Autor: Priv.-Doz. RA Dr. Peter Finger, FAFamR, zertifiz. Mediator, Frankfurt/M.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 03/2024
1. Begründen die Eheleute ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt erst nach rd. 10 Monaten nach der Eheschließung im Iran in Deutschland, wird iranisches Recht auch für die Teile aus der dort zugelassenen Morgengabe maßgeblich, die noch nicht erfüllt sind. Vorrangig ist jedenfalls das dt.-iran. Niederlassungsabk. 1929.2. Die Aufteilung der Morgengabe als einheitliches Leistungsversprechen in bereits erfüllte Anteile, die iranischem Recht unterliegen, und andere, die noch zu leisten sind und für die deutsches Recht maßgeblich werden könnte, kommt jedenfalls nicht in Betracht.
EuGüVO Art. 26; dt.-iran. Niederlassungsabk. Art. 8 Abs. 3 Das Problem
Die Beteiligten schlossen nach dem 29.1.2019 im Iran die Ehe. Damals waren sie beide iranische Staatsangehörige, während der Ehemann seit dem 28.3.2021 (auch, der Iran entlässt seine Staatsangehörigen nicht aus ihrer Staatsangehörigkeit) dt. Staatsangehöriger ist. Ihren ersten gemeinsamen ehelichen Wohnsitz haben sie in D./Deutschland genommen, Mietvertrag v. 1.6.2020. Bei der Eheschließung hat der Ag. (Mann) in der Heiratsurkunde des Heiratsnotariats in Teheran seiner Frau (Ast.) als Brautgabe 110 Goldmünzen Bahar Azadi versprochen, also in den Grenzen der Vollstreckbarkeit im Iran durch G v. 1.11.1998, abgelöst durch G v. 28.6.2015, Kappungsgrenze Art. 22 FS ch G 2013 (dazu Yassari in Bergmann/Ferid/Henrich/Ebert, Internat. Ehe- und Familienrecht, Länderbericht Iran S. 65 ff.), deren Herausgabe sie nun beim AG D. verlangt. VKH ist ihr mit der Begründung verweigert worden, für die Absprachen fehle die notwendige notarielle Beurkundung, so dass ihre Rechtsverfolgung in Deutschland aussichtslos/mutwillig sei. Auf ihre sofortige Beschwerde hebt das OLG diese Entscheidung auf und verweist die Sache zurück. Die Entscheidung des Gerichts
Die Beteiligten haben nach dem 29.1.2019 geheiratet. Deshalb sind für ihre güterrechtl. Rechtsbeziehungen die Bestimmungen der EuGüVO maßgeblich, Art. 69 Abs. 3, bei uns Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB. Bei einer Eheschließung vor diesem Stichtag würden dagegen weiterhin in Deutschland die „alten“ materiellen Rechtsvorschriften gelten, etwa Art. 15 EGBGB a.F., dann mit Verweis auf Art. 14 EGBGB a.F. mit der dortigen – ebenfalls – alten Anknüpfungsleiter (dazu Andrae in AnwKomm, Art. 14 EGBGB Rz. 2). Streitigkeiten um die Morgengabe seien, so das OLG, daher güterrechtlich zu qualifizieren, weil die EuGüVO dieses Ergebnis so vorgebe. Allerdings sei das dt.-iran. Niederlassungsabk. 1929 vorrangig, Art. 8 Abs. 3, vgl. dazu Art. 62 Abs. 1 EuGüVO, denn dort sei die Brautgabe/Morgengabe eingeschlossen (ausf. Martiny, ZfPW 2017, 1, 31). Inzwischen sei der Ehemann (auch) dt. Staatsangehöriger, so dass für die Zukunft das dt.-iran. Niederlassungsabk. als Grundlage ausscheide. Heranzuziehen seien vielmehr die allgemeinen bei uns geltenden Vorschriften. Ausnahmen seien lediglich für solche Ehewirkungen anzubringen, die bereits entstanden seien, also (etwa) für das Versprechen einer Morgengabe (dazu Hausmann/Odersky, Internat. Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2021, § 8 Rz. 11 und 31; § 9 Rz. 13). So solle „Rechtssicherheit“ hergestellt werden. Damit werde iranisches Recht weiterhin Grundlage. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts, wenn die EuGüVO selbst – wie das AG – meint, Grundlage würde. Grundsätzlich sei die Morgengabe einbezogen (anders bisher BGH v. 9.12.2009 – XII ZR 107/08, FamRZ 2010, 533 = FamRBint 2010, 25 [Mörsdorf-Schulte] mit einer ehewirkungsrechtlichen Qualifikation, Art. 14 EGBGB, nicht Art. 15 EGBGB (Güterrecht), insoweit Dutta, FamRZ 2019, 1390, 1394, aber noch zum „alten Recht“, nicht zur EuGüVO). Eine Rechtswahl der Eheleute fehle. Folglich sei objektiv über Art. 26 EuGüVO anzuknüpfen. Entscheidend werde somit (mit Vorrang) das Recht am ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort der Eheleute, der aber mit der Eheschließung in engem zeitlichem Zusammenhang stehen müsse, dazu schon Erwägungsgrund 49 S. 2 („kurz“) (vgl. Kemper in HK-BGB, 11. Aufl. 2021, Art. 26 EuGüVO Rz. 4; Kemper, FamRB 2019, 68, 71). Dabei seien vielleicht 6 Monate noch ausreichend (dazu Thorn in Grüneberg, Art. 26 EuGüVO Rz. 2), aber jedenfalls nicht 10 Monate. Mit zweiter Priorität werde daher die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung die Rechtsanwendung entscheidend, Art. 26 Abs. 1b EuGüVO. Für die Bewilligung von VKH dürften die Anforderungen ohnehin nicht zu hoch angesetzt werden. Jedenfalls erscheine die Forderung der Ehefrau nicht von vorneherein ausgeschlossen. Ihr Einkommen sei allerdings ebenso zu berücksichtigen (angeblich 1.253 € im Monat, aber weitere Zuwendungen seien ungeklärt) wie ihr Vermögen, wobei von einem Betrag von rund 10.000 € die Rede ist. Zu den Verhältnissen des Ehemannes fehlen Angaben.