OLG Frankfurt, Beschl. 8.10.2021 - 6 W 83/21

Zu § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG und zum Rechtsmissbrauch bei Mehrfachabmahnung

Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2022
Der getrennten Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen Konzernschwestergesellschaften wegen einer Produktausstattung steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen, wenn durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegen eine Gesellschaft im Ausland ein sachlicher Grund für ein getrenntes Vorgehen vorliegt.§ 14 Abs. 2 Satz 2 UWG ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur Zuwiderhandlungen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst sind. Lobt die Werbung für ein Kosmetikum die effektive „Beseitigung“ von Plaque-Bakterien aus, so liegt eine Irreführung des Verkehrs vor, wenn tatsächlich die Bakterienzahl nur reduziert wird. Als Hervorhebung nach Art. 19 KosmetikVO kann ausreichen, die betreffende Anschrift lediglich zu unterstreichen. Auch eine vollständige Firmierung (hier: mit Rechtsformzusatz) ist nicht erforderlich, soweit die verantwortliche Person eindeutig identifiziert werden kann.

KosmetikVO Artt. 19, 20; UWG §§ 3a, 8, 14 Abs. 2 S. 2

Das Problem

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Art der Bewerbung des Produkts „Chlorhexamed Tägliche Mundspülung“ der Antragsgegnerin; ihre Ansprüche macht sie in zwei getrennten Verfahren sowohl gegen die deutsche wie die in der Slowakei ansässige Konzerngesellschaft geltend. Die Ansprüche sind identisch bis auf den dritten Anspruch (Internetwerbung), der nur gegen die deutsche Antragsgegnerin gerichtet ist. Sie beanstandet die Bewerbung des Produkts mit der Aussage „beseitigt effektiv Plaque-Bakterien und bildet ein antibakterielles Schutzschild für 24 Stunden Zahnfleischschutz.“

Das LG hat den Antrag als unzulässig zurück gewiesen – es fehle an einem sachlichen Grund für die Verfahrenstrennung, insbesondere sei der Sitz im Ausland für den Antrag kein sachlicher Grund – Unterschiede könnten sich ja lediglich nach Erlass der Verfügung bei der Zustellung/Vollstreckung ergeben.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG hilft der Beschwerde der Antragstellerin teilweise ab.

Das LG sei – anders als die Antragsgegnerin meint – für die Entscheidung des Sachverhaltes zuständig. Denn das LG habe zu Recht § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG einschränkend dahin ausgelegt, dass er die freie Wahl des Gerichtsstandes nur für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten einschränkt. Denn die Vorschrift müsse im Lichte und Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG gelesen werden.

Der Antrag war entgegen der Ansicht des LG auch nicht rechtsmissbräuchlich nach § 8c Abs. 2 Nr. 7 UWG. Rechtsmissbrauch setze zwar lediglich ein Überwiegen sachfremder Ziele voraus (BGH, Vers.-Urt. v. 26.4.2018 – I ZR 248/16 – Abmahnaktion II, GRUR 2019, 199, Rz. 21). § 8c Abs. 2 UWG entbinde das Gericht aber nicht von der positiven Feststellung eines Rechtsmissbrauchs – denn es handele sich bei den Beispielsfällen des § 8c Abs. 2 UWG nicht um eine Vermutung sondern lediglich um die Anordnung einer Indizwirkung (OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.5.2021 – 6 W 23/21, GRUR-RS 2021, 14368, Rz. 29; BT-DrS. 19/22238, 17). Zwar könne ein Anhaltspunkt für missbräuchliches Verhalten das getrennte Verfolgen von Ansprüchen gegen Konzerngesellschaften sein (BGH, Urt. v. 6.4.2000 – I ZR 76/98 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung, GRUR 2000, 1089 [1091]). Der Sitz der Beklagten im Ausland (die wegen der unterschiedlichen Zustelldauer zu unterschiedlichen Zeitpunkten für Widersprüche und prozessualen Folgeproblemen führen könne) und die unsichere Zuständigkeit schlössen im vorliegenden Fall einen Rechtsmissbrauch jedoch aus.

In der Sache liege eine Irreführung i.S.v. Art. 20 KosmetikVO vor. Der Begriff „beseitigt“ werde – gerade im Zusammenhang mit der Behauptung einer „effektiven Entfernung“ werde vom Publikum dahingehend verstanden, dass die Plaque vollständig entfernt werde. Die von der insoweit beweisbelasteten (vgl. Bruggmann, LMuR 2010, 141 [145]) Antragsgegnerin vorgelegten Studien belegen aber lediglich eine Reduzierung der Plaque.

Dagegen liege kein Verstoß gegen Art. 19 KosmetikVO (Herstellerkennzeichnung). Nach Art. 19 sind Firma und Anschrift der verantwortlichen Person anzugeben, bei mehreren Adressen ist die Anschrift der verantwortlichen Person hervorzuheben. Daraus ergebe sich zunächst, dass es zulässig ist, mehrere Anschriften anzugeben. Es reiche als Hervorhebung nach Art. 19 KosmetikVO aus, wenn die betreffende Anschrift unterstrichen ist. Auch müsse der Firmenbestandteil „s.r.o.“ nicht angegeben werden, soweit die verantwortliche Person auch so eindeutig identifiziert werden kann.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „IP-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Urheber- / Medienrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme