OLG München, Urt. 30.7.2020 - 29 U 6389/19

Keine Verkehrsgeltung eines Goldfarbkartons bei Benutzung in Verbindung mit Schokoladenhasen in nur einer bestimmten Formgebung

Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2021
Ein auf die Verletzung einer Benutzungsfarbmarke gestützter Unterlassungsantrag, der hinsichtlich der konkreten Verletzungsform allein auf einen als Anlage körperlich zur Akte gereichten Schokoladenhasen verweist, kann hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sein. Wird eine abstrakte Farbmarke von einem Unternehmen nicht als „Hausfarbe“ für unterschiedliche Waren und Dienstleistungen, sondern lediglich für ein dem Verkehr bekanntes konkretes Produkt (hier: Schokoladenhasen) markenmäßig genutzt, kommt eine Verkehrsgeltung nur dann in Betracht, wenn der Verkehr die Farbe auch dann als Herkunftshinweis auf das betreffende Unternehmen wahrnimmt, wenn es sich bei dem mit der Farbe gekennzeichneten Produkt aufgrund seiner sonstigen Gestaltungsmerkmale ersichtlich nicht um besagtes konkretes Produkt handelt.

MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 3, § 4 Nr. 2, § 14 Abs. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

Das Problem

Die Klägerinnen gehören – als Konzernmutter bzw. Vertriebsgesellschaft in Deutschland – der seit Jahrzehnten in der Herstellung von Premiumschokolade tätigen Unternehmensgruppe „Lindt“ an. Zu deren Produkten gehört u.a. ein im Jahr 1952 entwickelter und seither in verschiedenen Größen angebotener Schokoladenhase. Dieser wird in Deutschland seit dem Jahr 1994 in goldfarbener Verpackung angeboten und ist dort mit über 100 Mio. verkauften Exemplaren in den letzten 30 Jahren der mit Abstand meistverkaufte Schokoladenhase. Bei der Beklagten handelt es sich ebenfalls um eine Herstellerin von Schokoladenprodukten. Auch zu den Produkten der Beklagten gehört ein Schokoladenhase in goldfarbener Verpackung. Die Klägerinnen sehen darin die Verletzung einer ihnen – wie sie meinen – gem. § 4 Nr. 2 MarkenG an dem Farbton CIELAB 86.17, 1.56, 41.82 jeweils zustehenden Benutzungsfarbmarke. Zum Nachweis für die an dem Farbton erworbene Verkehrsgeltung haben die Klägerinnen im Verfahren eine Verkehrsbefragung vorgelegt, aus der sich für die deutsche Gesamtbevölkerung ein Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad der streitgegenständlichen Farbgebung von 75,8 % bzw. 72,3 % ergibt. Das von den Klägerinnen in diesem Zuge angerufene LG München I hat eine kraft Verkehrsgeltung geschützte Farbmarke bejaht und hat die Beklagte unter gleichzeitiger Zurückweisung des Hauptklageantrags im Wege des auf bildliche Wiedergaben der von der Beklagten genutzten Verpackungsfarbe gestützten (hilfsweisen) Klagebegehrens zu Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz verurteilt. Sowohl die Klägerinnen als auch die Beklagte gehen hiergegen mit dem Rechtsmittel der Berufung vor dem OLG München vor.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG München hat der Berufung der Beklagten und gleichzeitiger Zurückweisung der klägerischen Berufung vollumfänglich stattgegeben, das Urteil des LG München I aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Zunächst sei das mit dem Hauptantrag der Klägerinnen verfolgte Unterlassungsbegehren entgegen der Rechtsauffassung des LG München I nicht mangels Bestimmtheit i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Zwar verweise der abstrakt formulierte Unterlassungsantrag hinsichtlich der konkreten Verletzungsform lediglich auf die körperlich zur Verfahrensakte gereichten Schokoladenhasen. Allerdings hätten die Klägerinnen jedenfalls in der Berufungsinstanz klargestellt, dass die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auch, aber nicht nur zur Festlegung der angegriffenen Goldtöne erfolgen soll. Zudem ergebe sich aus dem Klagevortrag, dass die Klägerinnen die Rechtsverletzung in der großflächigen Benutzung der Goldtöne bei den angegriffenen Produkten sähen, weshalb erkennbar sei, in welchen Merkmalen der angegriffenen Produkte sie die Grundlage und den Anknüpfungspunkt des Rechtsverstoßes sähen.

Die Klage sei aber unbegründet. Den Klägerinnen stehe an dem streitgegenständlichen Goldton keine Marke kraft Verkehrsgeltung i.S.d. § 4 Nr. 2 MarkenG zu. Eine solche ließe sich nicht aus dem von den Klägerinnen vorgelegten Verkehrsgutachten ableiten. So sei der von den Klägerinnen vertriebene Schokoladenhase jedenfalls hinsichtlich der Kombination von Form und Farbe bekannt. Allerdings seien Farben in der bisherigen Rechtsprechungspraxis des BGH nur dann als abstrakte Farbmarken kraft Verkehrsgeltung anerkannt worden, wenn diese von den betreffenden Unternehmen als „Hausfarbe“ für verschiedene Produkte genutzt worden seien. Die Klägerinnen hingegen benutzten die streitgegenständliche Farbe ausschließlich für ihren Lindt Goldhasen. In dieser Konstellation könne eine Verkehrsgeltung der streitgegenständlichen Farbe für Schokoladenhasen nur angenommen werden, wenn der Verkehr in dem Goldton der Lindt Goldhasen auch dann einen Herkunftshinweis auf die Klägerinnen sehen würde, wenn es sich bei einem in Goldfolie eingewickelten Schokoladenhasen aufgrund seiner sonstigen Gestaltungsmerkmale ersichtlich nicht um den bekannten Lindt Goldhasen handele. Davon sei hier aber nicht auszugehen. So sei dem Verkehr bekannt, dass die streitgegenständliche Farbe von den Klägerinnen ausschließlich für eine bestimmte Form von Schokoladenhasen – dem Lindt Goldhasen – benutzt werde. Folgerichtig wird der Verkehr auch davon ausgehen, dass anders geformte Schokoladenhasen gerade nicht von den Klägerinnen stammten. Eine abstrakte Farbmarke kraft Verkehrsgeltung scheide insoweit aus.

Das OLG München hat in seiner Entscheidung jedoch die Revision beim BGH ausdrücklich zugelassen. So habe die Frage, wann eine Verkehrsgeltung bei abstrakten Farbmarken anzunehmen sei, die nur für ein einzelnes, dem Verkehr auch hinsichtlich weiterer Gestaltungsmerkmale bekannten Produkts benutzt werde, grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1ZPO.


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