OLG Karlsruhe, Beschl. 4.12.2023 - 5 UF 48/23

Abschlag für Zweckerreichung bei Zuwendungsrückforderung von Schwiegereltern

Autor: DirAG Andreas Frank, Cuxhaven
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 05/2024
Bei der Bemessung eines Anspruchs von Schwiegereltern wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer ehebezogenen Schenkung nach Trennung des Schwiegerkindes vom Kind der Schenkenden ist für die Zeit zwischen Zuwendung und Scheitern der Ehe ein Abschlag für Zweckerreichung vorzunehmen, dessen Höhe nicht nach einem festen Berechnungsmodell zu bemessen ist, sondern nach den Umständen des Einzelfalls.

BGB § 313 Abs. 1, § 516 Abs. 1

Das Problem

M und F heirateten 2003, bekamen zwei Kinder und wohnten ab 2005 zur Miete in einem den Eltern von M – also den Schwiegereltern von F (im Folgenden: S) – gehörenden Haus. Am 12.8.2013 übertrugen S das Grundstück zu je hälftigem Miteigentum an M und F, und zwar gegen Übernahme einer Grundschuld von 90.000 € (im Vertrag als „Kaufpreis“ bezeichnet). Der Verkehrswert des Grundstücks betrug seinerzeit 390.000 €. Am 24.7.2017 trennten sich die Eheleute, F zog aus dem Familienheim aus. 2019 wurde F von S zunächst zur Zahlung von 103.600 € aufgefordert, später erhöhten sie ihre Forderung auf 135.305 €.

Das FamG verpflichtet F, an S 60.000 € zu zahlen. Sowohl S als auch F legen Beschwerde gegen die Entscheidung ein.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG weist mit ausführlicher Begründung auf seine Einschätzung der Rechtslage hin und schlägt den Beteiligten vor, sich auf eine Zahlung der F an die S von 120.000 € zu verständigen. Trotz eines „Kaufpreises“ von 90.000 € liege eine (gemischte) ehebezogene Schenkung vor, deren Geschäftsgrundlage durch das Scheitern der Ehe von M und F gestört sei. Für die Frage, welche Vorstellungen Schwiegereltern mit einer solchen Zuwendung verbänden, komme es auf die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls an. Das OLG geht dabei davon aus, dass S die Immobilie in der Erwartung übertragen haben, die Beziehung von M und F werde dauerhaft oder zumindest langjährig Bestand haben. Nach Scheitern der Ehe sei S das Festhalten am Vertrag nicht zumutbar, so dass dieser anzupassen sei. Dabei wendet das OLG die üblichen Kriterien der Anspruchsbemessung an (dazu Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl., Rz. 1002 ff.), geht für die Ermittlung des sog. „Abschlags für teilweise Zweckerreichung“ allerdings einen eigenen Weg. Unter ausführlicher Diskussion und Ablehnung der in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Berechnungsmodelle nimmt es an, dass der Schenkung nach den Umständen des Einzelfalls ein „Zeithorizont“ von 25 Jahren zugrunde lag, zumal, so die Entscheidungsgründe, die S eine nach diesem Zeitpunkt liegende Trennung von M und F nach ihrer statistischen Lebenserwartung nicht mehr erlebt hätten. So gelangt das OLG zu einem Abschlag von 20 % und einem Anspruch von 120.000 € (0,8 x (390.000 € Grundstückswert – 90.000 € Gegenleistung) / 2). Entgegen der üblichen Vorgehensweise stellt das OLG für den Zeitpunkt des störenden Ereignisses nicht auf die endgültige Trennung der Ehegatten bei Auszug der F aus dem Familienheim ab (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 8. Aufl., Rz. 1284 m.w.N.), sondern auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Das mag den Umständen des Einzelfalls geschuldet sein.


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