OLG Düsseldorf, Beschl. 23.5.2022 - 3 WF 89/21

Darlegungs- und Beweislast im Zugewinnausgleich; Zuwendung mit Wohnrecht belasteter Immobilie

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2023
Jeder Ehegatte trägt für den Bestand und den Wert seines Anfangsvermögens und für seinen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast. Für den Wert des negativen Anfangsvermögens und für einen negativen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB trägt der jeweils andere Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast. Der Ehegatte, der den Zugewinnausgleich begehrt, muss neben dem eigenen Endvermögen auch Bestand und Wert des Endvermögens des anderen Ehegatten darlegen und beweisen; dies gilt im Grundsatz nicht nur für das Vorhandensein der Aktiva, sondern auch für das Fehlen von Passiva. Zu den rechtlichen Maßstäben für die zugewinnrechtliche Einordnung von Belastungen durch ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch, die den ausgleichspflichtigen Empfänger einer Immobilie gegenüber dem Zuwendenden treffen (im Anschluss an BGH v. 6.5.2015 – XII ZB 306/14, FamRZ 2015, 1268 = FamRB 2015, 283 [Kogel]).

BGB § 1374, § 1375, § 1376, § 1384

Das Problem

Bei der Entscheidung handelt es sich um eine VKH-Beschwerdeentscheidung im Rahmen eines Scheidungsfolgenantrags zum Zugewinn (Zahlungsantrag). Der Senat prüft, ob die notwendige hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Dies sei bereits dann der Fall, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten, der VKH begehrt, für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (so bereits BGH v. 14.12.1993 – VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160). Aus diesem Grunde werden alle Positionen der Punktesache auf ihre schlüssige Darlegung und mögliche Beweisbarkeit überprüft.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Darlegungs- und Beweislast für das beiderseits vorhandene Endvermögen liege im Grundsatz bei dem, der den Ausgleichsanspruch geltend mache (OLG Hamm v. 11.4.1996 – 4 UF 454/95, FamRZ 1997, 87). Dies gelte auch bezüglich der Verbindlichkeiten (OLG Hamm v. 13.6.1997 – 12 UF 223/95, FamRZ 1998, 235). Die gerichtliche Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs erfordere dabei schlüssige Angaben über die für die Berechnung des Zugewinnausgleichs maßgeblichen Umstände, insbesondere über das beidseitige Endvermögen (vgl. Scheller/Sprink in BeckOK/BGB, 61. Ed., 1.2.2022, § 1378 Rz. 51). Soweit es um ein positives Anfangsvermögen geht, trage nach dem ungeschriebenen Grundprinzip der Beweislastverteilung jeder Ehegatte für den Bestand und den Wert seines Anfangsvermögens und für seinen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast. Dies folge daraus, dass ein positives Anfangsvermögen den Zugewinn vermindere und daher für den jeweiligen Ehegatten eine ihm günstige Tatsache darstelle. Im Rahmen des privilegierten Anfangsvermögens trage der Ehegatte auch die Darlegungs- und Beweislast, dass die Zuwendung nicht zu den Einkünften (§ 1374 Abs. 2 a.E. BGB) zu rechnen sei. Demgegenüber erhöhe negatives Anfangsvermögen den Zugewinn eines Ehegatten. Dies stelle daher für den jeweils anderen Ehegatten eine ihm günstige Tatsache dar. Dementsprechend trage der jeweils andere Ehegatte für den Bestand und den Wert des negativen Anfangsvermögens und für einen negativen privilegierten Erwerb gem. § 1374 Abs. 2 BGB die Darlegungs- und Beweislast. Schließlich müsse der Ehegatte, der den Zugewinnausgleich begehre, neben dem eigenen Endvermögen auch Bestand und Wert des Endvermögens des anderen Ehegatten darlegen und beweisen. Hierzu gehörten nicht nur das Vorhandensein der Aktiva, sondern auch das Fehlen von Passiva. Die Darlegungs- und Beweislast des Klägers gelte nämlich auch für Negativtatsachen (vgl. Grandel/Stockmann, StichwortKommentar Familienrecht, Darlegungs- und Beweislast im Zugewinn Rz. 3, 5 f. m.w.N.).

Vorliegend gehörte zum Endvermögen des Ausgleichspflichtigen ein Grundstück, das ihm mit Nießbrauchsvorbehalt schenkweise übertragen wurde. Insoweit sei die neuere Rechtsprechung des BGH zu beachten. Nach dieser Judikatur sei davon auszugehen, dass sowohl im End- wie im Anfangsvermögen ein Nießbrauchsrecht grundsätzlich nicht eingestellt werden müsse. Anders sei dies allerdings dann, wenn der Grundstückswert stark gestiegen sei. Damit gehe regelmäßig auch ein starker Anstieg des Nießbrauchsrecht einher. Würde in diesen Fällen das Nießbrauchsrecht nicht bewertet, führte dies zu einem unverhältnismäßigen Anstieg des Zugewinnausgleichsanspruchs. Für die Steigerung des Grundstückswerts sei vorliegend aber kein hinreichender Sachvortrag erbracht worden. Damit sei auch nicht von einer schlüssigen Darlegung einer Anhebung des Nießbrauchsrechts auszugehen (vgl. detailliert zu diesem Problemkreis die Entscheidung desselben Senats des OLG Düsseldorf v. 22.4.2022 – 3 WF 142/22, FamRB 2023, 135, nachstehend).


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