OLG Karlsruhe, Urt. 27.5.2020 - 6 U 36/20
Unzulässige geschäftliche Handlung eines für Facebook tätigen Fakten-Check-Dienstleisters
Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 12/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 12/2020
Der von Facebook entgeltlich beauftragte Faktenprüfer, der bei einem Beitrag eines Nachrichtenmagazins die Hinweise „Fact-Check“ und „Behauptungen teils falsch“ anbringt und dabei sein eigenes Magazin verlinkt, nimmt eine geschäftliche Handlung vor. Er schafft durch diese Handlung ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu dem Betroffenen, das ihn zum Mitbewerber macht. Die Hinweise erwecken beim Nutzer die Erwartung, die Faktenprüfung beziehe sich auf den Beitrag, mit dem sie auf der sozialen Plattform untrennbar verbunden sind. Wird diese Erwartung enttäuscht, weil nur auf Wertungsfragen eingegangen wird und im Mittelpunkt der Kritik nicht der Beitrag selbst, sondern dort in Bezug genommene Äußerungen Dritter stehen, liegt eine nicht hinzunehmende Herabsetzung vor.
UWG §§ 2 Nr. 3, 4 Nr. 1, 8 Abs. 3 Nr. 1, 12 Abs. 2
Fact-Check-Hinweis als geschäftliche Handlung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG:
Die Beklagte könne sich als Medienorgan auf die Presse- Rundfunk- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG berufen. Ein redaktioneller Beitrag könne demnach nicht als geschäftliche Handlung qualifiziert werden, wenn er allein der Information und Meinungsbildung der Adressaten diene. Sei in dem Beitrag dagegen zumindest auch das Ziel der Absatzwerbung und -förderung erkennbar, handle es sich um eine geschäftliche Handlung. Ein solcher Zusammenhang mit der Absatzwerbung könne u.A. darin liegen, dass dem Leser der Eindruck vermittelt wird, der Urheber des Beitrags sei ein besonders seriöser Anbieter. Auf dieser Grundlage handle es sich bei dem Fact-Check-Hinweis um eine geschäftliche Handlung. Es müsse zwischen der Tätigkeit der Beklagten als „Faktenprüferin“ und ihrer sonstigen publizistischen Tätigkeit unterschieden werden. Die Beklagte selbst habe diese Trennung vorgenommen, indem sie die Arbeit auf Facebook dem „Zweckbetrieb“ zugeordnet und die Verwendung von Spendengeldern für diesen Arbeitsbereich ausgeschlossen habe. Bei Fact-Check-Hinweisen erhalte die Beklagte zudem eine Aufwandsentschädigung und sei inhaltlich und formell an Vorgaben durch Facebook gebunden. Die Tätigkeit könne mithin als entgeltliche Prüfungs- und Bewertungstätigkeit charakterisiert werden. Zwar müsse auch hier der Umstand, dass in dem Beitrag ein öffentlich diskutiertes Thema aufgearbeitet wird, berücksichtigt werden, das allein genüge aber nicht um den Beitrag der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle zu entziehen. Schließlich profitiere die Beklagte in zweierlei Hinsicht von dem Hinweis: Zum einen erhalte sie die im Kooperationsvertrag vereinbarte Aufwandsentschädigung, zum anderen wirke der Hinweis als Werbung für die Beklagte, da ihre Position als „Faktenprüferin“ geeignet sei, sie als besonders seriösen Anbieter auszuweisen. Auch steige durch das Einblenden von Spendenaufrufen die Wahrscheinlichkeit, dass die Beklagte höhere Einnahmen generiere.
Geschäftliche Handlung unter Mitbewerbern: Die Klägerin sei gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert. Vorliegend sei ein Mitbewerberverhältnis zwar nicht darin zu sehen, dass die Parteien verschiedene Ansichten über Fragen des Klimawandels vertreten, denn die Konkurrenz der Meinungen sei der Kontrolle – aufgrund Art. 5 GG – weitgehend entzogen. Das gelte jedoch nicht für den Wettbewerb um die Verbreitung von Publikationen unter Medienunternehmen. Dieser Aspekt sei nämlich maßgeblich um Einnahmen zu generieren. Insofern sei der in Frage stehende Hinweis der Beklagten auf Facebook einerseits geeignet, die Verbreitung des Eintrags der Klägerin zu behindern und fördere andererseits den Absatz der Beklagten. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten sei vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen dem Betreiber einer Website und dem Anbieter eines Spam-Filters oder eines Werbeblockers.
Unlauterkeit des Hinweises:
Der streitgegenständliche Hinweis sei unlauter, da er die Dienstleistung und Tätigkeit der Klägerin gem. § 4 Nr. 1 UWG herabsetze. Ob eine herabsetzende Äußerung vorliege, beurteile sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände nach dem Sinngehalt der Äußerung im Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise. In diesem Rahmen sei auch der Gesamtzusammenhang und die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen. Unerheblich seien dagegen die Vorstellungen und Absichten des Handelnden. Nach diesen Grundsätzen biete die Äußerung der Beklagten für sich genommen keinen Anlass für Beanstandungen, da es sich lediglich um eine zulässige Meinungsäußerung handle, die ein Thema von allgemeinem Interesse behandle. Eine nicht hinzunehmende Herabsetzung der Äußerung der Klägerin liege aber in der Art der Darstellung auf Facebook. Diese werde bei den angesprochenen Facebook-Nutzern dahingehend missverstanden, dass sich die Überprüfung durch den „Faktencheck“ auf den Artikel der Klägerin bezogen habe. Es werde jedoch nicht die Berichterstattung durch die Klägerin, sondern der „offene Brief“ selbst einer Faktenprüfung unterzogen. Zwar sei die Berichterstattung mit „500 Wissenschaftler“ betitelt worden, während sich die Verfasser des offenen Briefes selbst als „scientists and researchers“ bezeichneten, jedoch sei eine Verkürzung und Zuspitzung i.R.v. Überschriften üblich und unerlässlich. Zwar könne das Missverständnis bei Anklicken beider Links und durchlesen beider Beiträge behoben werden, es sei jedoch nicht zu erwarten, dass eine Mehrzahl der Nutzer so vorgehen werden. Jedenfalls sei die gem. § 5 Abs. 1 UWG erforderliche Irreführungsquote überschritten, wenn auf durchschnittliche Facebook-Nutzer abgestellt werde. Überdies erwecke die Kennzeichnung als „Fact-Check“ den Eindruck, dass vorrangig Tatsachenbehauptungen (Facts) infrage stünden. Tatsächlich handle es sich bei dem Bericht der Beklagten um eine wertende Stellungnahme. Die Bezeichnung als „Faktenprüferin“ indiziere eine erhöhte Kompetenz und Neutralität der Beklagten. Auf diese Weise würden die Äußerungen der Beklagten und die Einträge „einfacher Nutzer“ in ein Hierarchieverhältnis gestellt. Im Wettbewerb der Meinungen gelte für den Staat jedoch eine besondere Neutralitätspflicht die im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch im Lauterkeitsrecht Wirkung entfalte, und daher auch Facebook und die Beklagte binde.
UWG §§ 2 Nr. 3, 4 Nr. 1, 8 Abs. 3 Nr. 1, 12 Abs. 2
Das Problem
Die Klägerin publiziert im Internet ein auch in Printform erscheinendes Magazin. In einem Aufsatz wird über einen „offenen Brief“ von 500 Wissenschaftlern zum Klimawandel berichtet. Über Facebook bewarb die Klägerin diesen Artikel durch das Posten eines Anreißers mit entsprechendem Link auf die Veröffentlichung. Die Beklagte ist eine gemeinnützige Gesellschaft die ein Recherchezentrum betreibt, dass journalistisch-redaktionelle Artikel veröffentlicht. Beide Parteien sind spendenfinanziert. Die Beklagte betreibt zusätzlich zu ihrer redaktionellen Tätigkeit auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung einen „Faktencheck“ für Facebook. Der über Facebook beworbene Artikel der Klägerin war Gegenstand eines solchen Faktenchecks und wurde von der Beklagten als „teils falsch“ bewertet. Dieses Ergebnis wurde unter dem „Infos zu diesem Content“ – Buttom der Anzeige der Klägerin auf Facebook mit dem Zusatz: „Nein: Es sind nicht ‚500 Wissenschaftler’“ dauerhaft eingeblendet. In einem verlinkten Beitrag der Beklagten wurde diese Bewertung – unter Einblendung von Spendenaufrufen für die Beklagte – erläutert. Es wurde bezweifelt, ob es sich bei den 500 beteiligten Personen tatsächlich um „Wissenschaftler“ handle, zudem wurden sechs Behauptungen aus dem „offenen Brief“ einer Prüfung unterzogen und die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit als „sehr gering“ eingestuft. Die Klägerin beanstandet, dass die Verknüpfung des Fact-Check-Hinweises und des Beitrags der Beklagten mit ihrer Anzeige eine unlautere geschäftliche Handlung sei. Vor dem LG Mannheim fordert die Klägerin die Beklagte dazu auf, die Verknüpfung in der dargestellten Weise zu unterlassen. Das LG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin.Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Karlsruhe gab der Berufung der Klägerin statt.Fact-Check-Hinweis als geschäftliche Handlung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG:
Die Beklagte könne sich als Medienorgan auf die Presse- Rundfunk- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG berufen. Ein redaktioneller Beitrag könne demnach nicht als geschäftliche Handlung qualifiziert werden, wenn er allein der Information und Meinungsbildung der Adressaten diene. Sei in dem Beitrag dagegen zumindest auch das Ziel der Absatzwerbung und -förderung erkennbar, handle es sich um eine geschäftliche Handlung. Ein solcher Zusammenhang mit der Absatzwerbung könne u.A. darin liegen, dass dem Leser der Eindruck vermittelt wird, der Urheber des Beitrags sei ein besonders seriöser Anbieter. Auf dieser Grundlage handle es sich bei dem Fact-Check-Hinweis um eine geschäftliche Handlung. Es müsse zwischen der Tätigkeit der Beklagten als „Faktenprüferin“ und ihrer sonstigen publizistischen Tätigkeit unterschieden werden. Die Beklagte selbst habe diese Trennung vorgenommen, indem sie die Arbeit auf Facebook dem „Zweckbetrieb“ zugeordnet und die Verwendung von Spendengeldern für diesen Arbeitsbereich ausgeschlossen habe. Bei Fact-Check-Hinweisen erhalte die Beklagte zudem eine Aufwandsentschädigung und sei inhaltlich und formell an Vorgaben durch Facebook gebunden. Die Tätigkeit könne mithin als entgeltliche Prüfungs- und Bewertungstätigkeit charakterisiert werden. Zwar müsse auch hier der Umstand, dass in dem Beitrag ein öffentlich diskutiertes Thema aufgearbeitet wird, berücksichtigt werden, das allein genüge aber nicht um den Beitrag der lauterkeitsrechtlichen Kontrolle zu entziehen. Schließlich profitiere die Beklagte in zweierlei Hinsicht von dem Hinweis: Zum einen erhalte sie die im Kooperationsvertrag vereinbarte Aufwandsentschädigung, zum anderen wirke der Hinweis als Werbung für die Beklagte, da ihre Position als „Faktenprüferin“ geeignet sei, sie als besonders seriösen Anbieter auszuweisen. Auch steige durch das Einblenden von Spendenaufrufen die Wahrscheinlichkeit, dass die Beklagte höhere Einnahmen generiere.
Geschäftliche Handlung unter Mitbewerbern: Die Klägerin sei gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert. Vorliegend sei ein Mitbewerberverhältnis zwar nicht darin zu sehen, dass die Parteien verschiedene Ansichten über Fragen des Klimawandels vertreten, denn die Konkurrenz der Meinungen sei der Kontrolle – aufgrund Art. 5 GG – weitgehend entzogen. Das gelte jedoch nicht für den Wettbewerb um die Verbreitung von Publikationen unter Medienunternehmen. Dieser Aspekt sei nämlich maßgeblich um Einnahmen zu generieren. Insofern sei der in Frage stehende Hinweis der Beklagten auf Facebook einerseits geeignet, die Verbreitung des Eintrags der Klägerin zu behindern und fördere andererseits den Absatz der Beklagten. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten sei vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen dem Betreiber einer Website und dem Anbieter eines Spam-Filters oder eines Werbeblockers.
Unlauterkeit des Hinweises:
Der streitgegenständliche Hinweis sei unlauter, da er die Dienstleistung und Tätigkeit der Klägerin gem. § 4 Nr. 1 UWG herabsetze. Ob eine herabsetzende Äußerung vorliege, beurteile sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände nach dem Sinngehalt der Äußerung im Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise. In diesem Rahmen sei auch der Gesamtzusammenhang und die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen. Unerheblich seien dagegen die Vorstellungen und Absichten des Handelnden. Nach diesen Grundsätzen biete die Äußerung der Beklagten für sich genommen keinen Anlass für Beanstandungen, da es sich lediglich um eine zulässige Meinungsäußerung handle, die ein Thema von allgemeinem Interesse behandle. Eine nicht hinzunehmende Herabsetzung der Äußerung der Klägerin liege aber in der Art der Darstellung auf Facebook. Diese werde bei den angesprochenen Facebook-Nutzern dahingehend missverstanden, dass sich die Überprüfung durch den „Faktencheck“ auf den Artikel der Klägerin bezogen habe. Es werde jedoch nicht die Berichterstattung durch die Klägerin, sondern der „offene Brief“ selbst einer Faktenprüfung unterzogen. Zwar sei die Berichterstattung mit „500 Wissenschaftler“ betitelt worden, während sich die Verfasser des offenen Briefes selbst als „scientists and researchers“ bezeichneten, jedoch sei eine Verkürzung und Zuspitzung i.R.v. Überschriften üblich und unerlässlich. Zwar könne das Missverständnis bei Anklicken beider Links und durchlesen beider Beiträge behoben werden, es sei jedoch nicht zu erwarten, dass eine Mehrzahl der Nutzer so vorgehen werden. Jedenfalls sei die gem. § 5 Abs. 1 UWG erforderliche Irreführungsquote überschritten, wenn auf durchschnittliche Facebook-Nutzer abgestellt werde. Überdies erwecke die Kennzeichnung als „Fact-Check“ den Eindruck, dass vorrangig Tatsachenbehauptungen (Facts) infrage stünden. Tatsächlich handle es sich bei dem Bericht der Beklagten um eine wertende Stellungnahme. Die Bezeichnung als „Faktenprüferin“ indiziere eine erhöhte Kompetenz und Neutralität der Beklagten. Auf diese Weise würden die Äußerungen der Beklagten und die Einträge „einfacher Nutzer“ in ein Hierarchieverhältnis gestellt. Im Wettbewerb der Meinungen gelte für den Staat jedoch eine besondere Neutralitätspflicht die im Wege der mittelbaren Drittwirkung auch im Lauterkeitsrecht Wirkung entfalte, und daher auch Facebook und die Beklagte binde.