OLG Nürnberg, Beschl. 25.1.2022 - 11 UF 801/21

Verwirkung eines Schmerzensgeldanspruchs nach häuslicher Auseinandersetzung durch Versöhnung

Autor: DirAG Andreas Frank, Cuxhaven
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 07/2022
Ein während der Ehe entstandener Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds gegen den anderen Ehegatten ist nicht schon deshalb verwirkt, weil die Eheleute nach der Verletzungshandlung vorübergehend (hier: für ca. drei Jahre) wieder in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben.

BGB § 207, § 242, § 253, § 823

Das Problem

Bei einem Streit mit ihrem Ehemann M erleidet Ehefrau F Anfang 2017 einen Nasenbeinbruch. Sie erwirkt zunächst die Überlassung der Ehewohnung an sie nach § 2 GewSchG, sechs Monate später kommt es aber zur vorübergehenden Versöhnung der Eheleute, und M zieht wieder in das Familienheim ein. Spätestens 2020 erfolgt die endgültige Trennung. Nunmehr verlangt F wegen der erlittenen Verletzungen u.a. ein Schmerzensgeld von 3.000 €. M meint, infolge der zwischenzeitlichen Versöhnung habe F etwaige Ansprüche verwirkt. Dem folgt das FamG und weist den Antrag ab, wogegen F Beschwerde erhebt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG ändert die Entscheidung des FamG ab und verpflichtet M zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.900 €. Der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds sei nicht wegen illoyal verspäteter Geltendmachung gem. § 242 BGB verwirkt. Insbesondere habe die zwischenzeitliche Versöhnung der Eheleute nicht zur Verwirkung des Anspruchs geführt. Die Versöhnung lasse für sich genommen nicht den Schluss zu, dass Ehegatten wechselseitig bereits entstandene Ansprüche künftig nicht mehr geltend gemacht würden. Im Zeitpunkt der Versöhnung sei nicht absehbar gewesen, ob das künftige Zusammenleben nur für wenige Tage, Wochen oder aber lange Zeit dauern würde. M habe daher in diesem Moment nicht erwarten können, dass allein der Versuch erneuten Zusammenlebens zu einem Verzicht auf bisher entstandene Ansprüche führen würde. Die Versöhnung könne allenfalls Ausgangspunkt einer Entwicklung sein, die bei Hinzutreten weiterer Ereignisse ggf. diese Annahme begründen könnte. Allerdings berücksichtigt das OLG den zeitlichen Abstand zwischen Entstehung und Geltendmachung des Anspruchs bei der Bemessung des Schmerzensgelds (krit. dazu Budzikiewicz, NZFam 2022, 475).


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