OLG München, Urt. 4.10.2021 - 3 U 2906/20

Reichweite des Auskunftsanspruchs nach DSGVO

Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, Herberger Vogt von Schoeler, München – www.hvs-rechtsanwaelte.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 02/2022
Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO begründet einen eigenständigen Anspruch auf Herausgabe von Kopien aller Dokumente, die in irgendeiner Form mit der betroffenen Person verknüpft und damit als personenbezogene Daten einzuordnen sind. Die Kopien sind in der Form zu überlassen, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen. Einschränkungen können nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO erfolgen.

DSGVO Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1

Das Problem

Eine Anlegerin verlangte von ihren Finanzberatern die Überlassung von Kopien aller über sie vorhandenen personenbezogenen Daten. Die Finanzberater stellten jedoch nur eine Auskunft über die einzelnen bei ihnen gespeicherten Daten zur Verfügung. Das LG München I verurteilte die Finanzberater, der Anlegerin auch Kopien aller personenbezogenen Daten, insb. in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E‑Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen, auszuhändigen.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG bestätigte das Urteil der Vorinstanz weitgehend, ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aber die Revision zu.

Personenbezogene Daten: Der Begriff der personenbezogenen Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO sei weit zu verstehen und umfasse potentiell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die betroffene Person handle. Dies sei erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft seien (BGH v. 15.6.2021 – VI ZR 576/19, CR 2021, 589). Schreiben, E‑Mails, Telefonnotizen, Aktenvermerke und Protokolle seien grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten anzusehen, da diese Dokumente letztlich allesamt Informationen über die Anlegerin enthielten.

Auskunftsanspruch: Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO habe die betroffene Person zunächst das Recht, vom Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob personenbezogene Daten verarbeitet würden. Sei dies der Fall, so habe sie ein Recht auf Auskunft über diese Daten und bestimmte weitere Informationen.

Herausgabe umfassender Kopien: Zudem stehe der betroffenen Person nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ein Recht auf Herausgabe von Kopien zu. Die Frage, ob daraus ein eigenständiger Anspruch folge und damit umfangreich alle Rohdaten zu überlassen seien (extensive Ansicht) oder dieser als Annex des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO zu verstehen sei und es daher ausreiche, die in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO genannten Angaben in Kopie zu übermitteln (restriktive Ansicht), sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zu folgen sei der extensiven Ansicht. Aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift sei zu folgern, dass es sich bei Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO um zwei unterschiedliche Ansprüche handle, die zwar denselben Gegenstand beträfen, sich jedoch auf der Rechtsfolgenseite unterscheiden würden.


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