OLG Nürnberg, Beschl. 10.6.2021 - 11 UF 227/21

Zweierlei Anträge auf Wohnungsüberlassung

Autor: RiAG a.D. Ralph Neumann, Brühl
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 12/2021
1. Anträge nach § 1361b BGB und § 1 GewSchG können in einem Verfahren verhandelt und entschieden werden.2. Hat das Ausgangsgericht einen Antrag gem. § 1361b BGB nach § 2 GewSchG entschieden, wendet das Beschwerdegericht die durch den Sachverhalt gedeckten Normen zum Erreichen des Anspruchsziels an. In Ehewohnungssachen ist dabei das Schlechterstellungsgebot zu beachten.

BGB § 1361b; GewSchG § 2

Das Problem

Die Eheleute lebten schon längere Zeit getrennt, als die Ehefrau im Bad auftauchte und ihrem dort unter der Dusche stehenden Ehemann ins Gesicht schlug. Da sie dies nach seinen Angaben schon einmal getan hatte, als er gerade beim Essen saß, beantragte er nunmehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zuweisung der gemeinsamen Doppelhaushälfte an ihn allein für die Dauer des Getrenntlebens sowie weitere Schutzanordnungen. Nach mündlicher Erörterung mit den Beteiligten erließ das Familiengericht die beantragte einstweilige Anordnung und wies die Ehewohnung dem Antragsteller gemäß § 2 GewSchG, befristet auf 6 Monate, zur alleinigen Nutzung zu. Zugleich erließ es, ebenfalls befristet, ein Kontaktverbot gemäß § 1 GewSchG gegen die Antragsgegnerin.

Die Entscheidung des Gerichts

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin bestätigt der Senat die einstweilige Anordnung, stützt sie jedoch hinsichtlich der Wohnungszuweisung ausdrücklich auf § 1361b BGB. Der Umstand, dass das AG seine Entscheidung allein auf § 2 GewSchG gestützt hat, hindere den Senat nicht an einer Anwendung von § 1361b BGB im Rahmen der Beschwerdeentscheidung. Es sei zwar umstritten, ob zwischen § 1361b BGB und § 2 GewSchG bei vorangegangener Gewalt zwischen Ehegatten ein Vorrang oder aber Gleichrang (mit Wahlrecht) bestehe. Die Ansicht, die in § 1361b BGB eine Spezialvorschrift im Verhältnis zu § 2 GewSchG sehe, werde gemeinhin als herrschend bezeichnet. Im vorliegenden Fall ergebe sich allerdings bereits auf Grundlage des gestellten Antrags, dass der geltend gemachte Anspruch auf § 1361b Abs. 1, Abs. 2 BGB zu stützen ist, da die Zuweisung der Ehewohnung für die Dauer des Getrenntlebens beantragt wurde. Im Gegensatz zur zu befristenden Anordnung nach dem GewSchG ist dieses Antragsziel nur im Rahmen des § 1361b BGB erreichbar. Soweit nun das FamG die angeordnete Wohnungszuweisung – aus seiner Sicht bei Anwendung von § 2 GewSchG konsequent – befristet habe, sei jedoch allein der Antragsteller beschwert, der aber keine Beschwerde eingelegt hat. Eine Abänderung sei daher insoweit nicht veranlasst, da in Ehewohnungssachen das Verbot der Schlechterstellung gilt. Klarzustellen sei lediglich, dass die Wohnungszuweisung längstens für die Dauer des Getrenntlebens erfolge.


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