OLG Frankfurt, Beschl. 11.3.2019 - 4 UF 188/18

Wohnungszuweisung nach Aussperrung

Autor: RiAG a.D. Ralph Neumann, Brühl
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2019
Werden einem Ehegatten Besitz- und Nutzungsrechte an der Ehewohnung durch verbotene Eigenmacht des anderen (Aussperrung) entzogen, ergibt sich sein Anspruch auf Wiedereinräumung aus § 1361b BGB analog, nicht aus § 861 BGB. Bei Prüfung der normativen Voraussetzungen des Nutzungsanspruchs ist in diesem Fall der Regelungsgehalt des possessorischen Besitzschutzes miteinzubeziehen.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.3.2019 - 4 UF 188/18

Vorinstanz: AG Alsfeld, Beschl. v. 12.10.2018 - 22 F 491/18

BGB § 861 Abs. 1, § 1361b Abs. 1 S. 1

Das Problem

Die aus China stammende Ehefrau lebte mit ihrem deutschen Ehemann in dessen Haus in Deutschland, verbrachte jedoch jedes Jahr einige Monate bei ihren Eltern in China. Als sie zuletzt von dort zurückkehrte, verweigerte der Antragsgegner ihr den Zutritt zum Haus. Die Antragstellerin begehrt Zutritt zum ehelichen Haus und Gestattung ihres Aufenthalts. Der Antragsgegner trägt vor, sie sei im Vorjahr mit einem Messer auf ihn losgegangen und sie hätten im Frühjahr die Trennung und spätere Scheidung vereinbart. Seine neue Freundin wohne bereits mit ihm in dem Haus, für die Antragstellerin sei dort kein Platz mehr. Das Visum der Antragstellerin sei ohnehin bis Anfang 2019 befristet. Das FamG hat den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen, da ein Getrenntleben der Beteiligten in der Ehewohnung ihnen angesichts ihrer ehelichen Konflikte, insbesondere des vom Antragsgegner behaupteten Messerangriffs, und des Umstands, dass der Antragsgegner inzwischen eine neue Lebensgefährtin habe, nicht zumutbar sei. Im Übrigen sei auch eine unbillige Härte i.S.d. § 1361b BGB zu verneinen, denn die Antragstellerin könne unproblematisch in China bei ihren Verwandten leben. Soweit der Antragsgegner verbotene Eigenmacht verübt habe, trete dieser Gesichtspunkt hinter den Umstand zurück, dass das Haus in seinem Eigentum stehe.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat hebt die Entscheidung auf und weist der Antragstellerin eins der Schlafzimmer in dem 5-Zimmer-Haus zu und regelt die Benutzung von Bad und Küche durch die Ehegatten. Zunächst geht der Senat auf die letztlich immer noch nicht abschließend geklärte Frage des Verhältnisses von § 1361b BGB zum Besitzschutz des ausgesperrten Ehegatten nach § 861 BGB ein. Er schließt sich nach eingehender Darstellung des Streitstands der sog. vermittelnden Auffassung (vgl. dazu Brudermüller, FamRZ 1987, 109) an, die im Fall der Aussperrung des Ehegatten aus der ehelichen Wohnung zwar § 1361b BGB – in entsprechender Anwendung – als vorrangige Anspruchsgrundlage sieht, in die Prüfung der normativen Voraussetzungen des Nutzungsanspruchs aber den Regelungsgehalt des possessorischen Besitzschutzes einbezieht. Danach war der Antragstellerin der begehrte Mitbesitz an der Wohnung wieder einzuräumen und eine Regelung über die Nutzung der einzelnen Räume zu treffen. Zwar setze eine Wohnungszuweisung grundsätzlich voraus, dass diese erforderlich ist, um eine unbillige Härte für den die Zuweisung begehrenden Ehegatten, hier die Antragstellerin, zu vermeiden. Diese Voraussetzung dürfte mit der gegen ihren Willen erfolgten Aussperrung der Antragstellerin aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung zwanglos erfüllt sein. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner derzeit beabsichtige, während bestehender Ehe eine neue Lebensgefährtin in das Haus zu holen, und meint, deshalb sei dort kein Platz mehr für seine Frau, rechtfertige ihren Ausschluss nicht. Vielmehr stünde dieser ein vollstreckbarer Unterlassungsanspruch bei Aufnahme eines neuen Lebenspartners in die eheliche Wohnung während bestehender Ehe zur Seite. Zwar sei im Rahmen der gebotenen Gesamtwägung der Interessen beider Ehegatten nach § 1361b Abs. 1 Satz 3 BGB auch das alleinige Eigentum des Antragsgegners an der ehelichen Wohnung zu berücksichtigen, doch habe der Eigentümer Einschränkungen seiner dinglichen, grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Rechtsposition hinzunehmen. Erst recht sei es einem Ehegatten als Alleineigentümer in der Trennungszeit zumutbar, bei Fehlen einer eigenen unbilligen Härte die weitere Nutzung bzw. Mitbenutzung der Ehewohnung durch seinen – durch Art. 6 GG ebenfalls geschützten – Ehegatten hinzunehmen. Entsprechend dem Sachantrag der Antragstellerin, aber auch ihrer erklärten Bereitschaft, die eheliche Wohnung auch künftig gemeinsam mit ihrem Ehemann zu nutzen, sei daher eine nach den baulichen Gegebenheiten mögliche und zweckmäßige Aufteilung der Ehewohnung vorzunehmen.


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