OLG Hamburg, Urt. 23.7.2020 - 5 U 18/14
Schutzfähigkeit und Beweislast bei Urheberrechten an Computerprogrammen
Autor: RAin Maria-Urania Dovas, LL.M., CSW Rechtsanwälte, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2020
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2020
Wer urheberrechtlichen Schutz für ein Computerprogramm beansprucht, muss im Prozess diejenigen Elemente darlegen, welche die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründen. Das Programm bzw. dessen Teile, aus denen das Urheberrecht abgeleitet wird, sind klar zu definieren und es ist darzulegen und ggf. zu beweisen, welche schutzfähigen Werke bzw. Werkteile der Anspruchsteller geschaffen hat und inwieweit Gestaltungsspielräume bei der Erstellung des Computerprogramms vorhanden waren. Aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast ergibt sich nicht die Vorlagepflicht bzgl. Urkunden oder elektronischen Dokumenten, wenn bereits Beschreibungen vorgelegt worden sind.
UrhG §§ 69a, 69c, 97 Abs. 1, 101a; ZPO §§ 138 Abs. 2, 144, 253 Abs. 2 Nr. 2, 256, 286, 308, 371, 422, 531, 890
Beweislast: Bei der negativen Feststellungsklage müsse der Feststellungskläger lediglich beweisen, dass sich die Gegenseite eines Anspruchs aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts berühme. Dem Anspruchsteller obliege der Beweis derjenigen Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleite. Der Auftragnehmer nehme vorliegend für sich aufgrund behaupteter Entwicklungsarbeiten an dem Computerprogramm ein Miturheberrecht in Anspruch. Dafür sei er beweisbelastet.
Urheberrechtlich geschützter Beitrag: Derjenige, der urheberrechtlichen Schutz beanspruche, müsse im Prozess diejenigen Elemente darlegen, welche die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründen. Das Computerprogramm bzw. dessen Teile, aus denen das Urheberrecht abgeleitet werde, seien klar zu definieren. Wer sich auf Urheberrechte berufe, habe darzulegen und ggf. zu beweisen, welche schutzfähigen Werke bzw. Werkteile er geschaffen habe. Eine verständliche Beschreibung seines Programms/Programmteils sei vorzulegen. Die Darlegung der Schutzfähigkeit erfordere Vortrag, inwieweit Gestaltungsspielräume bei der Erstellung des Computerprogramms vorhanden gewesen seien. Wesentliche Befehlsstrukturen des fertigen Programms müssten erkennbar sein. An diesen Darlegungen fehle es insoweit. Es sei auch nicht hinreichend aufgezeigt, dass es sich bei den Leistungen des Auftragnehmers um Vorstufen des späteren Computerprogramms handle, die eine ausreichende Darstellung des Befehls- und Informationsablaufs enthielten, um hieraus das fertige Programm ableiten zu können.
Entwicklungsleistungen: Urheber der Software könne nur derjenige sein, der bestimmte von ihm selbst entwickelte oder von dritter Seite vorgegebene Aufgabenstellungen in ein Computerprogramm umsetzt. Derjenige, der die Aufgabe stelle und die Anforderungen vorgebe, sei nicht gleichzeitig Urheber des Programms. Nur spezielle Computerprogramme seien urheberrechtsfähig geschützt; es werde darauf abgestellt, dass sich eine eigene geistige Schöpfung des Betreffenden gerade als Computerprogramm niederschlägt. Jemand, der selbst keinerlei Befehlsstrukturen eigenverantwortlich vorgegeben habe, könne nicht Urheber, auch nicht nur Miturheber sein. Dies gelte auch dann, wenn dessen intellektuelle Vorarbeiten den Erfolg der Programmiertätigkeit erst ermöglicht hätten. Der Auftragnehmer habe zwar erhebliche Ideen zur Gesamtfunktionsfähigkeit der Software eingebracht, diese seien aber nach § 69a Abs. 2 Satz 2 UrhG nicht schutzfähig.
Keine Pflicht zur Datenträgervorlage: Für die Behauptung, in dem streitgegenständlichen Programm seien Programmteile enthalten gewesen, an denen der Auftragnehmer Urheberrechte habe, obliege diesem die Darlegung- und Beweislast. Die Leasinggesellschaft müsse auch nicht aufgrund ihr obliegender sekundärer Darlegungslast die Software, die den Widerklageanträgen zugrunde liege, auf Datenträgern vorlegen. Aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast ergebe sich grundsätzlich keine Vorlagepflicht von Urkunden oder elektronischen Dokumenten. Außerdem sei keine Partei verpflichtet, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob es dem Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast ausnahmsweise zuzumuten sei, dem Beweispflichtigen eine prozessordnungsgemäße Darlegung zu ermöglichen.
Kein Verbietungsanspruch: Da nicht habe festgestellt werden können, dass eine urheberrechtliche Berechtigung des Softwareunternehmens oder seines Geschäftsführers an der streitgegenständlichen Software gegeben sei, könnten sie der Gesellschaft nicht untersagen, die Software zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder in Netzwerken einzusetzen.
Urheberrechtliche Schutzfähigkeit einer Schnittstelle: Auch Schnittstellen werde Schutz gewährt, soweit es nicht lediglich um die ihnen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze gehe. Zudem seien auch Werkteile urheberrechtlich geschützt, wenn sie für sich allein betrachtet persönliche geistige Schöpfungen darstellten.
Besichtigung des Quellcodes: Bei Verletzungen wäre eventuell der Quellcode vorzulegen bzw. zu besichtigen und vergleichen. Der Beweisantritt: „Sachverständigengutachten (Besichtigung des Quellcodes)“ reiche für einen sondergesetzlichen Besichtigungsanspruch, den § 101a Abs. 1 UrhG gewähre, jedoch nicht aus. Das Beweisthema sei nicht hinreichend konkret angegeben.
UrhG §§ 69a, 69c, 97 Abs. 1, 101a; ZPO §§ 138 Abs. 2, 144, 253 Abs. 2 Nr. 2, 256, 286, 308, 371, 422, 531, 890
Das Problem
Eine Leasinggesellschaft für Investitionsgüter nutzt eine für sie entwickelte Anwendungssoftware, die der Durchführung und Verwaltung von Leasinggeschäften dient. Sie vertreibt die Anwendungssoftware auch an andere Unternehmen der Leasingbranche. Die Gesellschaft beauftragte ein Softwareunternehmen, eine Zusammenarbeit ihrer Anwendungssoftware einerseits und des Textprogramms und der Software des Auftragnehmers andererseits zu ermöglichen. Streitig war zwischen den Parteien, ob die entwickelte Software fest in die Anwendungssoftware integriert oder durch eine Schnittstelle angebunden ist. Die Leasinggesellschaft begehrt die Feststellung, dass der Auftragnehmer ihr bestimmte Nutzungen der Software nicht untersagen kann, dieser begehrt widerklagend, der Leasinggesellschaft die Verbreitung der Software mit und ohne Nutzung seines Programms zu untersagen.Die Entscheidung des Gerichts
Die Berufung gegen das die Widerklage abweisenden Urteil des LG bleibt ohne Erfolg. Der Feststellungsklage sei zurecht stattgegeben worden. Es sei nicht dargetan und nicht hinreichend unter Beweis gestellt, dass dem Auftragnehmer ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1, 69a, 69c UrhG in Bezug auf das streitgegenständliche Computerprogramm zustehe.Beweislast: Bei der negativen Feststellungsklage müsse der Feststellungskläger lediglich beweisen, dass sich die Gegenseite eines Anspruchs aufgrund eines bestimmten Lebenssachverhalts berühme. Dem Anspruchsteller obliege der Beweis derjenigen Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleite. Der Auftragnehmer nehme vorliegend für sich aufgrund behaupteter Entwicklungsarbeiten an dem Computerprogramm ein Miturheberrecht in Anspruch. Dafür sei er beweisbelastet.
Urheberrechtlich geschützter Beitrag: Derjenige, der urheberrechtlichen Schutz beanspruche, müsse im Prozess diejenigen Elemente darlegen, welche die Urheberrechtsschutzfähigkeit begründen. Das Computerprogramm bzw. dessen Teile, aus denen das Urheberrecht abgeleitet werde, seien klar zu definieren. Wer sich auf Urheberrechte berufe, habe darzulegen und ggf. zu beweisen, welche schutzfähigen Werke bzw. Werkteile er geschaffen habe. Eine verständliche Beschreibung seines Programms/Programmteils sei vorzulegen. Die Darlegung der Schutzfähigkeit erfordere Vortrag, inwieweit Gestaltungsspielräume bei der Erstellung des Computerprogramms vorhanden gewesen seien. Wesentliche Befehlsstrukturen des fertigen Programms müssten erkennbar sein. An diesen Darlegungen fehle es insoweit. Es sei auch nicht hinreichend aufgezeigt, dass es sich bei den Leistungen des Auftragnehmers um Vorstufen des späteren Computerprogramms handle, die eine ausreichende Darstellung des Befehls- und Informationsablaufs enthielten, um hieraus das fertige Programm ableiten zu können.
Entwicklungsleistungen: Urheber der Software könne nur derjenige sein, der bestimmte von ihm selbst entwickelte oder von dritter Seite vorgegebene Aufgabenstellungen in ein Computerprogramm umsetzt. Derjenige, der die Aufgabe stelle und die Anforderungen vorgebe, sei nicht gleichzeitig Urheber des Programms. Nur spezielle Computerprogramme seien urheberrechtsfähig geschützt; es werde darauf abgestellt, dass sich eine eigene geistige Schöpfung des Betreffenden gerade als Computerprogramm niederschlägt. Jemand, der selbst keinerlei Befehlsstrukturen eigenverantwortlich vorgegeben habe, könne nicht Urheber, auch nicht nur Miturheber sein. Dies gelte auch dann, wenn dessen intellektuelle Vorarbeiten den Erfolg der Programmiertätigkeit erst ermöglicht hätten. Der Auftragnehmer habe zwar erhebliche Ideen zur Gesamtfunktionsfähigkeit der Software eingebracht, diese seien aber nach § 69a Abs. 2 Satz 2 UrhG nicht schutzfähig.
Keine Pflicht zur Datenträgervorlage: Für die Behauptung, in dem streitgegenständlichen Programm seien Programmteile enthalten gewesen, an denen der Auftragnehmer Urheberrechte habe, obliege diesem die Darlegung- und Beweislast. Die Leasinggesellschaft müsse auch nicht aufgrund ihr obliegender sekundärer Darlegungslast die Software, die den Widerklageanträgen zugrunde liege, auf Datenträgern vorlegen. Aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast ergebe sich grundsätzlich keine Vorlagepflicht von Urkunden oder elektronischen Dokumenten. Außerdem sei keine Partei verpflichtet, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Es sei im Einzelfall zu prüfen, ob es dem Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast ausnahmsweise zuzumuten sei, dem Beweispflichtigen eine prozessordnungsgemäße Darlegung zu ermöglichen.
Kein Verbietungsanspruch: Da nicht habe festgestellt werden können, dass eine urheberrechtliche Berechtigung des Softwareunternehmens oder seines Geschäftsführers an der streitgegenständlichen Software gegeben sei, könnten sie der Gesellschaft nicht untersagen, die Software zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder in Netzwerken einzusetzen.
Urheberrechtliche Schutzfähigkeit einer Schnittstelle: Auch Schnittstellen werde Schutz gewährt, soweit es nicht lediglich um die ihnen zugrunde liegenden Ideen und Grundsätze gehe. Zudem seien auch Werkteile urheberrechtlich geschützt, wenn sie für sich allein betrachtet persönliche geistige Schöpfungen darstellten.
Besichtigung des Quellcodes: Bei Verletzungen wäre eventuell der Quellcode vorzulegen bzw. zu besichtigen und vergleichen. Der Beweisantritt: „Sachverständigengutachten (Besichtigung des Quellcodes)“ reiche für einen sondergesetzlichen Besichtigungsanspruch, den § 101a Abs. 1 UrhG gewähre, jedoch nicht aus. Das Beweisthema sei nicht hinreichend konkret angegeben.