OLG Düsseldorf, Beschl. 10.5.2019 - 1 WF 28/19

Hemmung der Vaterschaftsanfechtungsfrist aufgrund höherer Gewalt

Autor: RiOLG Walther Siede, München
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2019
Die Vaterschaftsanfechtungsfrist ist für die Mutter gehemmt, wenn der leibliche Vater als Vater des Kindes im Geburtsregister eingetragen ist und die Mutter keine Veranlassung hat, an der materiellen Richtigkeit dieser Eintragung zu zweifeln.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.5.2019 - 1 WF 28/19

Vorinstanz: AG Kleve, Beschl. v. 28.1.2019 - 19 F 321/18

BGB § 1594, § 1598, § 1600, § 1600b; EGBGB Art. 19

Das Problem

Die Antragstellerin, eine Armenierin, hatte in Armenien mit dem Antragsgegner, einem Griechen, die Ehe geschlossen und anschließend mit diesem in Griechenland zusammengelebt. Nach der Trennung zieht sie nach Deutschland. Dort lernt sie M kennen, von dem sie ein Kind empfängt. Noch vor der Geburt des Kindes erkennt dieser mit Zustimmung der Antragstellerin die Vaterschaft an. M wird nach der Geburt des Kindes im Jahr 2013 als Vater im Geburtsregister eingetragen. 2018 lässt sich die Antragstellerin vom Antragsgegner in Armenien scheiden. Das Scheidungsurteil wird in Deutschland anerkannt. Daraufhin ändert das Standesamt den Geburtseintrag für das Kind ab und erfasst den bei Geburt des Kindes mit der Antragstellerin verheirateten Antragsgegner als Vater des Kindes. Die Antragstellerin will die Vaterschaft des Antragsgegners anfechten und beantragt Verfahrenskostenhilfe. Das AG – Familiengericht – weist den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurück, da für die Antragstellerin die Anfechtungsfrist abgelaufen sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG hebt die Entscheidung des AG – Familiengericht – auf und bewilligt Verfahrenskostenhilfe. Gemäß Art. 19 EGBGB sei deutsches Recht anwendbar. Die Anerkennung der Vaterschaft durch M sei nicht gem. § 1598 Abs. 2 BGB wirksam geworden; denn diese Vorschrift sei einschränkend dahin gehend auszulegen, dass sie § 1594 Abs. 2 BGB nicht verdränge, weil es ansonsten zu einer Doppelung der Vaterstellung käme. Auch habe die Zweijahresfrist des § 1600b Abs. 1 BGB für die Antragstellerin mit der Geburt des Kindes zu laufen begonnen, da es insoweit nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, nicht aber auf deren zutreffende rechtliche Beurteilung ankomme. Jedoch sei der Lauf der Frist wegen höherer Gewalt gem. § 1600b Abs. 5 Satz 3, § 206 BGB bis zur Berichtigung des Geburtseintrags gehemmt gewesen, da die Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt darauf habe vertrauen dürfen, dass die Eintragung des M in das Geburtsregister der materiellen Rechtslage entspreche.


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