OLG München, Urt. 11.4.2019 - 29 U 3773/17
Zur Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr (Stadtplanausschnitte)
Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2019
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 09/2019
Lizenzverträge, die mit Nutzern geschlossen wurden, an die der Rechteinhaber wegen einer entsprechenden Nutzung ohne Lizenz herangetreten war, sind nicht geeignet, Rückschlüsse auf die Höhe des unter gewöhnlichen Umständen angemessenen Lizenzbetrags zu gestatten.Für die Frage, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für derartige Benutzungshandlungen vereinbart hätten, ist nicht auf die teuerste Lizenzmöglichkeit abzustellen, die Nutzungen wie die Verletzungshandlung neben anderen – nicht streiterheblichen – mit umfasst, sondern auf eine marktgerechte Bewertung der tatsächlichen Nutzung.
OLG München, Urt. v. 11.4.2019 - 29 U 3773/17 „Lizenzanalogie bei Stadtplänen” (n.rkr.)
Vorinstanz: LG München I, Urt. v. 20.10.2017 - 21 O 5904/14
UrhG § 19a, § 97 Abs. 2 Satz 3, ZPO § 287
Die Beklagte verwendete auf vier verschiedenen URLs zur Lagebeschreibung Stadtplanausschnitte der Klägerin, ohne diese lizenziert zu haben. Die Klägerin berechnete eine entgangene Lizenzgebühr als Schadensersatz i.H.v. 6.480 €, jeweils 1.620 € pro Seite, entsprechend ihrer AGB. Zusätzlich legt sie weitere im Verletzungszeitraum mit Dritten abgeschlossene Lizenzverträge vor, die die Marktüblichkeit der verlangten Lizenzgebühr belegen sollen. Die auf Zahlung (u.a.) dieser Schadensersatzbeträge erhobene Klage ist in erster Instanz erfolgreich.
Auf die Berufung der Beklagten weist das OLG die Klägerin darauf hin, dass es Verträge, die nur unter dem Druck einer vorherigen Abmahnung zustande gekommen seien, nicht als Maßstab der Marktüblichkeit ansehe. Die Klägerin legt daraufhin weitere Verträge vor, teilt aber mit, sie werde keine Verträge vorlegen bzw. näher erläutern, die nicht in Folge einer vorherigen Abmahnung zustande gekommen sind.
Zwar liege eine zum Schadensersatz verpflichtende urheberrechtswidrige Nutzung der schutzfähigen Kartenausschnitte vor, wenn diese auf eigenen Servern für den Abruf im Internet abrufbar gehalten werden (§ 19a UrhG). Bei der Berechnung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist aber der objektive Wert der Benutzungsberechtigung zu ermitteln. Dieser liege lediglich bei 1.800 €. Es komme für die Bemessung entscheidend auf die zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzte eigene Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers an (BGH, Urt. v. 13.9.2018 – I ZR 187/17 – Foto eines Sportwagens, GRUR 2019, 292). Fehle es daran, könnten branchenübliche Tarife herangezogen werden (BGH, Urt. v. 6.10.2005 – I ZR 266/02 – Pressefotos, GRUR 2006, 136). Fehle auch das, sei der Schadensersatz vom Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Die vorgelegten Lizenzverträge seien keine ausreichende Grundlage für die Berechnung des Schadensersatzes – teils weil sie zeitlich oder vom Verletzungsumfang über den hiesigen Fall hinausgingen, teils weil Nutzungen im Printbereich beträfen. Weitere Verträge betrafen Zeiträume vor dem Verletzungszeitraum – für diese könne angesichts des Aufkommens billiger und kostenloser anderer Kartendienste nicht geschlossen werden, deren Lizenzsätze seien auch noch im Verletzungszeitraum durchsetzbar gewesen. Letztlich verblieben dann nur neun vergleichbare Lizenzverträge im Verletzungszeitraum, für die der Senat zur Einschätzung neigt, dass diese keine ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung seien. Hierauf komme es aber letztlich nicht an. Denn bis auf zwei seien sämtliche dieser neun Verträge erst auf Abmahnung hin abgeschlossen worden. Diese seien aber nicht unter Marktbedingungen zustande gekommen. Denn wegen der vorangegangenen Urheberrechtsverletzungen sei die Klägerin in einer erheblich stärkeren Verhandlungsposition gewesen, weil sie zusätzlich mit dem Geltend machen ihrer gesetzlichen Ansprüche wegen der Urheberrechtsverletzungen drohen konnte. Dass auch solche Verträge „freiwillig” abgeschlossen werden, sei für die Berechnung eines objektiv vergleichbaren Lizenzsatzes irrelevant; relevant sei dagegen, dass in dieser Konstellation der Verletzer mit der Lizenzgebühr nicht nur die Nutzung abgelte, sondern zugleich auch den Verzicht auf das Geltend machen weiterer Ansprüche im Gerichtswege.
Die von der Klägerin ergänzend vorgelegten Gutachten belegten nicht die Marktfähigkeit des klägerischen Vergütungsmodells, sondern legten diese letztlich den Gutachten zugrunde. Auch die in den Gutachten angeführten Lizenzmodelle anderer Marktteilnehmer seien – da vom Beklagten bestritten – nicht hinreichend belegt. Es sei daher eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Hierfür greift das Gericht auf das Vertragswerk der Klägerin zurück, in dem neben einem unbefristeten Nutzungsrecht (das die Klägerin zugrunde gelegt hatte) auch eine dynamische Karte im Format DIN A6 angeboten wird für eine Nutzungsgebühr von 50 €/Jahr. Für die Berechnung sei nicht auf die teuerste abzustellen (insbesondere nicht, wenn diese (wie hier) auch Nutzungen mit umfasst, die nicht streitgegenständlich sind), sondern auf eine marktgerechte Bewertung der tatsächlich vorgenommenen Nutzung. Da die Klägerin die Karten auf vier Webseiten für drei Jahre im Format DIN A4 genutzt habe (für diese Nutzung eines größeren Ausschnittes verdreifacht der Senat die Nutzungsgebühr auf 150 €/Jahr/Seite), sei der ausgeurteilte Betrag von 1.800 € angemessen.
OLG München, Urt. v. 11.4.2019 - 29 U 3773/17 „Lizenzanalogie bei Stadtplänen” (n.rkr.)
Vorinstanz: LG München I, Urt. v. 20.10.2017 - 21 O 5904/14
UrhG § 19a, § 97 Abs. 2 Satz 3, ZPO § 287
Das Problem
Die Klägerin lizenziert Stadtplanausschnitte. Für die kommerzielle Onlinenutzung sehen ihre AGB gestaffelte Preise von 820 € bis über 2.000 € vor, abhängig von der (auf DIN-Größen bezogenen) Größe des Ausschnitts.Die Beklagte verwendete auf vier verschiedenen URLs zur Lagebeschreibung Stadtplanausschnitte der Klägerin, ohne diese lizenziert zu haben. Die Klägerin berechnete eine entgangene Lizenzgebühr als Schadensersatz i.H.v. 6.480 €, jeweils 1.620 € pro Seite, entsprechend ihrer AGB. Zusätzlich legt sie weitere im Verletzungszeitraum mit Dritten abgeschlossene Lizenzverträge vor, die die Marktüblichkeit der verlangten Lizenzgebühr belegen sollen. Die auf Zahlung (u.a.) dieser Schadensersatzbeträge erhobene Klage ist in erster Instanz erfolgreich.
Auf die Berufung der Beklagten weist das OLG die Klägerin darauf hin, dass es Verträge, die nur unter dem Druck einer vorherigen Abmahnung zustande gekommen seien, nicht als Maßstab der Marktüblichkeit ansehe. Die Klägerin legt daraufhin weitere Verträge vor, teilt aber mit, sie werde keine Verträge vorlegen bzw. näher erläutern, die nicht in Folge einer vorherigen Abmahnung zustande gekommen sind.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG gibt der Berufung der Beklagten teilweise statt und spricht der Klägerin lediglich 1.800 € an Schadensersatz zu.Zwar liege eine zum Schadensersatz verpflichtende urheberrechtswidrige Nutzung der schutzfähigen Kartenausschnitte vor, wenn diese auf eigenen Servern für den Abruf im Internet abrufbar gehalten werden (§ 19a UrhG). Bei der Berechnung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist aber der objektive Wert der Benutzungsberechtigung zu ermitteln. Dieser liege lediglich bei 1.800 €. Es komme für die Bemessung entscheidend auf die zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzte eigene Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers an (BGH, Urt. v. 13.9.2018 – I ZR 187/17 – Foto eines Sportwagens, GRUR 2019, 292). Fehle es daran, könnten branchenübliche Tarife herangezogen werden (BGH, Urt. v. 6.10.2005 – I ZR 266/02 – Pressefotos, GRUR 2006, 136). Fehle auch das, sei der Schadensersatz vom Gericht nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Die vorgelegten Lizenzverträge seien keine ausreichende Grundlage für die Berechnung des Schadensersatzes – teils weil sie zeitlich oder vom Verletzungsumfang über den hiesigen Fall hinausgingen, teils weil Nutzungen im Printbereich beträfen. Weitere Verträge betrafen Zeiträume vor dem Verletzungszeitraum – für diese könne angesichts des Aufkommens billiger und kostenloser anderer Kartendienste nicht geschlossen werden, deren Lizenzsätze seien auch noch im Verletzungszeitraum durchsetzbar gewesen. Letztlich verblieben dann nur neun vergleichbare Lizenzverträge im Verletzungszeitraum, für die der Senat zur Einschätzung neigt, dass diese keine ausreichende Grundlage für eine Schadensschätzung seien. Hierauf komme es aber letztlich nicht an. Denn bis auf zwei seien sämtliche dieser neun Verträge erst auf Abmahnung hin abgeschlossen worden. Diese seien aber nicht unter Marktbedingungen zustande gekommen. Denn wegen der vorangegangenen Urheberrechtsverletzungen sei die Klägerin in einer erheblich stärkeren Verhandlungsposition gewesen, weil sie zusätzlich mit dem Geltend machen ihrer gesetzlichen Ansprüche wegen der Urheberrechtsverletzungen drohen konnte. Dass auch solche Verträge „freiwillig” abgeschlossen werden, sei für die Berechnung eines objektiv vergleichbaren Lizenzsatzes irrelevant; relevant sei dagegen, dass in dieser Konstellation der Verletzer mit der Lizenzgebühr nicht nur die Nutzung abgelte, sondern zugleich auch den Verzicht auf das Geltend machen weiterer Ansprüche im Gerichtswege.
Die von der Klägerin ergänzend vorgelegten Gutachten belegten nicht die Marktfähigkeit des klägerischen Vergütungsmodells, sondern legten diese letztlich den Gutachten zugrunde. Auch die in den Gutachten angeführten Lizenzmodelle anderer Marktteilnehmer seien – da vom Beklagten bestritten – nicht hinreichend belegt. Es sei daher eine Schätzung nach § 287 ZPO vorzunehmen. Hierfür greift das Gericht auf das Vertragswerk der Klägerin zurück, in dem neben einem unbefristeten Nutzungsrecht (das die Klägerin zugrunde gelegt hatte) auch eine dynamische Karte im Format DIN A6 angeboten wird für eine Nutzungsgebühr von 50 €/Jahr. Für die Berechnung sei nicht auf die teuerste abzustellen (insbesondere nicht, wenn diese (wie hier) auch Nutzungen mit umfasst, die nicht streitgegenständlich sind), sondern auf eine marktgerechte Bewertung der tatsächlich vorgenommenen Nutzung. Da die Klägerin die Karten auf vier Webseiten für drei Jahre im Format DIN A4 genutzt habe (für diese Nutzung eines größeren Ausschnittes verdreifacht der Senat die Nutzungsgebühr auf 150 €/Jahr/Seite), sei der ausgeurteilte Betrag von 1.800 € angemessen.