OLG Hamm, Beschl. 9.6.2022 - 4 UF 167/20

Trennungsunterhalt bei Aufhebung der Ehe

Autor: VorsRiOLG Dr. Regina Bömelburg, Köln
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2023
Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB besteht auch bei Aufhebung der Ehe. Die Verfahrensbeistandschaft eines Elternteils für den Kindesunterhalt nach § 1629 BGB besteht auch bei einer bigamistischen Ehe, die später aufgehoben wird.

BGB § 1318, § 1361, § 1579 Nr. 2–8, § 1629

Das Problem

Aus der im Jahr 2010 geschlossenen Ehe der Beteiligten sind die im Jahr 2010 und 2013 geborenen Kinder hervorgegangen. Die Beteiligten trennten sich im Jahr 2015. Für den Antragsgegner war es die dritte Ehe. Seine erste im Jahr 1993 geschlossene Ehe, die der Antragsgegner bewusst nicht im Personenstandsregister angemeldet hatte, wurde erst im Jahr 2020 geschieden. Seine zweite, im Jahr 1998 geschlossene Ehe, war im Jahr 2002 geschieden worden. Die Ehe der Beteiligten wurde nicht geschieden, sondern auf Antrag der Antragstellerin durch einen seit dem 26.3.2019 rechtskräftigen Beschluss aufgehoben.

Die Antragstellerin, die 35 Wochenstunden in der Praxis ihres Vaters tätig ist und zeitweise mietfrei in einer Wohnung ihrer Mutter gewohnt hat, macht Trennungsunterhalt ab März 2017 und Kindesunterhalt in Verfahrensstandschaft in einer den anerkannten Mindestunterhalt übersteigenden Höhe ab Januar 2017 geltend. Sie habe erst nach der Hochzeit erfahren, dass es die dritte Ehe des Antragsgegners gewesen und die erste Ehe nicht geschieden worden sei.

Der Antragsgegner macht geltend, die Antragstellerin habe Kenntnis von der ersten Ehe gehabt. Er ist der Auffassung, die Antragstellerin müsse vollschichtig arbeiten. Ihr sei ein Wohnvorteil zuzurechnen. Er wendet weiter Verwirkung nach § 1579 Nr. 2–8 BGB wegen verschiedener Umstände ein. Der Antragsgegner ist ferner der Auffassung, seine Abfindung i.H.v. 38.426,10 € netto sei bei der Ermittlung seiner Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen.

Das AG hat nach Beweisaufnahme zur Kenntnis der Antragstellerin zu der Doppelehe den Anträgen der Antragstellerin überwiegend stattgegeben und Verwirkung verneint. Mit seiner Beschwerde wiederholt der Antragsgegner seine Einwendungen und begehrt eine Zurückweisung der Anträge der Antragstellerin.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist die Beschwerde des Antragsgegners zurück. Zur Begründung führt es aus, die Antragstellerin habe keine Kenntnis von der Doppelehe gehabt. Sie genüge ihrer Erwerbsobliegenheit. Ein Wohnvorteil sei nicht anzurechnen. Umstände, die eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die Abfindung sei zu Recht berücksichtigt worden.


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