OLG Köln, Beschl. 8.3.2022 - 26 Wx 3/22
Ort der Eheschließung bei Online-Ehen
Autor: RiAG Alexander Erbarth, Greiz
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2022
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 10/2022
Eheschließungsort vor einer US-amerikanischen Personenstandsbehörde als Trauungsorgan mittels Videokonferenz geschlossener Ehen durch in Deutschland weilende Nupturienten verschiedenen Geschlechts ist der Ort, an dem die Eheschließungserklärungen abgegeben werden.
BGB § 1310 Abs. 1 S. 1, § 1311 S. 1; EGBGB Art. 11 Abs. 1 Alt. 2, Art. 13 Abs. 4 S. 1, S. 2; PStG § 51 Abs. 1, § 53 Abs. 2; FamFG § 58 Abs. 1
Die Antragsteller wollen nunmehr die Ehe vor dem Standesbeamten des deutschen Standesamts schließen. Das Standesamt hat die Anmeldung der Eheschließung nicht entgegengenommen, sondern eine Zweifelsfrage beim AG Köln mit der Frage eingereicht, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung entgegenstehe. Mit Beschluss vom 30.12.2021 hat das AG das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller am 24.5.2021 per Videotelefonie die Ehe in B, Bundesstaat Utah, Vereinigte Staaten von Amerika, geschlossen haben: Die Wiederholung der Eheschließung sei zulässig, weil die Wirksamkeit der Heirat per Videotelefonie in Utah zweifelhaft sei. Weil sich die Antragsteller in Deutschland aufgehalten hätten, handle es sich um eine Eheschließung im Inland, so dass die Ehe vor einem deutschen Standesbeamten hätte geschlossen werden müssen. Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde der Aufsichtsbehörde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es angeführt, die Beschwerde sei schon unzulässig, weil die Standesamtsaufsicht die Rechtsauffassung des AG teile.
Die Beschwerde sei jedoch unbegründet. Der Eheschließung der Antragsteller in Deutschland stehe nicht die vorangegangene Heirat in den Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die von den Antragstellern am 24.5.2021 von Deutschland aus im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton in B im amerikanischen Bundesstaat Utah geschlossene Ehe sei in Deutschland nicht wirksam. Auf die Form der Eheschließung sei deutsches Sachrecht anwendbar. Eine Ehe könne gem. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB „im Inland“ nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Um eine (auch) „im Inland“ geschlossene Ehe handle es sich selbst dann, wenn nur die Verlobten ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe in Deutschland abgeben, während die Stelle, die aufgrund der Erklärungen das Zustandekommen der Ehe feststelle, sich in einem anderen Staat befinde. Die Abgabe der Erklärungen auf Eingehung der Ehe sei für die Eheschließung derart wesentlich, dass die Eheschließung am Ort der Abgabe der Erklärungen stattfinde. Sinn und Zweck der einseitigen Kollisionsvorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB erfordere eine solche Auslegung, damit die in Deutschland vorgeschriebene Form der Eheschließung nicht ohne Aufwand mithilfe einer Videotelefonie unterlaufen werden könne. Als Spezialregelung gehe Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB im Rahmen seines Anwendungsbereichs der allgemeineren Kollisionsvorschrift des Art. 11 EGBGB vor. Demgegenüber handele es sich um keine „im Inland“ geschlossene Ehe, wenn die Verlobten sich zwar während der Eheschließung in Deutschland aufhielten, die Erklärungen auf Eingehung der Ehe allerdings von Stellvertretern in der Erklärung in einem anderen Staat vor einer dort zuständigen Stelle abgegeben werden (BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21, FamRZ 2022, 93 m. Anm. Krömer = StAZ 2022, 11 ff. = FamRB 2022, 46 [Finger]), weil dann alle unmittelbar für die Eheschließung erforderlichen Rechtshandlungen im Ausland vorgenommen werden. Beide Antragsteller hätten ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe aber persönlich in Deutschland abgegeben, so dass es sich um eine Eheschließung „im Inland“ i.S.v. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB handele. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB seien schon deshalb nicht erfüllt, weil keiner der Antragsteller Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika sei. Nach dem anzuwendenden deutschen Sachrecht sei keine formgültige Ehe zustande gekommen. Die Ehe werde gem. § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB in Deutschland nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
BGB § 1310 Abs. 1 S. 1, § 1311 S. 1; EGBGB Art. 11 Abs. 1 Alt. 2, Art. 13 Abs. 4 S. 1, S. 2; PStG § 51 Abs. 1, § 53 Abs. 2; FamFG § 58 Abs. 1
Das Problem
Die Antragsteller, beide nigerianische Staatsangehörige, haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Sie schlossen am 24.5.2021 mittels Videokonferenz die Ehe vor einer US-amerikanischen Personenstandsbehörde im Bundesstaat Utah. Beide Antragsteller befanden sich während der Eheschließung in Deutschland und gaben ihre Eheschließungserklärungen im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton gegenüber der Behörde in Utah ab. Sie erhielten im Anschluss hieran eine amerikanische Eheurkunde mit Apostille. Ihr Antrag auf Anerkennung der Eheschließung in Deutschland wurde abgelehnt.Die Antragsteller wollen nunmehr die Ehe vor dem Standesbeamten des deutschen Standesamts schließen. Das Standesamt hat die Anmeldung der Eheschließung nicht entgegengenommen, sondern eine Zweifelsfrage beim AG Köln mit der Frage eingereicht, ob die Eheschließung in Utah einer erneuten Eheschließung entgegenstehe. Mit Beschluss vom 30.12.2021 hat das AG das Standesamt angewiesen, die Anmeldung zur Eheschließung nicht mit der Begründung zurückzuweisen, dass die Antragsteller am 24.5.2021 per Videotelefonie die Ehe in B, Bundesstaat Utah, Vereinigte Staaten von Amerika, geschlossen haben: Die Wiederholung der Eheschließung sei zulässig, weil die Wirksamkeit der Heirat per Videotelefonie in Utah zweifelhaft sei. Weil sich die Antragsteller in Deutschland aufgehalten hätten, handle es sich um eine Eheschließung im Inland, so dass die Ehe vor einem deutschen Standesbeamten hätte geschlossen werden müssen. Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde der Aufsichtsbehörde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es angeführt, die Beschwerde sei schon unzulässig, weil die Standesamtsaufsicht die Rechtsauffassung des AG teile.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG sieht die Beschwerde als zulässig, aber unbegründet an. Die Aufsichtsbehörde sei beschwerdeberechtigt. Nach dem Wortlaut des § 53 Abs. 2 PStG stehe der Aufsichtsbehörde die Beschwerde „in jedem Fall“ zu. Die Aufsichtsbehörde solle nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann zur Beschwerde berechtigt sein, wenn die ergangene Entscheidung dem Antrag der Aufsichtsbehörde stattgegeben habe, damit sie über eine Handhabe verfüge, zu jedem Stand des Verfahrens in schwierigen Fällen eine klärende obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen (BT-Drucks. 16/1831, 51).Die Beschwerde sei jedoch unbegründet. Der Eheschließung der Antragsteller in Deutschland stehe nicht die vorangegangene Heirat in den Vereinigten Staaten von Amerika entgegen. Die von den Antragstellern am 24.5.2021 von Deutschland aus im Wege der zeitgleichen Übertragung in Bild und Ton in B im amerikanischen Bundesstaat Utah geschlossene Ehe sei in Deutschland nicht wirksam. Auf die Form der Eheschließung sei deutsches Sachrecht anwendbar. Eine Ehe könne gem. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB „im Inland“ nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Um eine (auch) „im Inland“ geschlossene Ehe handle es sich selbst dann, wenn nur die Verlobten ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe in Deutschland abgeben, während die Stelle, die aufgrund der Erklärungen das Zustandekommen der Ehe feststelle, sich in einem anderen Staat befinde. Die Abgabe der Erklärungen auf Eingehung der Ehe sei für die Eheschließung derart wesentlich, dass die Eheschließung am Ort der Abgabe der Erklärungen stattfinde. Sinn und Zweck der einseitigen Kollisionsvorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB erfordere eine solche Auslegung, damit die in Deutschland vorgeschriebene Form der Eheschließung nicht ohne Aufwand mithilfe einer Videotelefonie unterlaufen werden könne. Als Spezialregelung gehe Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB im Rahmen seines Anwendungsbereichs der allgemeineren Kollisionsvorschrift des Art. 11 EGBGB vor. Demgegenüber handele es sich um keine „im Inland“ geschlossene Ehe, wenn die Verlobten sich zwar während der Eheschließung in Deutschland aufhielten, die Erklärungen auf Eingehung der Ehe allerdings von Stellvertretern in der Erklärung in einem anderen Staat vor einer dort zuständigen Stelle abgegeben werden (BGH v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21, FamRZ 2022, 93 m. Anm. Krömer = StAZ 2022, 11 ff. = FamRB 2022, 46 [Finger]), weil dann alle unmittelbar für die Eheschließung erforderlichen Rechtshandlungen im Ausland vorgenommen werden. Beide Antragsteller hätten ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe aber persönlich in Deutschland abgegeben, so dass es sich um eine Eheschließung „im Inland“ i.S.v. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB handele. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB seien schon deshalb nicht erfüllt, weil keiner der Antragsteller Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika sei. Nach dem anzuwendenden deutschen Sachrecht sei keine formgültige Ehe zustande gekommen. Die Ehe werde gem. § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB in Deutschland nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.