OLG Frankfurt, Beschl. 22.1.2021 - 4 UF 84/20

Vorzeitiger Zugewinnausgleich bei unentgeltlicher Übertragung einer Immobilie auf gemeinsame Tochter

Autor: RA Dr. Walter Kogel, FAFamR, Dr. Kogel & Mast Familienanwälte, Aachen
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2021
1. Der Trennungszeitpunkt ist kein (zwischen-)feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 ZPO.2. Die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft kann verlangt werden, wenn die Zugewinnausgleichsforderung gefährdet ist, weil der ausgleichspflichtige Ehegatte sein Vermögen durch unentgeltliche Zuwendung eines Hausgrundstücks an die gemeinsame Tochter zu vermindern beabsichtigt.3. Der Antrag auf vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft ist mit einem Bruchteil von 25 % des zu erwartenden Zugewinnausgleichs zu bewerten.

BGB § 1365, § 1375, § 1385 Nr. 2, § 1386; ZPO § 256

Das Problem

Zwischen den Eheleuten ist seit 2020 das Scheidungsverfahren anhängig. Bereits 2018 hatte der Antragsteller, der keinen Zugewinn erzielt hat, einen Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich geltend gemacht. Anlass hierfür war, dass die Ehefrau unentgeltlich ein ihr gehörendes Grundstück mit Nießbrauchsvorbehalt an die gemeinsame Tochter übertragen wollte. Zusätzlich stellt er den Antrag festzustellen, dass der Trennungszeitpunkt der 27.1.2017 war. Die Antragsgegnerin beantragt Antragsabweisung und festzustellen, dass die Trennung erst am 18.7.2018 vollzogen wurde. Das AG hat den Anträgen des Antragstellers stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat bestätigt die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Beide Anträge auf Feststellung des Trennungszeitpunkts weist er allerdings als unzulässig zurück.

Die Frage, ob ein Beschluss über die Feststellung des Trennungszeitpunkts möglich sei, werde in Rechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich beurteilt. Zum Teil werde dies bejaht, anderenfalls die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zum Trennungszeitpunkt im Zuge eines Stufenverfahrens zum Zugewinnausgleich auftreten könnte (vgl. Bdb. OLG v. 10.8.2020 – 13 UF 172/17, NZFam 2020, 913; Bdb. OLG v. 12.12.2013 – 9 UF 112/13, NJW-RR 2014, 519 = FamRB 2014, 281; Thür. OLG v. 4.9.2017 – 1 UF 432/16, BeckRS 2017, 129341 Rz. 78; Viefhues in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1361 BGB Rz. 172; Oberländer, NZFam 2020, 918). Teilweise werde sogar angenommen, dass ohne eine verbindliche Zwischenfeststellung des Trennungszeitpunkts eine Verpflichtung, Auskunft über das Vermögen zum Trennungszeitpunkt zu erteilen, nicht zulässig sei (vgl. OLG Celle v. 23.7.2013 – 10 UF 74/12, FamRZ 2014, 326; ebenso Saarl. OLG v. 17.2.2014 – 6 WF 1/14). Demgegenüber ist der Senat mit einem großen Teil der Rechtsprechung und Literatur der Ansicht, dass das Getrenntleben i.S.d. § 1567 BGB kein Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO darstelle (vgl. OLG Koblenz v. 28.6.2017 – 13 UF 189/17, FamRZ 2018, 42 = FamRB 2017, 407; Koch in MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 1379 Rz. 53; Hoppenz, FamRZ 2010, 19; Kogel, Strategien beim Zugewinnausgleich, 6. Aufl., Rz. 474; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl., § 256 Rz. 10). Durch die beantragte Feststellung des Trennungszeitpunkts solle nicht die rechtliche Beziehung der Beteiligten zueinander festgestellt werden. Vielmehr solle nur die Vorfrage des Einsatzzeitpunkts dieses rechtlichen Zustands geklärt werden. Der Einsatzzeitpunkt des Getrenntlebens sei bloßes Element und tatsächliche Voraussetzung des Rechtsverhältnisses Getrenntleben. Er sei letztlich eine reine Tatsache. Über den Auskunftsanspruch hinaus ergäben sich keine weiteren unmittelbaren rechtlichen Folgen (so auch Bergschneider, FamRZ 2009, 1716). Zwar habe der Trennungszeitpunkt als Einsatzzeitpunkt für das Rechtsverhältnis des Getrenntlebens faktische Auswirkungen auf zahlreiche Trennungs- und Scheidungsfolgenansprüche. Damit bestehe zwar für eine separate Feststellung ein beachtliches Interesse. Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte allein rechtfertigten jedoch kein Absehen von den Voraussetzungen des § 256 ZPO.

Der Senat lässt offen, ob der vorzeitige Zugewinnausgleich vorliegend auf ein 3-jähriges Getrenntleben (§ 1385 Nr. 1 BGB) oder auf eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen (§ 1365, § 1385 Nr. 2 BGB) gestützt werden könne. Jedenfalls liege eine illoyale, unentgeltliche Verfügung vor. Diese rechtfertige gem. § 1375 Abs. 2 Nr. 1, § 1385 Nr. 2 BGB den vorzeitigen Zugewinn. Insbesondere handele es sich bei der Veräußerung der Immobilie nicht um eine Anstandsschenkung oder eine Pflichtzuwendung. Eine Übertragung von Grundbesitz an ehegemeinsame Kinder erfülle grundsätzlich nicht diesen Ausnahmetatbestand. Ohne innere Rechtfertigung mindere sie nur während der Ehe geschaffenes Vermögen zum Nachteil des anderen Ehegatten. Begünstigt werde durch die Schenkung ausschließlich die gemeinsame Tochter. Sie sei auf die Schenkung zur Gewährleistung ihres Lebensunterhalts nicht angewiesen. Zwar verbliebe der Antragsgegnerin mit dem dinglichen Wohnrecht noch ein wesentlicher Vermögenswert. Ohne Zustimmung der Tochter sei dieser aber monetär nicht verwertbar. Ein Einverständnis des Antragstellers zu dieser Verfügung liege ebensowenig vor. Eine von ihm früher erklärte Zustimmung sei jederzeit widerrufbar gewesen. Hiervon habe er Gebrauch gemacht. Schließlich sei auch eine Gefährdung der Zugewinnausgleichsansprüche des Antragstellers gegeben. Es seien keine sonstigen Vermögenswerte vorhanden, mit denen die Antragsgegnerin etwaige Zugewinnausgleichsansprüche befriedigen könne.

Der Gegenstandswert für die Festsetzung des vorzeitigen Zugewinnausgleichs sei mit einem Bruchteil von 25 % des zu erwartenden Zugewinnausgleichs zu bewerten. Für die Höhe des Betrags komme es auf die Wertvorstellung des Antragstellers bei Antragstellung an (§ 34 FamGKG).


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