OLG München, Beschl. 12.2.2018 - 33 UF 1152/17

Adoption eines mittels Eizellspende und Leihmutter geborenen Kindes

Autor: Notar Thomas Krause, Staßfurt
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 06/2018
Bei Zuhilfenahme von Eizellspende und Leihmutterschaft handelt es sich nicht um eine gesetzes- oder sittenwidrige Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zweck der Annahme.

OLG München, Beschl. v. 12.2.2018 - 33 UF 1152/17

BGB § 1741 Abs. 1 S. 2

Das Problem

Der Annehmende und der Vater des Anzunehmenden stellten in der Ukraine Kontakt zur Mutter des Anzunehmenden her und vereinbarten mit ihr, dass diese für den Vater ein Kind austragen solle. Die Schwangerschaft wurde im Wege der künstlichen Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen des Vaters und Eizellen einer Spenderin, die durch eine Kinderwunschklinik vermittelt wurden, herbeigeführt. Die Eizellspenderin ist dem Vater und dem Annehmenden nicht bekannt, die Klinik besitzt jedoch die Personendaten der Eizellspenderin, die vom Kind nach Erreichen des 18. Lebensjahres angefordert werden können. Am 10.9.2014 erkannte der Vater die Vaterschaft vor den ukrainischen Behörden an. Am gleichen Tag erklärte die Mutter zur Urkunde der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kiew die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung sowie ihr Einverständnis, dass das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, und erteilte dem Vater umfassende Vollmacht zur elterlichen Sorge. Sogleich nach der Geburt des Kindes übernahmen der Vater und der Annehmende die Betreuung und Versorgung des Kindes und leben mit ihm seit ihrer Rückkehr nach Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt. Am 10.10.2014 haben der Annehmende und der Vater die Lebenspartnerschaft begründet, am 5.1.2018 schlossen sie die Ehe. Mit notarieller Urkunde vom 29.4.2015 hat der Annehmende beantragt, die Annahme des Kindes durch ihn auszusprechen. Am 7.8.2017 erklärte die Mutter des Kindes ihre Einwilligung zur Adoption. Das Jugendamt hat sich gegen die Adoption ausgesprochen. Die Adoption sei zwar dem Kindeswohl dienlich. Hier sei aber § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB anwendbar und aufgrund der Möglichkeit eines „kleinen Sorgerechts” gem. § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB sei die Adoption für das Kindeswohl nicht erforderlich. Das Landesjugendamt schloss sich dem an.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG sieht die Voraussetzungen für die beantragte Adoption als erfüllt an. Zwischen dem Annehmenden und dem Kind bestehe ein Eltern-Kind-Verhältnis i.S.d. § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dagegen komme es nicht darauf an, ob die Annahme i.S.d. § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Wohl des Kindes erforderlich sei. Die hier vorliegende Konstellation, dass das Kind mit Hilfe einer Leihmutter unter Verwendung einer anonymen Eizellspende im Ausland geboren wurde, führe nicht zur Anwendbarkeit des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei Zuhilfenahme von Eizellspende und Leihmutterschaft handele es sich nicht um eine gesetzes- oder sittenwidrige Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zweck der Annahme.

Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Norm. Zwar könne nicht darauf abgestellt werden, dass § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vermittlung eines Kindes voraussetze, während die Beschaffung einer Eizellspende und Beauftragung einer Leihmutter sich im Vorfeld der Geburt abspiele, also zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Kind noch nicht entstanden sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Kind bereits geboren sei, um eine gesetzeswidrige Vermittlung i.S.d. § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB anzunehmen. Denn denkbar sei auch, dass ein noch ungeborenes Kind bereits über einen Kinderhändler verkauft und an Wunscheltern vermittelt werde. Allerdings falle die Mitwirkung an einer im Inland verbotenen, im Ausland jedoch zulässigen Eizellspende und Leihmutterschaft mit anschließender Verbringung des Kindes ins Inland nicht unter § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil nicht die Verbringung des Kindes, sondern Eizellspende und Leihmutterschaft gegen inländisches Sachrecht verstoße.

Auch der Normzweck des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Grund für die verschärfte Regelung, statt einer Kindeswohldienlichkeit, wie beim in § 1741 Satz 1 BGB normierten Regelfall der Adoption, bei einer sitten- oder gesetzeswidrigen Vermittlung die Erforderlichkeit für das Kindeswohl zum Maßstab zu machen, sei der Gedanke, dass die Annahme durch einen am Kinderhandel oder vergleichbaren Praktiken beteiligten Annahmewilligen der Rückführung oder der Pflege des Kindes in einer anderen Familie deutlich vorzuziehen sein müsse. Zumindest in dem Fall, in dem das Kind wenigstens von einem Mitglied des Wunschelternteilpaares genetisch abstamme, sei eine Herauslösung des Kindes aus einem natürlichen Familienverbund jedoch nicht denkbar, werde doch ein solcher Familienverbund im Verhältnis zu der Leihmutter typischerweise von vornherein nicht begründet, sondern die familiären Bande würden sogleich nach der Geburt zu den Wunscheltern geknüpft. Der Sachverhalt bei Leihmutterschaft werde daher vom Gesetzeszweck des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB, dessen Hintergrund die Abwägung zwischen neuer Familie und Herkunftsfamilie sei, nicht erfasst.

Das Ziel des Gesetzgebers, Leihmutterschaften zu verhindern, das Ausdruck sowohl im Adoptionsvermittlungsgesetz wie im Embryonenschutzgesetz gefunden habe, könne nicht zu einer anderen Bewertung führen. Zwar wäre der Anreiz, ein Kind mittels Leihmutter im Ausland zur Welt bringen zu lassen, gewiss gemindert, wenn die Adoption des so geborenen Kindes in Deutschland nur unter der erhöhten Anforderung der Erforderlichkeit für das Kindeswohl möglich wäre. Diese Erwägungen könnten jedoch im Rahmen des § 1741 Abs. 1 BGB nicht berücksichtigt werden. Adressaten der erwähnten Vorschriften seien die Berufsträger und Kliniken, daneben ggf. die Eltern, aber keinesfalls die Kinder, die der Durchführung einer solchen Behandlung ihre Existenz verdanken.

Schließlich sei § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB im Hinblick auf die betroffenen Grundrechte des Kindes verfassungs- und konventionskonform dahin gehend auszulegen, dass die Norm die Adoption eines mithilfe einer Leihmutter zur Welt gebrachten Kindes nicht erfasse. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten das Recht des Kindes, eine rechtliche Eltern-Kind-Verbindung zu zwei Elternteilen begründen zu können, was durch die im Heimatland der Leihmutter rechtlich nicht wirksame Verwandtschaft zu dieser nicht gegeben sei. Werde die Adoption versagt, liege darin daher ein Eingriff in die genannten Rechte des Kindes, der einer besonderen Rechtfertigung bedürfe. Ließe man die Adoption des von einer Leihmutter geborenen Kindes nur ausnahmsweise im Einzelfall zu, wenn die Adoption sich als zum Wohl des Kindes erforderlich erweise, würde man dem nicht gerecht.


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