OLG Düsseldorf, Beschl. 18.12.2019 - I-7 W 66/19
Act global, speak local? – Zustellungsfiktion von an Facebook gerichtete Schriftstücke in deutscher Sprache
Autor: RA Christian-Oliver Moser, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Irle Moser Rechtsanwälte, BerlinRAin Sophia Keßels, Irle Moser Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2020
Bei der Beurteilung der Sprachkenntnisse eines Unternehmens vor dem Hintergrund der Annahmeverweigerung hat grundsätzlich eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei ist nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Geschäftsleitung abzustellen, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt. Stellt ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat zahlreichen Nutzern, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, sowohl die Plattform als auch sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente in der von den Nutzern verwendeten Sprache zur Verfügung, kann es sich nicht auf mangelnde Sprachkenntnis i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO (EG) 1393/2007 berufen. Eine Zurückweisung von Schriftstücken ist dann unzulässig und rechtsmissbräuchlich.
VO (EG) 1393/2007 Art. 8 Abs. 1; ZPO § 103 Abs. 1, § 104 Abs. 3, § 179 Satz 3
Das Gericht musste sich folglich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Zustellung tatsächlich unwirksam war. Dabei ist grundsätzlich auf die Sprachkenntnisse des Empfängers abzustellen. Nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO (VO (EG) 1393/2007) kann die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigert werden, soweit keine Sprache verwendet wird, die der Empfänger versteht oder die als Amtssprache am Zustellungsort gilt. Da die deutsche Sprache in Irland nicht als Amtssprache anerkannt ist, stellt sich die Frage, ob es sich um eine Sprache handelt, die der Empfänger verstehen muss. Dies wird hinsichtlich Juristischer Personen bzw. Gesellschaften im Schrifttum und der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Da die EuZustVO nicht regelt, auf wessen Sprachkenntnisse bei Zustellungen an juristische Personen abzustellen ist, musste das OLG Düsseldorf hier eine Entscheidung treffen.
Es sei davon auszugehen, dass das Unternehmen Facebook entgegen seiner Schutzbehauptung sehr wohl über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Anders als das LG bewertet es die Verweigerung der Annahme der nicht übersetzten Schriftstücke durch das Unternehmen Facebook daher als unzulässig und rechtsmissbräuchlich.
Bei der Bewertung des Sprachverständnisses habe eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei komme es nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Maßgeblich sei, ob aufgrund der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass in dem Unternehmen Mitarbeiter vorhanden seien, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können.
Facebook als Unternehmen bediene sich selbst der deutschen Sprache und agiere darüber hinaus im deutschen Sprach- und Rechtskreis. Das Unternehmen verfüge über eine Vielzahl an Nutzern, denen es sowohl die Plattform als auch sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente in deutscher Sprache zur Verfügung stelle. Dabei berücksichtigt das Gericht auch die sog. Gemeinschaftsstandards sowie die aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook, die sog. Nutzungsbedingungen. Letztere unterliegen in ihren „zusätzlichen Bestimmungen“ deutschem Recht; auch die Haftungsbeschränkungen entsprechen den Wirksamkeitserfordernissen des deutschen AGB-Rechts. Schließlich weise Facebook die Nutzer darauf hin, dass sie als Verbraucher ihre Ansprüche vor jedem Gericht ihres Mitgliedstaates klären lassen könnten. Diese Ausgestaltung sei ohne gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts nicht möglich gewesen.
VO (EG) 1393/2007 Art. 8 Abs. 1; ZPO § 103 Abs. 1, § 104 Abs. 3, § 179 Satz 3
Das Problem
Ein Facebook-Nutzer hat gegen das soziale Netzwerk (Facebook Ireland Ltd.) eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach dem Unternehmen mit Sitz in Irland untersagt wird, das Konto des Nutzers zu sperren oder dessen Beiträge zu löschen. Bei Zustellung der Beschlussverfügung in deutscher Sprache verweigerten die Rechtsanwälte des Unternehmens deren Annahme mit der Begründung, dass keine englische Übersetzung der Schriftstücke zur Verfügung gestellt worden sei. Kein Mitglied seiner Rechtsabteilung verfüge über ausreichende Sprachkenntnisse, um Beschwerden, Gerichtsbeschlüsse oder Mitteilungen auf Deutsch zu verstehen oder das Unternehmen ohne Unterstützung eines externen Beraters zu verteidigen. Der Antrag des Nutzers auf Festsetzung der Kosten wurde schließlich zurückgewiesen, weil die Rechtspflegerin davon ausging, dass es mangels wirksamer Zustellung an einem geeigneten Titel und somit an einer Kostenfestsetzungsgrundlage fehle, § 103 Abs. 1 ZPO. Hiergegen richtet sich die verfahrensgegenständliche sofortige Beschwerde des Nutzers.Das Gericht musste sich folglich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Zustellung tatsächlich unwirksam war. Dabei ist grundsätzlich auf die Sprachkenntnisse des Empfängers abzustellen. Nach Art. 8 Abs. 1 EuZustVO (VO (EG) 1393/2007) kann die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigert werden, soweit keine Sprache verwendet wird, die der Empfänger versteht oder die als Amtssprache am Zustellungsort gilt. Da die deutsche Sprache in Irland nicht als Amtssprache anerkannt ist, stellt sich die Frage, ob es sich um eine Sprache handelt, die der Empfänger verstehen muss. Dies wird hinsichtlich Juristischer Personen bzw. Gesellschaften im Schrifttum und der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Da die EuZustVO nicht regelt, auf wessen Sprachkenntnisse bei Zustellungen an juristische Personen abzustellen ist, musste das OLG Düsseldorf hier eine Entscheidung treffen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Düsseldorf hält die Beschwerde für begründet.Es sei davon auszugehen, dass das Unternehmen Facebook entgegen seiner Schutzbehauptung sehr wohl über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Anders als das LG bewertet es die Verweigerung der Annahme der nicht übersetzten Schriftstücke durch das Unternehmen Facebook daher als unzulässig und rechtsmissbräuchlich.
Bei der Bewertung des Sprachverständnisses habe eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei komme es nicht auf die persönlichen Fähigkeiten der Mitglieder der Geschäftsleitung, sondern auf die Organisation des Unternehmens insgesamt an. Maßgeblich sei, ob aufgrund der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit in einem bestimmten Land davon ausgegangen werden kann, dass in dem Unternehmen Mitarbeiter vorhanden seien, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in der Landessprache kümmern können.
Facebook als Unternehmen bediene sich selbst der deutschen Sprache und agiere darüber hinaus im deutschen Sprach- und Rechtskreis. Das Unternehmen verfüge über eine Vielzahl an Nutzern, denen es sowohl die Plattform als auch sämtliche im Verhältnis zwischen den Parteien verwendeten Dokumente in deutscher Sprache zur Verfügung stelle. Dabei berücksichtigt das Gericht auch die sog. Gemeinschaftsstandards sowie die aktuellen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook, die sog. Nutzungsbedingungen. Letztere unterliegen in ihren „zusätzlichen Bestimmungen“ deutschem Recht; auch die Haftungsbeschränkungen entsprechen den Wirksamkeitserfordernissen des deutschen AGB-Rechts. Schließlich weise Facebook die Nutzer darauf hin, dass sie als Verbraucher ihre Ansprüche vor jedem Gericht ihres Mitgliedstaates klären lassen könnten. Diese Ausgestaltung sei ohne gründliche Kenntnisse der deutschen Sprache und des deutschen Rechts nicht möglich gewesen.