OLG Dresden, Urt. 6.3.2018 - 4 U 1403/17
Zueigenmachen der Arztbewertung
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2018
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 06/2018
Der Betreiber eines Bewertungsportals macht sich die Bewertung eines Nutzers bereits dann zu eigen, wenn er sie auf Rüge des Betroffenen prüft und diesem sodann mitteilt, dass er „strittige Tatsachenbehauptungen” entfernt hat, so dass die Bewertung nunmehr den Nutzungsrichtlinien des Portals entspricht.
OLG Dresden, Urt. v. 6.3.2018 - 4 U 1403/17 (rkr.)
Vorinstanz: LG Chemnitz, Urt. v. 18.8.2017 - 2 O 1650/16
BGB §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 824 Abs. 1, 1004 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1
„[...] Er nimmt sich keine Zeit um die Krankengeschichte zu erfahren auch Befunde von Orthopäden interessieren Ihn nicht. Schnell Chiropraktische Behandlung noch ein paar Spritzen in den Rücken und dann ab zum bezahlen. Beim der zweiten Behandlung da selbe Spiel in 5 minute ist man als Patient wieder draußen. [...]”
Erstinstanzlich war noch ein weiterer Beitrag vom 4.3.2016 streitgegenständlich, diesbezüglich der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, nachdem der Portalbetreiber diesen Beitrag gelöscht hatte.
Zueigenmachen: Es komme nicht auf die Verletzung von Prüfpflichten durch den Portalbetreiber an, da er sich die angegriffene Bewertung zu eigen gemacht habe, so dass er als unmittelbarer Störer anzusehen sei (§ 7 Abs. 1 TMG). Von einem Zueigenmachen sei bei zurückhaltender Annahme dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände die inhaltliche Verantwortung für die Fremdbeiträge übernommen habe (vgl. BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 35, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123). Vorliegend ergebe sich eine Zueigenmachen weder aus dem fehlenden Disclaimer noch daraus, dass in den Nutzungsbedingungen eine inhaltliche Einflussnahme vorbehalten werde, sondern aus der nach Rüge des Arzts ohne Rücksprache mit dem Patienten erfolgten selbständigen Streichung des Hinweises auf die Behandlungskosten unter Beibehaltung des übrigen Texts (vgl. Prüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit BGH v. 4.4.2017 – VI ZR 123/16, Rz. 18, CR 2018, 49 = ITRB 2017, 179 = MMR 2017, 526).
Rechtswidrigkeit der Äußerungen: Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts sei der Eingriff nur beim Überwiegen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen gegenüber der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers rechtswidrig. Vorliegend führten unwahre Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit unwahrer Tatsachengrundlage mangels verfassungsmäßig geschützten Interesses zur Bejahung der Rechtswidrigkeit der Äußerung. Im Vordergrund des Aussageteils stehe die mit der abschließenden Warnung vor dem Arzt verbundene Schilderung des Behandlungsverlaufs und der Behandlungsdauer. Dass dieser Tatsachenkern wahr sei, habe der Portalbetreiber, der als mittelbarer oder unmittelbarer Störer hierfür die Beweislast nach § 186 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB trage, nicht nachgewiesen (vgl. BGH v. 11.12.2012 – VI ZR 315/10, Rz. 18, ZUM 2013, 207). Wollte man dem Arzt als Betroffenen die Beweislast für die Unwahrheit der Behauptung auferlegen, würde man ihm Unmögliches abverlangen, denn der Nutzer habe sich bewusst für die Abgabe einer anonymen Bewertung entschieden (vgl. hierzu OLG Dresden v. 1.4.2015 – 4 U 1296/14, Rz. 88, CR 2015, 531 = ITRB 2015, 180 = NJW 2015, 36). Die Behauptungen des Arztes zum gewöhnlichen Behandlungsverlauf mit Nichtwissen zu bestreiten, sei jedenfalls nicht ausreichend gewesen.
Meinungsäußerung: Die in Form einer Schulnote aufgeführte Gesamtnote und die Äußerung „Ein kompletter Reinfall/Komplett inkompetent. Ich kann jedem nur abraten zu Herrn L... zu gehe.” sowie „Meine Rückenbeschwerden waren nach den beiden Behandlungen noch schlimmer. Also lieber Finger weg!” seien bis zur Grenze der Schmähkritik zulässige Meinungsäußerungen, selbst wenn die zugrunde liegenden Tatsachen unwahr seien. Liege allerdings einer angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde, überwiege das Interesse des Bewerteten am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-)Ehre die Interessen des Bewertenden sowie des Portalbetreibers an der Kommunikation der dargestellten Meinung (BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 36, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123).
Beweislast für fehlenden Behandlungskontakt: Der Arzt, der für die Behauptung, einer Bewertung habe bereits kein Behandlungskontakt zugrunde gelegen, die Beweislast trage, habe vorliegend diesen Beweis nicht geführt. Eine Umkehr der Beweislast komme hier nicht in Betracht, weil allein aus der Bewertung aus Sicht des durchschnittlichen Nutzers noch nicht der Rückschluss gezogen werden könne, dass durch den Behandler überhaupt keine Leistung erbracht worden sei, die Frage des Behandlungskontakts mithin nicht Bestandteil der die Äußerung konstituierenden Tatsachenbehauptungen sei (BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 35, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123). Dass der Bewertende Örtlichkeiten, Behandlungspreis und Verfahrensweise der Arztpraxis gekannt habe, spreche für einen Behandlungskontakt.
Doppelbewertung: Ob die Bewertungen vom 4.3. und 3.3.2016 von demselben Nutzer stammten, könne dahinstehen, da dies keinen Anspruch auf Löschung beiden Bewertung oder wahlweise einer der beiden zur Folge hätte. Ein Verstoß gegen die Nutzungsrichtlinien habe allenfalls im Verhältnis zwischen dem Portalbetreiber und dem Bewertenden, nicht aber im Verhältnis zum Arzt eine Bedeutung.
OLG Dresden, Urt. v. 6.3.2018 - 4 U 1403/17 (rkr.)
Vorinstanz: LG Chemnitz, Urt. v. 18.8.2017 - 2 O 1650/16
BGB §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 824 Abs. 1, 1004 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1
Das Problem
Ein Arzt nimmt den Betreiber eines Arztbewertungsportals auf Löschung eines dort am 3.3.2016 eingestellten Beitrags in Anspruch:„[...] Er nimmt sich keine Zeit um die Krankengeschichte zu erfahren auch Befunde von Orthopäden interessieren Ihn nicht. Schnell Chiropraktische Behandlung noch ein paar Spritzen in den Rücken und dann ab zum bezahlen. Beim der zweiten Behandlung da selbe Spiel in 5 minute ist man als Patient wieder draußen. [...]”
Erstinstanzlich war noch ein weiterer Beitrag vom 4.3.2016 streitgegenständlich, diesbezüglich der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, nachdem der Portalbetreiber diesen Beitrag gelöscht hatte.
Die Entscheidung des Gerichts
Der Arzt habe einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 824 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG bzgl. der Äußerung.Zueigenmachen: Es komme nicht auf die Verletzung von Prüfpflichten durch den Portalbetreiber an, da er sich die angegriffene Bewertung zu eigen gemacht habe, so dass er als unmittelbarer Störer anzusehen sei (§ 7 Abs. 1 TMG). Von einem Zueigenmachen sei bei zurückhaltender Annahme dann auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar aus objektiver Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände die inhaltliche Verantwortung für die Fremdbeiträge übernommen habe (vgl. BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 35, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123). Vorliegend ergebe sich eine Zueigenmachen weder aus dem fehlenden Disclaimer noch daraus, dass in den Nutzungsbedingungen eine inhaltliche Einflussnahme vorbehalten werde, sondern aus der nach Rüge des Arzts ohne Rücksprache mit dem Patienten erfolgten selbständigen Streichung des Hinweises auf die Behandlungskosten unter Beibehaltung des übrigen Texts (vgl. Prüfung auf Vollständigkeit und Richtigkeit BGH v. 4.4.2017 – VI ZR 123/16, Rz. 18, CR 2018, 49 = ITRB 2017, 179 = MMR 2017, 526).
Rechtswidrigkeit der Äußerungen: Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts sei der Eingriff nur beim Überwiegen des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen gegenüber der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers rechtswidrig. Vorliegend führten unwahre Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit unwahrer Tatsachengrundlage mangels verfassungsmäßig geschützten Interesses zur Bejahung der Rechtswidrigkeit der Äußerung. Im Vordergrund des Aussageteils stehe die mit der abschließenden Warnung vor dem Arzt verbundene Schilderung des Behandlungsverlaufs und der Behandlungsdauer. Dass dieser Tatsachenkern wahr sei, habe der Portalbetreiber, der als mittelbarer oder unmittelbarer Störer hierfür die Beweislast nach § 186 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB trage, nicht nachgewiesen (vgl. BGH v. 11.12.2012 – VI ZR 315/10, Rz. 18, ZUM 2013, 207). Wollte man dem Arzt als Betroffenen die Beweislast für die Unwahrheit der Behauptung auferlegen, würde man ihm Unmögliches abverlangen, denn der Nutzer habe sich bewusst für die Abgabe einer anonymen Bewertung entschieden (vgl. hierzu OLG Dresden v. 1.4.2015 – 4 U 1296/14, Rz. 88, CR 2015, 531 = ITRB 2015, 180 = NJW 2015, 36). Die Behauptungen des Arztes zum gewöhnlichen Behandlungsverlauf mit Nichtwissen zu bestreiten, sei jedenfalls nicht ausreichend gewesen.
Meinungsäußerung: Die in Form einer Schulnote aufgeführte Gesamtnote und die Äußerung „Ein kompletter Reinfall/Komplett inkompetent. Ich kann jedem nur abraten zu Herrn L... zu gehe.” sowie „Meine Rückenbeschwerden waren nach den beiden Behandlungen noch schlimmer. Also lieber Finger weg!” seien bis zur Grenze der Schmähkritik zulässige Meinungsäußerungen, selbst wenn die zugrunde liegenden Tatsachen unwahr seien. Liege allerdings einer angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde, überwiege das Interesse des Bewerteten am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-)Ehre die Interessen des Bewertenden sowie des Portalbetreibers an der Kommunikation der dargestellten Meinung (BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 36, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123).
Beweislast für fehlenden Behandlungskontakt: Der Arzt, der für die Behauptung, einer Bewertung habe bereits kein Behandlungskontakt zugrunde gelegen, die Beweislast trage, habe vorliegend diesen Beweis nicht geführt. Eine Umkehr der Beweislast komme hier nicht in Betracht, weil allein aus der Bewertung aus Sicht des durchschnittlichen Nutzers noch nicht der Rückschluss gezogen werden könne, dass durch den Behandler überhaupt keine Leistung erbracht worden sei, die Frage des Behandlungskontakts mithin nicht Bestandteil der die Äußerung konstituierenden Tatsachenbehauptungen sei (BGH v. 1.3.2016 – VI ZR 34/15 – jameda, Rz. 35, BGHZ 209, 139 = CR 2016, 390 m. Anm. Kriegesmann = ITRB 2016, 123). Dass der Bewertende Örtlichkeiten, Behandlungspreis und Verfahrensweise der Arztpraxis gekannt habe, spreche für einen Behandlungskontakt.
Doppelbewertung: Ob die Bewertungen vom 4.3. und 3.3.2016 von demselben Nutzer stammten, könne dahinstehen, da dies keinen Anspruch auf Löschung beiden Bewertung oder wahlweise einer der beiden zur Folge hätte. Ein Verstoß gegen die Nutzungsrichtlinien habe allenfalls im Verhältnis zwischen dem Portalbetreiber und dem Bewertenden, nicht aber im Verhältnis zum Arzt eine Bedeutung.