OLG Köln, Beschl. 12.4.2021 - 6 W 98/20

Fehlende Dringlichkeit bei Beendigung der urheberrechtlichen Verletzungshandlung

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2021
1. Bei Unterlassungsansprüchen ergibt sich die „Dringlichkeit“ als Voraussetzung des Verfügungsgrundes nicht schon aus der materiell-rechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr.2. Jedenfalls bei Urheberrechtsverletzungen kann die rein tatsächliche Beendigung der Verletzungslage dazu führen, dass der Verfügungsgrund entfällt und dem Verletzten nur das Hauptsacheverfahren bleibt.

ZPO §§ 935, 940

Das Problem

Das von einem Fotograf auf der Website „Fotolia“ angebotene Lichtbild „XY-Trainer“ wurde auf einer anderen Website öffentlich zugänglich gemacht, ohne dass der Fotograf als Urheber benannt wurde. Daraufhin beantragte er nach erfolgloser Abmahnung Unterlassung des in Rede stehenden Verhaltens im einstweiligen Verfügungsverfahren. Zwischen der Abmahnung und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung versah die Nutzerin das streitgegenständliche Lichtbild mit einem Urhebervermerk. Das LG wies den Antrag mangels Verfügungsgrundes zurück.

Die Entscheidung des Gerichts

Die zulässige sofortige Beschwerde habe in der Sache keinen Erfolg.

Nachdrückliche Rechtsverfolgung: Zwar stehe dem Fotografen ein Verfügungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1, 13, 15, 19a, 72 UrhG zu. Jedoch fehle es an einem Verfügungsgrund. Dieser bestehe gem. §§ 935, 940 ZPO in der (objektiv begründeten) Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Da der Fotograf erst am 16.7.2020 Kenntnis von der urheberrechtsverletzenden Nutzung des Lichtbildes erlangt habe und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 14.8.2020 beim LG eingegangen sei, habe er die Verfolgung seiner Rechte nachdrücklich betrieben.

Fehlende Dringlichkeit: Die Nutzerin habe aber noch vor Beantragung der einstweiligen Verfügung einen entsprechenden Urhebervermerk am streitgegenständlichen Lichtbild anbringen lassen, so dass eine aktuelle Rechtsverletzung des Fotografen derzeit nicht vorliege. Zwar führe materiell-rechtlich die Einstellung oder Beendigung einer Verletzung nicht zum Wegfall der Wiederholungsgefahr. Jedoch ergebe sich bei Unterlassungsansprüchen die Dringlichkeit als Voraussetzung des Verfügungsgrundes nicht schon aus der materiell-rechtlichen Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr. Denn für die Annahme einer Wiederholungsgefahr bedürfe es – im Gegensatz zur Frage der Dringlichkeit – keiner zeitlichen Komponente. Mit dem nach der Abmahnung angebrachten Urhebervermerk bestehe zwar weiterhin (aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung) die Wiederholungsgefahr. Der Fotograf hätte jedoch für die Annahme der Dringlichkeit vortragen müssen, dass eine zukünftige Rechtsverletzung nicht nur wahrscheinlich, sondern auch konkret in unmittelbar zeitlicher Nähe stattfinden werde, so dass ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden könne. Zudem sei der Fotograf auch nicht schutzlos dem Willen der Nutzerin ausgesetzt. Denn sollte sie vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Urhebervermerk wieder entfernen, so wäre eine zeitnahe Wiederholung der Rechtsverletzung offensichtlich und damit ein Verfügungsgrund unproblematisch wieder gegeben.


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