OLG Düsseldorf, Urt. 20.12.2017 - 2 U 39/16

Bedeutung von Erklärungen des Patentinhabers im Bestandsverfahren

Autor: Dr. Soenke Fock, LL.M., FA für Gewerblichen Rechtsschutz, Wildanger Kehrwald Graf v. Schwerin & Partner, Düsseldorf
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2019
Äußerungen des Patentinhabers im Rechtsbestandsverfahren haben nur dann eine Bedeutung für das Verletzungsverfahren, wenn sie schutzbeschränkend sowie für die Aufrechterhaltung des Patents verantwortlich waren und der Beklagte des Verletzungsverfahrens auch am Rechtsbestandsverfahren beteiligt war. Dritte, nicht am Bestandsverfahren Beteiligte können sich hierauf nicht berufen. Das Verletzungsgericht ist nicht an die von den mit dem Rechtsbestand befassten Gerichten vorgenommene Auslegung der Patentansprüche gebunden. Es hat sich eine eigene Auffassung zu bilden und diese selbst auszulegen. Soweit die Patentinhaberin im Rechtsbestandsverfahren bestimmte Aussagen zur Erfindung tätigt, auf die sich der Beklagte im Verletzungsverfahren stützt, sind diese für das Verletzungsverfahren nur dann bedeutsam, wenn.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017 - 2 U 39/16

Vorinstanz: LG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2016 - 4b O 7/15

BGB § 242; ZPO § 286

Problem

Die Entscheidung behandelt unter Anderem zwei interessante Fragen:

Zum einen die Frage, wie sich Äußerungen des Patentinhabers im Bestandsverfahren, z.B. zum Schutzbereich, auf das Verletzungsverfahren auswirken. Beklagte in Verletzungsverfahren führen solche Äußerungen oft ein, um argumentieren zu können, dass der Patentinhaber im Bestandsverfahren eine andere (engere) Auffassung, etwa zum Schutzbereich, vertreten habe als er dies im Verletzungsverfahren tut. Im konkreten Fall ging es um eine Äußerung der Patentinhaberin, wonach Suspensionen nicht in den Schutzbereich fallen, sondern nur Lösungen; im Verletzungsverfahren vertrat die Patentinhaberin indes die Auffassung, auch Suspensionen fielen in den Schutzbereich.

Zum anderen die Frage, ob die Verletzungsgerichte an die Auslegung des Klagepatents durch die mit demselben Patent befassten Rechtsbestandsinstanzen gebunden sind.

Lösung des Gerichts

Das OLG gibt der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Patentverletzung statt.

Zur ersten Frage sei anzumerken, dass sich ein Beklagter eines Verletzungsverfahrens auf (z.B. in Bezug auf eine bestimmte mögliche Ausführungsform der Erfindung gerichtete) Äußerungen des Schutzrechtsinhabers in einem Bestandsverfahren nur dann berufen könne, wenn es sich tatsächlich um bindende Verzichtserklärungen gehandelt habe, die zu einer Beschränkung des Schutzbereichs geführt und zur Aufrechterhaltung des Patents kausal beigetragen hätten, wobei als weitere Voraussetzung hinzutreten müsse, dass der Beklagte des Verletzungsverfahrens auch am Rechtsbestandsverfahren beteiligt war, in dem der Patentinhaber eine solche Äußerung getroffen hat.

In einem solchen Falle erfolge zwar keine Reduzierung des Schutzbereichs; jedoch sei die Äußerung für das Verletzungsverfahren von Belang, weil die Erhebung einer Verletzungsklage gegenüber einem Beklagten, der an einem solchen Bestandsverfahren beteiligt war, als gegen Treu und Glauben verstoßend anzusehen sei. Gegenüber nicht beteiligten Dritten hingegen sei der Patentinhaber nicht gehindert, das Patent in seinem vollen Umfang (d.h. ohne Rücksicht auf die schutzbereichsbeschränkenden Erklärungen des Patentinhabers) durchzusetzen. Dabei sei es wichtig zu beachten, dass nicht jede Äußerung des Patentinhabers im Bestandsverfahren eine schutzbereichsbeschränkende Erklärung darstelle; vielmehr werde es sich in der Regel lediglich um eine Meinungsäußerung handeln. Für mehr bedürfe es einer Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lasse, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen; dabei sei auch die Interessenlage zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall fehle es schon an einer solchen Verzichtserklärung und es sei auch nichts dafür vorgetragen worden, dass die Äußerung kausal für die Aufrechterhaltung im Bestandsverfahren gewesen sei.

Die zweite Frage (Bindung des Verletzungsgerichts an die Patentauslegung der Rechtsbestandsinstanzen) sei eindeutig zu verneinen: Verletzungsgerichte müssen sich stets ein eigenes Urteil über das fachmännische Verständnis der Merkmale des Patentanspruchs bilden und dieses sodann der Entscheidung über die Verletzungsklage zugrunde legen. Dies gelte selbst für Auslegungen des Patentanspruchs durch den BGH in einem parallelen Nichtigkeitsverfahren über dasselbe Patent. Würde sich das Verletzungsgericht ohne eigene Würdigung schlicht der Auffassung des Bestandsgerichts anschließen, bedeute dies einen Rechtsfehler. Sei das Verletzungsgericht hierzu selbst nicht in der Lage, bedürfe es der Sachaufklärung, z.B. durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens.


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