OLG Frankfurt, Urt. 10.6.2020 - 6 U 46/18
Lizenzvertragsrecht: Zur Abgrenzung zwischen Gestattung und bloßer Duldung einer Markennutzung
Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS,von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2020
Eine Duldung liegt nur vor, wenn der Rechtsinhaber bei einer Rechtsverletzung untätig bleibt, obwohl ihm ein rechtliches Vorgehen möglich wäre. An das Vorliegen einer Gestattung der Markennutzung sind zwar strenge Anforderungen zu stellen; sie muss aber nicht schriftlich erfolgen und kann auch konkludent erteilt werden. Bei über 10-jähriger Laufzeit einer Gestattungsvereinbarung ist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende angemessen.
MarkenG § 21 Abs. 2, 4
Als die Klägerin den Kommissionsvertrag kündigt, erklärt sie zugleich die Kündigung des Gestattungsvertrags und untersagt die weitere Nutzung ihres Unternehmenskennzeichens.
Das LG gibt der Klägerin recht. Der Unterlassungsanspruch (§§ 5, 15 MarkenG) sei insbesondere nicht nach § 21 Abs. 2 MarkenG aufgrund 5-jähriger Duldung der Kennzeichennutzung verwirkt. Die Klägerin habe vielmehr konkludent die Zeichennutzung gestattet. Diese Gestattung habe sie – als Dauerschuldverhältnis – analog §§ 314, 580, 624, 793 BGB ordentlich kündigen dürfen. Die von ihr für die Kündigung vorgesehene Frist von sechs Monaten zum Monatsende sei bei einem seit 10 Jahren laufenden Gestattungsvertrag nicht zu kurz. Der Verwirkungszeitraum habe daher frühestens mit dem Wirksamwerden der Kündigung zum 30.11.2017 zu laufen begonnen.
Abgrenzung stillschweigende Duldung von (konkludenter) Gestattung: Eine Duldung liege nur vor, wenn der Rechtsinhaber die Rechtsverletzung hinnimmt, obwohl er dagegen vorgehen könne. Ein solches Vorgehen scheide aber aus, wenn er die Nutzung des Kennzeichens gestattet habe. Denn die Gestattung sei eine Willenserklärung, nämlich der Verzicht auf den Unterlassungsanspruch; einmal erklärt, hindert sie ein Vorgehen gegen den Nutzer aus Rechtsgründen. Da der Rechtsinhaber mit der Gestattung auf sein Recht nach § 14 MarkenG verzichte, seien strenge Anforderungen an das Vorliegen einer solchen Willenserklärung zu stellen, insbesondere muss der Wille zum Verzicht für das Gericht mit Bestimmtheit erkennbar sein. Die Zustimmung könne aber auch konkludent erklärt werden (BGH, Urt. v. 18.1.2012 – I ZR 17/11 – Honda Grauimport, GRUR 2012, 928, Rz. 15); hieran habe insbesondere die neue Rechtsprechung des BGH nichts geändert, wonach ein Lizenzvertrag schriftlich dokumentiert werden müsse (in diesem Sinn ausdrücklich BGH, Urt. v. 27.3.2013 – I ZR 93/12 – Baumann, GRUR 2013, 1150, Rz. 51). Denn dies gelte nur für den (echten) Lizenzvertrag, gerade nicht für die – lediglich schuldrechtliche – Gestattung.
Im vorliegenden Fall sprächen die Umstände für eine (konkludente) Gestattung. Die Klägerin habe den Laden 2 ursprünglich selbst betrieben, bevor sie ihn an eine Vorgängergesellschaft der Beklagten übergeben habe. Sie habe die Ladenkennzeichnung persönlich gesehen und sich ausdrücklich positiv dazu geäußert. Es überzeuge nicht, wenn die Beklagte über 10 Jahre eng als Kommissionsagentin mit der Klägerin zusammengearbeitet habe und jetzt geltend mache, sie habe während dieser gesamten Zeit das Unternehmenskennzeichen unerlaubt und damit markenverletzend benutzt.
MarkenG § 21 Abs. 2, 4
Das Problem
Die Beklagte betrieb über Jahre zwei Schuhläden in zwei Städten unter dem Unternehmenskennzeichen der Klägerin. Während sie die Ware für den ersten Laden von der Klägerin kaufte und im eigenen Namen weiter verkaufte, handelte sie beim Verkauf im zweiten Laden als Kommissionsagentin der Klägerin, verkaufte also im eigenen Namen, aber auf Rechnung der Klägerin. Kommissionsansprüche verrechneten die Parteien mit den Ansprüchen der Klägerin aus den Lieferungen für Laden 1.Als die Klägerin den Kommissionsvertrag kündigt, erklärt sie zugleich die Kündigung des Gestattungsvertrags und untersagt die weitere Nutzung ihres Unternehmenskennzeichens.
Das LG gibt der Klägerin recht. Der Unterlassungsanspruch (§§ 5, 15 MarkenG) sei insbesondere nicht nach § 21 Abs. 2 MarkenG aufgrund 5-jähriger Duldung der Kennzeichennutzung verwirkt. Die Klägerin habe vielmehr konkludent die Zeichennutzung gestattet. Diese Gestattung habe sie – als Dauerschuldverhältnis – analog §§ 314, 580, 624, 793 BGB ordentlich kündigen dürfen. Die von ihr für die Kündigung vorgesehene Frist von sechs Monaten zum Monatsende sei bei einem seit 10 Jahren laufenden Gestattungsvertrag nicht zu kurz. Der Verwirkungszeitraum habe daher frühestens mit dem Wirksamwerden der Kündigung zum 30.11.2017 zu laufen begonnen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Frankfurt bestätigt im Berufungsverfahren die Ansprüche der Klägerin der Klägerin.Abgrenzung stillschweigende Duldung von (konkludenter) Gestattung: Eine Duldung liege nur vor, wenn der Rechtsinhaber die Rechtsverletzung hinnimmt, obwohl er dagegen vorgehen könne. Ein solches Vorgehen scheide aber aus, wenn er die Nutzung des Kennzeichens gestattet habe. Denn die Gestattung sei eine Willenserklärung, nämlich der Verzicht auf den Unterlassungsanspruch; einmal erklärt, hindert sie ein Vorgehen gegen den Nutzer aus Rechtsgründen. Da der Rechtsinhaber mit der Gestattung auf sein Recht nach § 14 MarkenG verzichte, seien strenge Anforderungen an das Vorliegen einer solchen Willenserklärung zu stellen, insbesondere muss der Wille zum Verzicht für das Gericht mit Bestimmtheit erkennbar sein. Die Zustimmung könne aber auch konkludent erklärt werden (BGH, Urt. v. 18.1.2012 – I ZR 17/11 – Honda Grauimport, GRUR 2012, 928, Rz. 15); hieran habe insbesondere die neue Rechtsprechung des BGH nichts geändert, wonach ein Lizenzvertrag schriftlich dokumentiert werden müsse (in diesem Sinn ausdrücklich BGH, Urt. v. 27.3.2013 – I ZR 93/12 – Baumann, GRUR 2013, 1150, Rz. 51). Denn dies gelte nur für den (echten) Lizenzvertrag, gerade nicht für die – lediglich schuldrechtliche – Gestattung.
Im vorliegenden Fall sprächen die Umstände für eine (konkludente) Gestattung. Die Klägerin habe den Laden 2 ursprünglich selbst betrieben, bevor sie ihn an eine Vorgängergesellschaft der Beklagten übergeben habe. Sie habe die Ladenkennzeichnung persönlich gesehen und sich ausdrücklich positiv dazu geäußert. Es überzeuge nicht, wenn die Beklagte über 10 Jahre eng als Kommissionsagentin mit der Klägerin zusammengearbeitet habe und jetzt geltend mache, sie habe während dieser gesamten Zeit das Unternehmenskennzeichen unerlaubt und damit markenverletzend benutzt.