OLG Frankfurt, Urt. 18.4.2019 - 11 U 107/18
Veröffentlichung umfangreicher Zitate auf Onlineportal ist zulässig
Autor: Dr. Danjel-Philippe Newerla, Kanzlei Dr. Newerla, Bremerhaven
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2020
Umfangreiche Passagen aus einer öffentlichen Rede sind als zitierbare Sprachwerke anzusehen sind und dürfen in Online-Artikeln als solche veröffentlicht werden.
UrhG §§ 11, 51, 97 Abs. 1, 98; BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 1, 2
Die Verwendung der Rede-Passagen sei dem Grunde und Umfang nach vom Zitatrecht der Antragsgegnerin umfasst, so dass ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers nach § 97 Abs. 1 UrhG nicht bestehe. Zunächst handele es sich bei den Passagen um veröffentlichte Sprachwerke i S d § 51 UrhG, die der Zitierbarkeit fähig seien. Mit der freien Rede vor dem Publikum einer frei zugänglichen Veranstaltung sei das Sprachwerk mit Zustimmung des Antragstellers veröffentlicht (§ 6 Abs. 1 UrhG). Die Form der Vervielfältigung müsse zudem nicht der Form der Veröffentlichung entsprechen: § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG fordere insoweit nicht, dass ein verschriftlichtes Zitat vorher schriftlich veröffentlicht werden müsse (so aber das LG). Dies sei zum einen nicht dem Art. 5 Abs. 3 lit. b) der Richtlinie 2001/29/EG zu entnehmen, die nur eine vorige öffentliche Zugänglichmachung fordere. Zum anderen spreche die Systematik gegen ein solches Erfordernis, da dies in § 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG ausdrücklich geregelt ist, nicht aber in § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG.
Weiter sei auch der Umfang der zitierten Passagen vom Zitatzweck umfasst. Entscheidend sei das Verhältnis zwischen der Länge des Zitats (absoluter Maßstab) und dem Umfang des Werks (relativer Maßstab). Die ca. 3 Minuten Sprechzeit aus einem 3-stündigen Vortrag seien verhältnismäßig, da zum einen die verwendeten Zitate für den Artikel notwendig seien, damit sich der Leser mit dem Thema auseinandersetzen könne. Zum anderen sei der Umfang nicht auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Das Verwertungsrecht des Antragstellers werde dadurch aber nicht unzumutbar beeinträchtigt. Andere Interessen des Antragstellers, beruhend auf dem Selbstbestimmungsrecht zur Veröffentlichung (§ 12 Abs. 1 UrhG) oder seinem Persönlichkeitsrecht (§ 201 StGB, § 823 BGB in Verbindung mit den Art. 1, 2 GG), seien in der Gesamtabwägung nicht relevant, da § 51 UrhG diese Belange ausreichend berücksichtige.
UrhG §§ 11, 51, 97 Abs. 1, 98; BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 1, 2
Das Problem
Der Antragsteller ist Schriftsteller und hielt als Gastdozent an einer Universität eine für die Öffentlichkeit frei zugängliche Vorlesung von rund 3 Stunden. Die Antragsgegnerin ist ein Presseunternehmen und veröffentlichte tags drauf insgesamt 9 Passagen des Antragstellers aus der Vorlesung in einem Artikel auf ihrem Online-Portal. Der Umfang der Zitate macht circa 2 DIN-A-4-Seiten aus (circa 3 Minuten Sprechzeit). Das LG Frankfurt/M. untersagte der Antragsgegnerin die Vervielfältigung und Verbreitung der Zitate, wogegen sie sich mit der Berufung wendet.Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Frankfurt gab der Berufung der Antragsgegnerin statt.Die Verwendung der Rede-Passagen sei dem Grunde und Umfang nach vom Zitatrecht der Antragsgegnerin umfasst, so dass ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers nach § 97 Abs. 1 UrhG nicht bestehe. Zunächst handele es sich bei den Passagen um veröffentlichte Sprachwerke i S d § 51 UrhG, die der Zitierbarkeit fähig seien. Mit der freien Rede vor dem Publikum einer frei zugänglichen Veranstaltung sei das Sprachwerk mit Zustimmung des Antragstellers veröffentlicht (§ 6 Abs. 1 UrhG). Die Form der Vervielfältigung müsse zudem nicht der Form der Veröffentlichung entsprechen: § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG fordere insoweit nicht, dass ein verschriftlichtes Zitat vorher schriftlich veröffentlicht werden müsse (so aber das LG). Dies sei zum einen nicht dem Art. 5 Abs. 3 lit. b) der Richtlinie 2001/29/EG zu entnehmen, die nur eine vorige öffentliche Zugänglichmachung fordere. Zum anderen spreche die Systematik gegen ein solches Erfordernis, da dies in § 51 Satz 2 Nr. 3 UrhG ausdrücklich geregelt ist, nicht aber in § 51 Satz 2 Nr. 2 UrhG.
Weiter sei auch der Umfang der zitierten Passagen vom Zitatzweck umfasst. Entscheidend sei das Verhältnis zwischen der Länge des Zitats (absoluter Maßstab) und dem Umfang des Werks (relativer Maßstab). Die ca. 3 Minuten Sprechzeit aus einem 3-stündigen Vortrag seien verhältnismäßig, da zum einen die verwendeten Zitate für den Artikel notwendig seien, damit sich der Leser mit dem Thema auseinandersetzen könne. Zum anderen sei der Umfang nicht auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren. Das Verwertungsrecht des Antragstellers werde dadurch aber nicht unzumutbar beeinträchtigt. Andere Interessen des Antragstellers, beruhend auf dem Selbstbestimmungsrecht zur Veröffentlichung (§ 12 Abs. 1 UrhG) oder seinem Persönlichkeitsrecht (§ 201 StGB, § 823 BGB in Verbindung mit den Art. 1, 2 GG), seien in der Gesamtabwägung nicht relevant, da § 51 UrhG diese Belange ausreichend berücksichtige.