die Auffassung vertreten, jeweils zugewinnausgleichsberechtigt zu sein. Schriftwechsel wurde diesbezüglich bis Oktober 2016 geführt. Zugewinnansprüche des Antragstellers wurden aber bereits damals endgültig von der Gegenseite abgelehnt. Zusätzlich war Gegenstand der Korrespondenz Trennungs- und nachehelicher Unterhalt, Kindesunterhalt und schließlich die Vermögensauseinandersetzung hinsichtlich einer gemeinsamen Eigentumswohnung. Am 20.2.2019 wandte sich der Antragsteller unter dem Begriff „nachehelicher Unterhalt“ erneut an die Gegenseite und kam auf den bis Oktober 2016 geführten Schriftwechsel zurück. Er wiederholte seinen Vorschlag zur Gesamtauseinandersetzung: Übertragung der Eigentumswohnung auf den Antragsteller inklusive der Regelung des Unterhalts und des Zugewinns. Mit Schreiben vom 7.3.2019 unterbreitete die Antragsgegnerin einen Vorschlag, wobei sie neben Ausführungen zum Unterhalt ausdrücklich einen Zugewinnausgleichsanspruch des Antragstellers als „nicht darstellbar“ zurückwies. Diesen Vorschlag lehnte der Antragsteller umgehend ab. Er bekräftigte den seiner Auffassung nach gegebenen Anspruch auf Zugewinnausgleich, ohne seinerseits ein neues Vergleichsangebot oder neue Berechnungen zu unterbreiten. Anfang Januar 2020 machte der Antragsteller den Zugewinnausgleich rechtshängig. Die Antragsgegnerin erhob nunmehr die Einrede der Verjährung. Erstinstanzlich wurde der Antrag aus diesem Grund zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat bestätigt diese Entscheidung. Die wechselseitigen Zugewinnausgleichsansprüche seien – jeder für sich – selbständig zu behandeln. Insbesondere könnten sie hinsichtlich ihrer Verjährung grundsätzlich ein selbständiges Schicksal haben (vgl. Schwab/Ernst, Scheidungsrecht, 7. Aufl., § 15 Rz. 292). Die Verjährung werde weder durch eine entgegengerichtete negative Feststellungsklage des vermeintlichen Schuldners noch durch die aktive Verteidigung des Gläubigers gegen eine solche Zahlungsklage gehemmt. Es komme also ausschließlich darauf an, ob der eigene Leistungsanspruch des Antragstellers durch Umstände gehemmt worden sei, die für ein Hinausschieben der Verjährungsfrist maßgeblich sei. Dabei müsste gerade über den Zugewinnausgleichsanspruch des Antragstellers und nicht über sonstige Vermögenspositionen eine Verhandlung erfolgen. Das sei hier nicht der Fall. Der Antragsteller habe in der kurzen Korrespondenz der Beteiligten im Jahr 2019 nur den bereits 2016 erfolglos beendeten Schriftwechsel erneut aufgenommen, ohne insofern irgendwelche weitergehenden Gesichtspunkte, Argumente oder Positionen anzuführen. Zu der hier nur relevanten Frage eines Zugewinnausgleichsanspruchs habe er sich detailliert überhaupt nicht geäußert. Diesen Versuch einer Wiederaufnahme der abgebrochenen Verhandlungen habe die Antragsgegnerin sofort zurückgewiesen. Mit dem ihrerseits unterbreiteten Vergleichsangebot, das dasjenige aus dem Jahre 2016 inhaltsgleich wiederholt habe, sei nochmals ihre Position dargestellt worden. Damit hätten sich für den Antragsteller keine irgendwie gearteten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Frage eines Zugewinnausgleichsanspruchs weiter verhandelbar sei (a.A. insoweit in seiner Anm. zu dem vorliegenden Beschluss Obermann, NZFam 2021 639 f.). Vor diesem Hintergrund könne das Schreiben der Antragsgegnerin aus März 2019 nur als doppelte Verneinung sowohl hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs als auch hinsichtlich weiterer Verhandlungen ausgelegt werden (vgl. zu diesem Erfordernis BGH v. 5.12.2018 – XII ZR 116/17, FamRZ 2019, 429 Rz. 35 = FamRB 2019, 132). Der für eine Verhandlung notwendige ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen liege demzufolge nicht vor.


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